Vermeidbare Ursachen eines Rückfalls

Begonnen von Sintram, 05 Juni 2010, 08:37:13

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Sintram

#15
Aber um wieder zum Thema "Vermeidbare Ursachen eines Rückfalls" zurückzukehren:

Alles, und ich sage alles was mitunter an oberflächlichen und ganz offensichtlich desinformierten Bemerkungen zu diesem Thema von Nicht- oder anderweitig Betroffenen sprich psychotisch Erkrankten beigesteuert wird, zähle ich uneingeschränkt genau zu diesen vermeidbaren Ursachen.
Hier sollte eine strikte Trennung zwischen depressiver und psychotischer Persönlichkeitsstörung vollzogen werden.

Es ist müsig und vertane Zeit darauf einzugehen, wenn Blinde von der Farbe sprechen. Jeder Depressive sollte sich so gut es geht vor Personen mit defizitärem Aufmerksamkeitssyndrom und übersteigerter Geltungssucht schützen. Und schützen dürfen.

Manisch psychotische Personen gefährden den Heilungsprozess von depressiv Erkrankten und sind überwiegend kontraproduktiv, da sie sich im Glauben befinden, die einzig richtigen und strikt zu befolgenden Rat"schläge" zu erteilen. Sie prügeln in der Regel verbal auf Depressive ein und geben dabei vor, nur das Beste für sie zu wollen- was in ihrer verschobenen Wahrnehmung möglicherweise sogar stimmt- und dennoch katastrophale Folgen hat.

Ihr Hauptanliegen besteht durchaus darin zu verletzen und zu kränken, ohnehin in Defensivstarre verharrenden PatientInnen ihre Krankheit als Selbstverschuldung vorzuwerfen und sie noch mehr zu entmutigen, um ihre eigene Überlegenheit damit unter Beweis zu stellen. Und sich in der Folge zu "Heilsbringern" und Experten in Sachen Depression aufzuschwingen.
Zu diesem Zweck täuschen sie großes Fachwissen vor und sind nicht selten relativ redegewandt. Auf Kritik -für gewöhnlich Notwehr seitens Depressiver- reagieren sie aggressiv oder mit krankhafter Überheblichkeit.
In ihrer wahnhaften Vorstellung besitzen sie eine Art Unfehlbarkeit.

Tatsächlich jedoch sind sie ein verkörperter Minderwertigkeitskomplex und hochgradig gestörte Persönlichkeiten-sprich anderweitig krank -und bedürfen einer gesonderten Therapie und Behandlung.

Ihr manisch autoritäres Verhalten, wirklich Depressiven einen Weg zur Genesung "befehlen" und vorschreiben zu können, macht sie in Kliniken und Tagkliniken zum Beispiel gruppenuntauglich und hat den Ausschluss zur Folge. Eine korrekte und notwendige Maßnahme zum Schutz Depressiver vor ihren Attacken.

Es ist immer wieder verwunderlich und befremdlich, dass derlei "sendungsbewusste" Menschen mit Platitüden und Argumentationen auf Stammtischniveau überhaupt für sich in Anspruch zu nehmen wagen, zu der Materie auch nur irgendeinen brauchbaren und geistreichen Beitrag beizusteuern. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Für gewöhnlich tönen sie am lautesten.
Und übertonen wirklich von Depression Betroffene, schüchtern diese ein und lassen sie verstummen. Ihre Unzurechnungsfähigkeit stellt für akut Depressive eine reale und nicht zu unterschätzende Bedrohung dar.

Leider ist dieses Phänomen auch in Depressions-Foren immer wieder zu beobachten.

Alles was ich anderen und tatsächlich depressiven -meist schüchtern verängstigten- Schreibern dazu raten kann ist, diese "Störenfriede" einfach zu ignorieren und nicht auf sie zu reagieren. Nicht auf ihre Provakationen und ihre in der Regel peinliche Besserwisserei einzugehen und niemals auf ihr wichtigtuerisches Gehabe und Auftreten hereinzufallen.
Kurzum: Sich weder von ihnen beeindrucken noch blenden noch einschüchtern zu lassen.

