Wahre Freunde sagen einem die Wahrheit, oder besser nicht?

Begonnen von DreiPunkte, 05 Oktober 2015, 12:57:23

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DreiPunkte

Die meisten Menschen haben meiner Beobachtung nach kein großes Selbstvertrauen.
Viele peppen das eigene dadurch auf, Fehler bei anderen zu suchen. Ich finde dies irgendwie auch ok. Naja, solange es in dem Rahmen bleibt, dass man diese Erkenntnis für sich nutzt, um sich selber bisschen wohler in der eigenen Haut zu fühlen und nicht durch Lästereien nach außen trägt.

Ich frage mich, was dahinter steckt, wenn man dies nach außen tragen muss. Sprich, andere vor anderen nieder zu machen.
Klar, es hilft von der eigenen Person abzulenken. Vielleicht sucht man auch nur eine Bestätigung, dass andere die anderen genauso sehen. Oft mag auch ein gewisser Tratschfaktor dahinter stecken.

Was ich nicht nachvollziehen kann, wenn Menschen (nach außen) immer an sich zweifeln, gleichzeitig aber sagen, wie toll sie doch seien und gleichzeitig Bestätigung dafür suchen, indem sie andere als schlechte Menschen darstellen. Ich bin die bessere Mutter, weil... Ich kann besser mit Hunden umgehen, weil... Ich trage mehr Verantwortung, weil...
Und immer springt ins Auge, dass durch den vermeintlich schlechten Umgang der anderen Personen mit einem selbst, das eigene Ego leidet. Doch greifbar ist meist nicht, wieso!? In den gleichen Sätzen wird der andere gleich schlecht gemacht und man betont, wie gut man doch ist.
Da ist ein riesen Unterschied zu den Menschen, die sich selbst nieder machen, wenn sie Kritik hören. Ersteres ist meiner Meinung nach verstecktes Fishing for compliments. Oder steckt hierbei eine so große Unsicherheit dahinter, dass man dem Gegenüber, welcher einen trösten will, Worte in den Mund legen möchte, die man hören will und gleichzeitig befürchtet, er komme da nicht alleine drauf?

Manchmal frage ich mich, ob ich besser fahren würde, wenn ich in solchen Momenten einfach Ja und Amen sage. Genau das sage, was jemand hören will. Doch ist man dadurch ein besserer Freund? Meiner Meinung nach nicht. Im Gegenteil, man sagt einfach was, um seine ruhe zu haben. Vielleicht kann man es auch umgekehrt sehen. Man sagt sowas, damit sich der andere nicht schlechter fühlt. Ist ja bekannt, dass die wenigsten mit der Wahrheit umgehen können. Ist man ein besserer Freund, wenn man gleich auf alles schimpft und alles nieder macht. Gutachten müssen falsch sein! Andere Personen sind doch echt mies! usw. usw.
Wahrscheinlich gibt es bei so etwas gar kein richtig oder falsch. Jede zwischenmenschliche Beziehung ist anders und immer von den betroffenen Personen gekennzeichnet.
Oft verschweigt man gewisse Dinge, bringt "Freunde" nicht dazu, Dinge von anderen Seiten zu betrachten. Mag komisch klingen, aber vielleicht ist es manchmal besser, jemanden in einer Welt leben zu lassen, in der er einigermaßen stabil ist und ihn nicht in eine andere zu ziehen (ohne rosarote Brille).


Nicki

In der Vergangenheit habe ich manchmal, wenn Personen aus meinem Umfeld (denen es eigentlich sehr gut ging) zu sehr jammerten einfach ganz sachlich ein paar "Anekdoten" aus meinem Leben erzählt. Hatte immer so einen Schock-Effekt und meistens haben diese Leute danach einen Bogen um mich gemacht. War mir aber ganz recht. Grundloses Gejammer kann ich nicht hören.

Igorath

Meine Meinung:
Wahre Freunde sagen dir ihre Meinung in Worte verpackt, die du verstehst und dich möglichst wenig verletzen (falls es etwas "gegen" dich sein sollte).

Ich z.B. finde immer einen Weg, es meinen Freunden so zu sagen, dass sie selbst darauf kommen, so etwa:

Ich:" Naja, ich finde sowas auch nicht gerade in Ordnung... kennst du Leute die z.B. *hierirgendeineTateinfügen*? Na gut, sowas kann schon mal passieren aber... "
Freund: "ja... *Stille* Oh.... Ich verstehe was du meinst."

