Widerwillen

Begonnen von AHunter, 27 September 2015, 13:05:37

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AHunter

Widerwillen


Aufgelöst sitzt er in seiner Ecke, kauert, krümmt sein Kreuz, und
lässt stammelnd düstere Ahnungen auf den staubigschalen Boden
rieseln.
Sie verzeichnen, verschreiben und binden sich nieder. Wie von Hand
gemalt und Fingern aufgezeigt, strömen die Worte durch die Schicht
von uralt Verlebtem. So mitten in dieser Ruine von Vergangenheit
und Verfall, ein Aufbruch, ein Ausbruch. Nicht er, aber die Zeichen.
Die Zeichen, die sich setzten und legten.
Heillose Energieen wirbeln auf, kraftvolle Wellen schlagen um sich
und die Luft zerknistert bei jeder Berührung mit sich selbst.
Im Zentrum weiterhin er, wie halbtot, wie halbstark, wie halbbesessen.
Seine Augen trauern, sein Innerstes möglicherweise auch. Doch wird
dies niemand mehr mitbekommen, da die ersten Tropfen schon prasseln.
Niederfallen. In den Dreck unter ihn.
Vermengen sich mit den Worten und der Schicht von Verblassen zu
einer neuen Form, einer neuen Gestalt.
Wind keimt aus dem Nichts, stürmt empor, und um ihn herum; um ihn
herum bricht eine neue Welt, ungesehen, ungefragt.
Ein Portal, durch seine Nichtigkeit angezogen, durch seine Leere
aufgerissen, so wie aus einem seiner Handgelenke langsam das Blut
entströmt.
Die letzte Zutat für das erste Mahl.
Dämonen kreischen und ihre Krallen wetzen, ein Geheul bricht auf und
aus, willenlos, seelenlos treibt es in ihm und um ihn umher.
Höllenschlund, aus den Tiefen seiner Hülle geboren, vergessen all die
Güte, all die Hoffnung. Nur noch der Schmerz, den er sich einverleibte.
Weiss, was ihn am Leben hält: Hass und Vergeltung.
Auch wenn er es nicht weiss, noch wahrhaben wollte, wenn er sich
sträuben würde, wenn er wider allen Gedanken handelte, es war
unlängst zu spät. Er, die Wiederkehr einer Finsternis, die sich in seinem
Innersten ablegte, wie ehemals das zerfallene Gemäuer auf den Böden
um ihn herum.
Es dreht sich, alles. Die Welt, die Zeit, die Zukunft und Vergangenheit.
Weshalb nur noch eins für ihn zu tun bleibt.
Aufzustehen.

Ina

Großartig!

Finde ich wieder mal sehr gelungen.
Deine Worte erzeugen eine wirklich interessante Stimmung – kann ich leider gar nicht näher beschreiben...
Vor allem aber der Schluss macht Deinen Text in meinen Augen zu etwas ganz Besonderem!
Love is God's favorite daughter. (David Crosby)