Ihr aufgesetzt höfliches Verhalten und ihre diesbezüglichen Floskeln sind bei genauer Betrachtung Ausdruck krankhaft hybrider Überheblichkeit, mittels derer sie sich "herablassen", einen Uneinsichtigen "großzügig" seiner Unbelehrbarkeit zu überlassen.
Nicht selten erschleichen sie sich das Vertrauen gutgläubiger MitpatientInnen und fallen diesen grausam in den Rücken, indem sie die von ihnen erhaltenen Schilderungen als Beweis ihrer Kompetenz und ihres Fachwissens zu ihren Gunsten vor den ahnungslosen Zuhörern verwerten.
Ihr erklärtes Ziel ist immer und ausschließlich die Führungsrolle. Um diese zu erreichen, brauchen sie Anhänger, Bewunderer und Fürsprecher.

Bei Nichtbeachtung dauert es für gewöhnlich nicht allzu lange, bis sie sich in ihren eigenen Widersprüchen verheddern und sich selbst als "Kuckucksei "überführen" und outen. Denn Übergangenwerden und Verweigerung der erwünschten Aufmerksamkeit versetzt sie rasch in den Zustand beleidigter Raserei.

Übrigens eine typische Ausprägung ihres tragischen aber leider nicht ungefährlichen Krankheitbildes...

Ein kleiner Tipp am Rande von
Sintram

kaktus

Hallo Ihr beiden Diskussionsfreudigen,

schön, dass Ihr euren angeblich nicht existenten Dissenz so schön beilegen konntet :)

Auf der Suche nach Antworten, die im Vergleich zu Ratgebern eine individuelle Note haben, habe ich mich oben durchgelesen. das was ich aus eurem Diskurs für mich mitnehme sind zwei Aussagen, die in meinen Augen beide Sinn machen.

So legst du, Sintram, offensichtlich Wert auf angemessene Information und Auseinandersetzung mit dem Thema und du, Para, zeigst für mich auf, dass zu starke Beschäftigung mit dem Thema der Krankheit weitere Nahrung geben kann (Stichwort Grübelzwang?!?).

Für mich, die ich noch nicht wirklich lange mit Depressionen und (soweit ich es selbst einschätzen kann:) auch nur von außen damit konfrontiert bin, ist es derzeit wichtig mich zu informieren. Da ich im Alltag kein Künstler der Unterhaltung zum Thema - wie ist denn deine/meine gefühlslage - bin, nutze ich eben diesen Weg, er ist nich optimal, aber ein Anfang.

Der letzte Beitrag von Dir, Sintram; enthält einen Punkt den ich auch in Zusammenhang mit Depressionen und Rückfällen sehe - Minderwertigkeitskomplex. Es geht um den Selbstwert, den sich Betroffene zusprechen oder eben nicht. Das ist ein weiterer Punkt, der es mir schwer macht mich 'richtig' zu verhalten.

Wie oben schon erwähnt, sollen wir Raum für Rückzug geben, aber ich habe gemerkt oder vermute es stark, dass es auf die Dosis ankommt, denn zu viel Entgegenkommen wirkt wie zur Schau gestelltes Desinteresse. Das ist natürlich, so denke ich, wieder Nahrung für die Meinung 'Ich bin nichts wert, niemand interessiert sich für mich'. Es ist doch wirklich wie verhext :)

Na ja, das was ich hier alles erfrage ist interessant und auch gut es zu wissen, aber letztendlich können wir nun mal alle nicht aus unserer Haut und bleiben wir selbst mit fehlerhaftem Verhalten usw.

Trotzdem interessiert mich, was ihr zum Thema Rückfall und Selbstwert denkt. Auch Paras Meinung und natürlich die aller anderen Forumsteilnehmer sind mir herzlich willkommen. Gerade diese unterschiedlichen Meinungen (s.o.) finde ich gut, weil sie das Thema von verschieden Perspektiven beleuchten.

Bitte um Horizonterweiterung :)

LG



Sintram

Hallo Kaktus,

das von Dir als "wie verhext" bezeichnete Dilemma der richtigen Dosis an Aufmerksamkeit gegenüber Depressiven ist zum Beispiel der Grund, weshalb ich "Ermutigung" und "Zuspruch" bei meinen laienhaften Verhaltensvorschlägen außen vor gelassen habe. Sie können sehr schnell den gegenteiligen Effekt erzielen und im Empfinden des Depressiven zur Demütigung werden.

Sehr viel besser ist eine aufmerksam abwartende Haltung, die es Depressiven ermöglicht, von sich aus über ihr Problem zu sprechen.