So bringt man den anderen zum Nachdenken. Und Denken ist eigentlich immer etwas Gesundes :)

Das was Nicki gesagt hat, kann ich indes so nicht unterschreiben. "Grundloses Gejammer kann ich nicht hören".
Naja, sowas in einem Depressionsforum?
Manche (wie z.B. ich) haben keinen besonderen Auslöser für ihre Situation. Und trotzdem jammere ich bei meinen Freunden, teilweise haben diese sogar schon ihre Mutter verloren und trotzdem hören sie mir zu und sagen, dass das alles in Ordnung ist.
Und das schätze ich an ihnen sehr.

limited edition

@DreiPunkte

zum ersten Teil Deines Eingangstextes: Das liegt ganz einfach daran, dass Widersprüche beziehungsweise auch scheinbare und teilweise Widersprüche zum Menschlichen gehören.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass wir in einer verstandesbetonten Welt leben, sich aber mit dem Verstand allein nicht alles erklären lässt.
Es gibt bei Reaktionen auf eine Meinungsäusserung von Dir, mir oder anderen je nach Person und Situation auch viele Gesichtspunkte, die man einbeziehen kann. Zum Beispiel interpretiert man selber ja nicht nur, was der Andere tut oder sagt so, wie man selber denkt, sondern auch der interpretiert das Dazukommende und so weiter. Das ist nur eine Möglichkeit von vielen.
Es kann auch sein, wenn Du jemand anderes kritisiert, dass der denkt: Ja, aber Du ...
und da wäre etwas, was bei dir widersprüchlich ist - wie oben begonnen.

Seine Meinung kann man sagen, das gehört zu Freundschaft auch dazu, muss aber auch mit allem rechnen und sich oft weiter mit der Differenz beschäftigen. Dabei sollte man nicht nur beim Gegenüber suchen nach Interpretationen.
Manchmal scheint es sich von vornherein nicht zu lohnen, wenn du weisst, der andere denkt eh so und so und lässt sich da nicht reinreden.
Aber du kannst auch von besten Freunden nicht alles wissen oder alles nachfühlen, das ist wohl unmöglich.

Wie man es dreht und wendet, zwischen Menschen ist es nicht so einfach, wenn man sich nicht üblicherweise in jede Gruppe einpasst, zum Beispiel in da übliche nach aussen getragene Ansichten, die auch nicht alle so wahr sein müssen.

Ich nehme mal an, viele nehmen innerlich vorweg, was nach ihren Erfahrungen da hineinpassen könnte. Du kannst auch nicht immer die komplette Ansicht, die Du hast, so erklären, dass es hundert Prozent ergibt, und so ist es in Gruppen auch.
Vieles bleibt oberflächlicher oder allgemeiner als man manchmal wünschen würde.

limited edition

Eine Ergänzung noch:
Sich anzweifeln und im nächsten Moment in einer Form zu loben, das wäre für mich eher ein inneres Gespräch oder ein Selbstgespräch, wobei es darum gehen kann, eigene Zweifel zu prüfen und abzuwägen. Ich finde das ziemlich normal. Nach aussen trägt man es in dieser Form nicht unbedingt nach meinem Wissen ausser in kleiner, vertrauter Runde, wenn es eben um Probleme geht.
Das ist nicht schädlich, es kann lange dauern, bis man seinen Frieden und Ausgewogenheit findet oder es in häufigerer Wiederholung einfach Selbstreflexion ist.
Was man allerdings nach aussen trägt, bei dem kann der Zuhörer ja was einfügen, einwerfen, einwenden, zu bedenken geben.
Perfektionismus ist oft nicht so angebracht, gerade für Menschen, die dazu neigen - was Aussenstehende nicht wissen müssen, denn das kann eine Art "Familientradition" irgendeines Familienmitglieds zum Beispiel weiter ausführen, übernommen, weitergetragen, verinnerlicht.
Ich kann da empfehlen, Dir Filme, Dokumentationen anzusehen, zu lesen, worin es thematisiert ist, das sollten möglichst gute Darstellungen und Darbietungen sein, die Dich auch durchaus mal überraschen können.
Letztlich lernen wir ein Leben lang.

Alles gute, limited edition

deathpoem

Na ja, ich halte es eher so das ich einem wirklichen Freund ruhig die Wahrheit sagen kann, ohne das ich damit rechnen muß das er oder sie mir böse ist. Bei anderen ist es mir ehrlich gesagt egal was sie so machen. Mit den Jahren habe ich gelernt mit meinen Fehlern zu leben, und das sind doch ein paar mehr  als mir lieb ist. Doch auch ich wurde auf diese hingewiesen, teils nett teils auf die harte Tour. Diejenigen die andere runter machen um in einem besseren Licht da zu stehen sind eigentlich arme Individuen. Ihnen mangelt es meiner Meinung nach an Selbstwertgefühl. Dies versuchen sie sich auf eben dem Weg zu holen sich anderen gegenüber in ein besseres Rampenlicht zu stellen. Es ist doch schöner wenn über andere getratscht wird wie über einen selbst.