Was die Handhabung mit künstlerischen Ausdrucksformen -wie sie bei Depressiven oft zu finden ist- anbelangt, ist die Antwort relativ simpel. Die gleichen Reaktionen wie gegenüber Gesunden, durchaus Kritik, oder Ausdruck von Gefallen, Anregungen und Ideen, in der selben Weise wie nichtdepressiven Mitmenschen gegenüber auch.

Denn der Depressive -und ich weiß wovon ich spreche- entwickelt im Lauf der Zeit ein sehr feines Gespür dafür, was da nun ehrlich gemeint oder übertrieben aufmerksam ist. Und eines seiner Hauptanliegen ist es ja, mitsamt und trotz seiner Depression als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft erfahren und behandelt zu werden.

Es ist schwierig, für beide Seiten, ganz ohne Zweifel. Aber es spricht nichts dafür, dass es unmöglich ist.

LG
Sintram

kaktus

Deinen letzten Satz werd ich mir im Posterformat ausdrucken :)

dejavu

hi Sintram

vielen Dank für diesen Thread,
besonders dein heutiger Beitrag von 18.33U hat mir aus dem Herzen gesprochen, man könnte es nicht besser ausrücken...
du hattest vorher auch mal angesprochen, wie es ist ständig mit Selbstmordgedanken durch andre konfrontiert zu werden...ich hab es als Tochter erlebt und ich hab über 30 Jahre gebraucht, um endlich zu sagen, dann mach....stimmt nicht so ganz, ich bin eigentlich nur nicht mehr sofort aufgesprungen und losgefahren, um zu "retten".....und hab den Arzt dorthin bestellt
heute war kein kleiner Tip am Rande....es war war fast wie für mich gemacht :-)

lg Deja

hallo kaktus
ich weiß nicht, ob deine Bitte um Beteiligung zwecks Horizonterweiterung noch erwünscht ist
wenn ja, kann ich gern noch ein wenig dazu schreiben

lg Deja

kaktus

Hallo Deja,

gut, dass ich vor dem zu Bett gehen nochmal reingeschaut habe. Deine Meinung und Erfahrungen zum Thema sind mir herzlich willkommen.

LG


dejavu

ja Kaktus..gern doch

Vermeidbare Ursachen eines Rückfalls aus meiner Sicht

Sintram hat es alles schon sehr gut beschrieben. Ich bin seit 3Jahren schwer depressiv und bei mir wurde ein BL diagnostiziert. Durch eine regelmäßige Medikamenteneinnahme hat sich mein Zustand soweit gebessert, das ich in der Lage bin, meinen Sohn bei mir zu haben. In der akuten Phase, in der ich noch voll gearbeitet hab, war ich teilweise nicht mehr fähig dazu. Ich bin praktisch nach hause gekommen, hab ihn abgeholt, mich ins Bett gelegt und vom Sterben geträumt. Am WE war ich froh, wenn er bei meinen Eltern war, obwohl diese meiner Situation nicht zuträglich waren, aber im Leben muß man Kompromisse schließen. Es war ein fauler Kompromiß, aber es ging nicht anders.
Nun heute, 3Jahre weiter, bin ich medikamentös eingestellt, hab Therapien und Reha hinter mir. Ich hab gemerkt, es geht nicht ohne Medis, das war z.B für mich eine wesentliche Rückfallprophylaxe. Ich hab geschummelt, ich hab gelogen. Iwann mußte ich mich fragen, woran liegt es, das es so gar nicht aufwärts geht, und ich konnte mir die Antwort selbst geben. Es lag aber nicht dran, das ich nicht wollte. Ich hab eine solche Angst vor Tabletten gehabt, das ich es einfach nicht konnte. Ich bin so erzogen worden, das man alles im Leben allein zu bewältigen hat, und das galt auch für die Einnahme von Medis. Als ich die Angst überwunden hatte, konnte ich meinen Zustand insoweit stabilisieren, das ich heute sagen kann, es ist sehr schwer aber ich schaff es allein.
Vermeidbar stand kürzlich für mich im Raum, da ich bemerkte, das ich genau dann wieder mich selbst verletzt hatte, als ich bei meinen Eltern war. Ich hatte 3 Jahre einen unaufhörlichen Haß auf sie und wenn ich auch nur ihren Namen hörte, bin ich Amok gelaufen. Dieses Mal war es so, das am nächsten Tag der Haß zurück kehrte. Da sie anscheinend unsren Kontakt wieder aufnehmen möchten, bin ich in der Zwickmühle. Sie sind tolle Großeltern aber ebenso beschissene Eltern.
Ich hab es mir zur Gewohnheit gemacht, das ich gehe, wenn ich es nicht mehr ertrage. Das hätt ich früher nie geschafft. ich hätt mich von den verächtlichen Blicken meines Vaters oder den Quengeleien meines Sohnes beeinflußen lassen. Das passiert heute nicht mehr.
Das gilt auch für andre Einladungen. Wenn ich sie wahrnehme, was seltem passiert, hör ich auf mein Inneres und meinen Körper, der mir signalisiert, wann  es zuviel ist und wann die Zeit gekommen ist, zu gehen.
Ich kann heute besser mit dem umgehen, was man als eigenes Befinden betrachtet. Ich vermeide viele Dinge nicht, weil es als alleinerziehende Mama oft nicht geht, aber ich versuche, meine persönlichen Grenzen zu setzen und einzuhalten. Zu setzen war mir wichtig zu sagen, weil ich bis vor 3 Jahren keine hatte.
Ich bleibe nicht aus Rücksicht länger, ich versuche, den Druck einer perfekten Wohnung von mir zu nehmen, was schwer ist, wenn man es so eingebleut bekommen hat. Ich hab meine Ansprüche einfach runtergeschraubt und überlege dann eben, was Priorität hat. Früher war es alles. Wohnung, einkaufen, mein Sohn...alles mußte immemr perfekt sein. Heute laß ich auch was liegen,z.b. wenn er lern-intensive Phasen hat, ist das eben vorrangig.
Ich versuche zu akzeptieren, das ich Fehler machen darf, weil ich ein Mensch bin. Ich hab früher nie um Hilfe gebeten. Das wurde ein Hauptziel für mich. Hilfe beanspruchen und annehmen dürfen.  Wenn ich bemerke, ich komm nicht raus, versuch ich es aufzuschreiben. Ich muß ein Protokoll über meine SSV führen und es hat zu dem Ziel geführt, das ich mir ganz genau überlege, ob und was ich an mir vornehme. Die darauffolgende Therastunde ist nämlich dann ganz der SSV vorbehalten und das nervt gewaltig. Ich muß eine Verhaltensanalyse machen, mündlich und nochmal schriftlich, bis ins kleinste Detail. Und diese Stunden sind weg, man kommt zu nichst andrem mehr. Ich kann nicht sagen, inwieweit es mich noch tangiert, wenn es mir hundeelnd geht aber es nützt insofern etwas, als das ich mir schon ganz gut überlege, was ich jetzt mache. Du könntest jetzt sagen, ich muß es dem Thera nicht sagen, aber Ehrlichkeit von beiden Seiten ist Therapiebasis.
Ich räume jetzt auch jeden Morgen mein Bett zusammen und sauge durch. Ich raffe mich dazu auf- was sicher für andre lächerlich klingt- aber ich weiß, es ist dann so, das ich ein ruhiges Gewissen haben und mich wohl fühlen kann. Das war nicht immer so und ich will es ausbauen.
So, da ich jetzt sehr müde bin, mach ich erstmal Schluß für heute.

lg DEja

Sintram

#22
Guten Morgen Deja,

schön, dass Du gestern dazu gekommen bist.

Auch ich hatte ein sehr belastetes und belastendes Verhältnis zu meinen mittlerweile verstorbenen Eltern.
Zum Glück gelang es mir, mich noch vor ihrem Tod mit ihnen auszusöhnen. Bis dahin freilich hatte ich ein hartes Stück Arbeit hinter mir.
Die Abgrenzung und Emanzipation gegenüber der autoritär besitzergreifenden Mutter und einem gleichgültig gewalttätigen Vater war eigentlich schon in jungen Jahren vollzogen, jedoch waren es ebenso ihre Enkelkinder, die mir einen engeren Kontakt abnötigten, als mir gut tat. Denn Unmensch wollte ich schließlich keiner sein und ihnen diese späte Freude nicht vorenthalten.

Erst später ging ich radikal dazu über, die Besuchstermine und ihre Länge selbst zu bestimmen und auf meine innere Stimme zu hören, die mir quasi diktierte, wie viel an Konfrontation mit der traumatischen Kindheit ich mir zumuten kann, ohne in dumpfe Erschöpfung und Resignation zu fallen.
Ein innerer Prozess der Entmutigung, den ich trotz größter Willensanstrengung nie ganz in den Griff bekam und vor dem ich mich schlicht schützen musste.

Natürlich führte das zu Unstimmigkeiten und Enttäuschung ihrerseits, aber im nachhinein muss ich sagen, dass meine Handlungsweise unbedingt notwendig und richtig war.
Zuletzt waren die Beiden dankbar für jeden Besuch und vor allem die Mutter wagte es nicht mehr, meine etwas unkonventionelle Lebensweise auch nur ansatzweise zu bekriteln. Ich hatte meine im Grunde unglückselig verzweifelten Eltern sozusagen domptiert und besiegt, ihr innerer und äußerer Einfluss auf mich und mein Fühlen war zuletzt so gut wie vollständig verschwunden.

Dieser Weg ist mühsam und steinig, er fordert harte Entscheidungen und ein gerüttelt Maß an Unerbittlichkeit, aber alles andere ist fatal und selbstzerstörerisch. Mach konsequent weiter in diese Richtung.

Die regelmäßige Ausführung einfacher Reinigungsarbeiten als Struktur und kleines Erfolgserlebnis ist ebenso eine große Hilfe für mich.
Nachdem ich meinen zeitweilig fast manischen Putzfimmel überwinden und ablegen hatte können, schlich sich mir nichts dir nichts ein gewisser Schlendrian und Hang zur Schlamperei und zum Aufschub notwendiger Tätigkeiten ein, der mich langfristig frustrierte und lähmte.
Heute begegne ich ihm mit Selbstüberwindung und stoischer Entschlossenheit, und der therapeutische Effekt dabei ist nicht zu unterschätzen.

Wie ich sehe, arbeitest Du hart an Dir. Das finde ich toll. Mach weiter so!

LG
Sintram

Sintram

Zu den schmerzlichsten Erfahrungen der rezidivierenden Depression gehört mit Sicherheit der Rückfall. Seine Auswirkungen sind insofern lebensbedrohlich, da sie bei den Betroffenen ein Gefühl tiefer Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung auslösen, was ihren erstrebten Genesungsprozess betrifft.

Da die Erkrankten für gewöhnlich Hilfen wie Gesprächs- und Gruppentherapie nebst mitunter belastender medikamentöser Unterstützung sowie soziale Betreuung durch karitative Einrichtungen in Anspruch genommen und mit bisweilen ungeheurem Kraftaufwand Verhaltensmuster vermieden oder verändert haben, die einen Schub hervorrufen könnten, erscheint ihnen ein Rückfall umso auswegloser und heimtückischer.

Hinzu kommt der Umstand, dass sie - aus dem komatösen Zustand ihres Zusammenbruchs erwacht- den Schutzraum der Apathie verlassen mussten und ihre Depression ihnen in den meisten Fällen qualvoller und heftiger erscheint als beim erstmaligen Auftreten, obwohl in der Regel das Gegenteil der Fall ist.

Ein sofortiger erneuter Klinikaufenthalt ist der einzige Ausweg, was den Betroffenen nach mitunter monatelanger Dauer des vorhergehenden umso niederschmetternder ankommt.

Im Laufe der Jahre des Auf und Nieder der wiederkehrenden Depression entwickelt der oder die Kranke ein feines und wachsames Empfinden gegenüber ersten Symptomen eines sich anbahnenden Schubes, was ein rechtzeitiges „Abtauchen“ in die Klinik ermöglicht. Hierbei scheut er oder sie sich nicht, jedwede Unterstützung zu einer baldmöglichsten Einweisung in Anspruch zu nehmen.

Sehr leidvoll ist die Umstellung auf ein anderes in der Regel stärkeres Medikament, da dieses für gewöhnlich erst nach etwa drei bis vier Wochen anspricht. Die Übergangsphase im Zustand der „nackten“ Depression ist nur mit Hilfe starker Beruhigungsmittel zu bewältigen, etwa der Wunderdroge Tavor. Da diese wohldosiert und nur über möglichst kurze Zeiträume verabreicht werden soll, da sie enorm schnell süchtig macht, bleiben den Kranken die Qualen des Schubes phasenweise leider nicht erspart.

Besonders zu empfehlen ist im Falle einer chronischen Erkrankung der Aufenthalt in einer sogenannten Tagklinik, da diese Einrichtung das Leben „draußen“ mit den Erfahrungen unter der „Käseglocke“ der Klinik auf konkrete Weise verknüpft und so den Übergang in ein geregeltes Leben erheblich erleichtert.

dejavu

In den letzten Wochen bemerkte ich ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit. Es schwankte, mal intensivierte es sich, mal schwächte es ab.
Ich konnte es nicht einordnen. Solang, bis mir bewußt wurde, ich wollte es nicht einordnen. Der Schmerz darüber, was sich als Ergebnis abzeichnen würde war viel zu groß, als daß ich ihn aushalten wollte. Ich wollte nicht, nein, ich verfiel in alte Verhaltensmuster. Ich nahm Dinge als gegeben hin. Ich machte mich viel kleiner als ich bin. Ich versuchte auf Umwegen meine Sicht der Dinge darzulegen, verbal zu kontern. Kurzum, ich war mal wieder passiv- aggessiv. Meine histrionische Persönlichkeit spielte mich gegen mich aus. Ich erlebte Leere und Verlassenheitsschmerz in einem Umfang, der mir schwer zu schaffen machte. Ich versuchte nach außen ein verständnisvolles Selbst zu geben, obwohl ich im Inneren tobte. Aus Feedbacks weiß ich, das es mir nicht immer gelang. Trotzdem blieb ich bei meiner Haltung, denn ich dachte, um meinen ewigen Schuldkomplex überwinden zu können, muß ich das ertragen. Ich wollte einmal im Leben stark sein und allen Stürmen standhalten.

Immer, wenn etwas akut wurde, fragte ich mich nach dem Warum? Ich konnte immer weniger erkennen, was Sinn macht und was nicht, ich konnte nicht reflektieren, was gewisse Situationen hervorgerufen hat. Ich fühlte mich in die Rolle einer Marionette versetzt, die man so tanzen läßt, wie man es gerade für sich selbst benötigt. Mir flogen nasse kalte Waschlappen tagtäglich um die Ohren und ich war nicht in der Lage, es zu stoppen. Selbst als dem Gegenüber bewußt wurde, was er angerichtet hatte, war er noch stolz darauf.
Es blieben derartig verletzende Dinge im Raum, die man hätte beseitigen können, so wie ich es getan habe. Mit dem Unterschied, ich habe keine verletzenden Dinge hinterlassen sondern mein Gegenüber war anscheinend nur genervt von mir und hat mir das deutlich klar gemacht.
Sogar in diesen Momenten war ich versöhnlich gestimmt, hinterfragte mein Verhalten und kam immer wieder zu derselben Ansicht, nämlich der, das ich mal wieder alles verbockt hatte.

Auf einmal wendete sich das Blatt. Menschen spürten meine innere Not. Menschen, die ich nicht näher kenne, sensible Menschen. Menschen, die mir ihre Hand reichten und mich ein wenig anstubsten. In welcher Form auch immer, ich erfuhr, wie es ist, aufgefangen zu werden, wie es ist, zu hören, bitte, schau in eine andre Richtung. Im 1. Moment wollte ich es nicht wahr haben, wie es meistens ja ist, wenn man unbewußt etwas weiß und jemand anders es ausspricht. Doch der Konflikt wurde immer heftiger und meine Traurigkeit, mein Schmerz wandelte sich in Ärger um. Ich fragte mich natürlich, ob das sein dürfe, ich und ärgerlich bzw wütend. Die Antwort war nein. Meine Antwort.
Mittlerweile war ich so gereizt und provoziert durch eine gewisse manische Arroganz, die man fachlich vllt sogar als Narzißmus deklariert, das ich dissoziierte. Ich konnte nichts mehr lesen, nichts mehr schreiben, nicht mehr chatten, ohne mich abzuspalten. In diesem Stadium wurde ich hellhörig. Ich spürte mich nicht mehr, ich schwelgte in Hoheitsphantasien, die nichts mehr mit dem Leben zu tun hatten.
Trotzdem, ich ließ alles außer Acht. Meine histrionische Persönlichkeit wollte gehalten, gestreichelt und beschützt werden. Mein Körper war ganz weit weg von mir. Taub. Ich stellte allerhand an, um ihn wieder zu spüren. Es funktionierte nicht. Er ging immer weiter weg, meine Phantasien bekamen immer mehr Spielraum und drohten mich zu überfluten, so daß ich Lust bekam, es in die Tat umzusetzen. Ich bin seit Jahren depressiv und ich kann damit leben. Ich kann jedoch nicht damit leben, tagtäglich vorgespielt zu bekommen, wie ruhig es sein könnte. Wie sorgenfrei. Wie gnadenlos.
Meine Dissoziationen rannten mit mir um die Wette. Wer gewann, ist unschwer auszumachen.

Es kam zum Knock-out.

In einer Phase tiefer Selbstzweifel schlug mir eine Demütigung von außen so schwer ins Gesicht, das ich komplett den Halt verlor. Ich spürte den Schlag, taumelte gegen die Bande und brach zusammen. So, daß ich nicht wieder aufstehen konnte. Ich fühlte mich, als hätte man mir das Genick gebrochen. Mir fiel jedoch ein, das dies schon andre besorgt hatten und das jener Schlag zwar mit voller Wucht ausgeführt, mich zu Boden geworfen, aber nicht mehr aus dem Ring geschlagen hatte.
Alles, was jetzt kommt, ist der Versuch, einen Rückfall zu vermeiden. Kein Versinken in ewiger Schuld, kein rechtfertigen, erklären oder falsche Rücksichtnahme, akzeptieren, das auch histrionische Persönlichkeiten eine Grenze haben, die niemand aber auch gar niemand unterschreiten darf, stolz sein auf Erreichtes und den Rückschlag nicht Oberhand gewinnen lassen. Tränen zulassen, den Schmerz nicht verdrängen aber sich selbst nicht mit ewigem Verständnis für alles und jeden untergraben.

Ich sein.






Das ist meine subjektive Betrachtung.  

Sintram

#25
Hallo Justme,

mag sein, dass der von Dir zitierte Eintrag zu pauschal daherkommt. Angst machen wollte ich niemandem damit. Aber ich kann Deine Bedenken nachvollziehen. Das hab ich wohl zu wenig bedacht.

Eigentlich sind es nur Erfahrungen, die ich in Gesprächsgruppen während meiner stationären Aufenthalte machte. Da kam es bisweilen zu nur schwer erträglichen "Auftritten" manischer oder psychotischer Gruppenmitglieder.
Eingefallen ist mir das im Zusammenhang des "seltsamen" Austausches zuvor. Einiges kam mir da einfach bekannt vor.
Vielleicht ist mein Beitrag deshalb von den Formulierungen etwas heftig ausgefallen.

Ich selbst hatte eigentlich nie Probleme mit derlei "Attacken", weil sie bei einem Ohr rein und zum andern rausgingen, aber weniger gleichmütige und verletzlichere Personen hatten derart große Probleme damit, dass diese Gruppenteilnehmer woanders untergebracht werden mussten. Sie neigten auch durchaus zur Intrige und Spaltung, weshalb entzieht sich meinem Urteil. Sind nur wiedergegebene Erfahrungen.
Die Initiative zum Ausschluss ging ganz nebenbei von den TherapeutInnen aus, ohne irgendein Betreiben seitens der geschockten und eingeschüchterten Depressiven. Ich hielt mich bei so was sowieso grundsätzlich raus.

Das ist einfach ein Problem in den Kliniken, das immer wieder mal auftaucht. Da prallen unvereinbare Krankheitsbilder aufeinander, und die Depressiven ziehen dabei den Kürzeren.

Und dass Depressionen töten können- wem sagst Du das?

Mich hat noch nie ein Arzt oder Therapeut in Richtung Unheilbarkeit "unterstützt". Gibt´s das auch?
Im Gegenteil, ich kann guten Gewissens sagen, dass ich mit ihrer Hilfe und Unterstützung immer alles Erdenkliche versucht habe, die Depression zu besiegen und zu überwinden. Jedenfalls vom Zeitpunkt meiner "Krankheitseinsicht" an.
Bisher hat das meine Depression überhaupt nicht interessiert, ja eigentlich nicht einmal berührt. Geschweige denn beeinträchtigt. Sie ist unverändert da, ohne Zeichen eines Abklingens. Ich hab allerdings gelernt, besser mit ihr zu leben und zur rechten Zeit die richtigen Schritte zu tun, um einen Schub zu vermeiden. Latent jedoch und medikamentös gedämpft tobt die Depression unverändert durch meine Psyche.

Das ist alles, was ich dazu sagen kann. Und den Ärzten fällt auch nicht mehr dazu ein. Sie sind am Ende ihrer Weisheit und Heilkunst. "Austherapiert" bin ich schon seit Jahren. Hab alles so oft durchgekaut und neue Verhaltensmuster ohne spürbare Besserung eingeübt, meine Lebenssituation verändert und und und, dass einfach nichts mehr Effektives dabei raussprang.

Das ist meine Wirklichkeit. Ich hab keine andere. Wenn ich morgen wundersam geheilt bin, ich hätt nichts dagegen. Das darfst Du mir glauben. Aber sich ernsthaft mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, dass das möglicherweise nie geschehen wird, ist schlicht das Gebot der Stunde.

Ich kann es mir nicht mehr leisten, mir irgend etwas vorzumachen. Das könnte ohne Weiteres tödlich enden.
So schaut das aus.

LG
Sintram




Sintram

#26
Ich kanns ja auch im Klartext sagen.

Manische können entsetzlich nerven. Ich weiß ja, dass sie nicht ganz zurechnungsfähig sind in dieser Phase, also nicht selten total "durchgeknallt", aber ihre Allwissenheit und grenzenlose Kompetenz können enorm enervieren. Sie sind einfach die Größten, haben den vollen Durchblick und trampeln auf den Gefühlen anderer Leute rum, ohne es auch nur zu merken.

Und das ist mitunter nicht ganz "unproblematisch". Weil von ihrem Größenwahn Betroffene ab und zu überhaupt nicht belastbar sind und einfach nur in´s tiefe Loch fallen, wenn sie da einer unvermutet angeht.

Ich weiß, dass sie selbst es sind, die letztendlich am bittersten dafür bezahlen, wenn sie nach der Katastrophe einer manischen in eine depressive Phase stürzen. Und sie haben mein Mitgefühl und Bedauern.

Nur gibt es auch hier gewisse Grenzen. Manches geht einfach zu weit. Und da muss und darf man sich seiner Haut erwehren. Schließlich kann ich nichts für Niemandens Manie, drum muss ich auch nicht den Prügelknaben hergeben. Also sag ich: Stopp!

Die meisten von ihnen kapieren es dann übrigens: Hoppla, scheint ich bin grade manisch. Also zumindest nach meiner Erfahrung im Umgang mit Ihresgleichen. Also kann dabei gar nichts kaputtgehen.

Und ich weiß, dass ich ein bitterböser Mensch sein kann. Dinge sage oder schreibe, die ich später in ihrer tendenziell destruktiven Eindeutigkeit revidieren muss.
Weil ich meine Ruhe haben wollte und ein halbwegs vernünftiges Gespräch führen aber irgendwie nicht recht dazu kam. Weil da dauernd wer am dazwischennörgeln war. Und da reagiere ich bisweilen allergisch. Ich geb mir Mühe, hab ja auch gegen Niemanden was, aber ich bin auch nur ein Mensch.
Was soll ich machen?

 

Sintram

Danke Wohlstandspudel,

Antworten erwarte ich schon lange keine mehr. Was es zu beantworten und ergründen gab ist erledigt, der Rest bleibt Rätsel. Im Großen und Ganzen komm ich so weit ganz gut klar damit.

Nur manchmal neige ich zu Überreaktionen. Daran muss ich noch arbeiten. Ich mache Fortschritte, das war schon viel extremer. Aber an manchen Tagen fehlt mir einfach der nötige Abstand. Da beziehe ich viel zu viel auf mich, was mich gar nicht betrifft, so eine Art grundsätzliche Defensivhaltung, die mich zur Gegenoffensive verleitet, wo ich viel besser einfach Ruhe bewahren sollte.

Aber wie gesagt: ich arbeite daran.

LG
Sintram

Sintram

Ist schon klar. Geht mir ja selbst oft so, dass ich was lese und mir nichts Brauchbares dazu einfällt.
Oder dass es einfach nichts mehr hinzuzufügen gibt.

Sintram

#29
Ich hab meine hier bisher folgenden Einträge in mein Tagebuch verfrachtet, weil sie dort besser aufgehoben sind.

Zum Thema Rückfall will ich nur sagen, dass er nicht selten geradezu vorprogrammiert ist.
Er sollte nicht als Entmutigung erfahren werden, sondern vielmehr als Anstoß und erneute Gelegenheit, den Problemen, die sich immer deutlicher als Auslöser einer Depression herausstellen, umso entschiedener zu begegnen und an ihrer Veränderung oder Lösung zu arbeiten.