Welche Überlebensstrategie verwendet Ihr ?

Begonnen von tomahawk, 25 Januar 2015, 18:51:05

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tomahawk

Guten Tag, Ich bin frisch angemeldet und - um ehrlich zu sein - der Begriff 'Selbstmord' gefällt mir nicht. Weil er nicht das Wesen der Sache trifft. Ein chronisch Depressions-Kranker begeht keinen Mord bzw. Selbstmord. Nein. Wenn jemand, der an der Depressionskrankheit leidet, keine Hilfe bekommt oder bekommen kann, dann kann das bis zur Selbst-Tötung bzw. zum Suizid führen. Ich will hier wirklich keine 'Weisheiten' loswerden, aber Ihr könnt mittlerweile fast jeden FA für Psychiatrie oder auch Psychotherapeuten fragen : Das Wort 'Selbstmord' ist einfach nur falsch.

Was ich aber schon immer mal fragen wollte ist, welche Überlebensstrategie verwendet Ihr eigentlich ?
Sicherlich verwendet jeder, der die Depression überleben möchte eine andere und ich bin auch gern bereit demnächst meine eigene Überlebensstrategie zu erzählen - aber heute wollte ich die Frage mal zur Diskussion stellen und freue mich über jeden, dem was dazu einfällt.   

Adrenalinpur

Frag Pudel mir gefällts auch nicht
meine Überlebensstrategie ist jeden Moment geniessen - das was dazwischen ist - miteinander reden

Fluesterwesen

Hallo und herzlich Willkommen Tomahawk,

mir gefällt dein Lösungsorientierter Ansatz. Deswegen mag ich dir mal ein bisschen schreiben:
Ich würde meine Lebensweise nicht als Strategie bezeichnen, aber es hat mir geholfen dass ich mich seit Jahren nicht mehr als Depressiv bezeichne.
Dazu musst du wissen, dass ich ein sehr "eingeigeltes" und auch isoliertes Leben geführt habe, allerdings keine Sozialphobie habe. Ich fand die Menschen um mich herum nur einfach scheiße ;)

Ich bin komplett aus meinem sozialen Umfeld raus und hab in einer anderen Stadt neu angefangen. Dort habe ich mir gleich Hobbies gesucht bei denen ich viel in Bewegung & viel draußen unterwegs bin (klettern/bouldern, geocaching, schwimmen, joggen etc.) alles im Rahmen auch bezahlbar als damals arbeitslose, bzw. Dann auszubildende & Studentin. Durch die Ausbildung & das Studium war ich dann schon auch ein stückweit so fokussiert aufs lernen, dass ich irgendwann alles "OK so" fand. Über das Internet habe ich dann Leute kennengelernt mit denen ich mich am Wochenende mal zum grillen oder cocktailabend traf, da musste ich zwar erstmal rein finden in dieses small talk blah blah, aber mit der Zeit ging das immer besser. Und so habe ich mir über die Jahre ein gutes soziales Netz, inzwischen einen guten Arbeitsplatz, ausgewogene hobbies erarbeitet. Super Bonus war natürlich das ich per Zufall meinen jetzigen Freund vor Jahren dann kennenlernte bei einem dieser Cocktailabende, allerdings ohne auf eine Beziehung oder ähnliches aus zu sein. Das kam dann einfach von sich aus.

Ich denke das fasst es ganz gut zusammen. Klingt zwar einfach alles, aber dass war sehr harte Arbeit. Von 2009 bis quasi heute, immer noch jeden Tag aufs neue den inneren Schweinehund überwinden. Aber dafür geht es mir dann auch gut, ohne jegliche Medikamente.

Ina

#3
Zitat von: Anonyma in 06 März 2015, 07:25:12
Ich denke das fasst es ganz gut zusammen. Klingt zwar einfach alles, aber dass war sehr harte Arbeit.

Oh nein, das klingt wirklich alles andere als einfach! Du hast Dir über die Jahre ein "neues Leben" aufgebaut und gelernt, Dich um Dich selbst zu kümmern, Dich gut zu behandeln, hast so vieles verändert und bist DEINEN Weg gegangen! Und dieser Weg beeindruckt mich – der Mut, den Du aufgebracht hast, die Stärke, die Du entwickelt hast, das Durchhaltevermögen, welches für all das nötig gewesen ist, und der Lebenswille, der da ganz deutlich zum Vorschein gekommen ist.

Ich weiß, wie es Dir damals ging – wir haben viel geredet, Du hast mich mehrmals für ein paar Tage besucht... Und ich habe Dich auch schon so erlebt, wie es Dir heute geht. Der Wandel, den Du durchlaufen hast, ist in meinen Augen enorm. Und doch bist Du Du selbst geblieben! Du kannst stolz auf Dich und Deinen Weg sein. Ich bin es – und freue mich für Dich.


(Sorry, falls das hier gerade "zu Offtopic" sein sollte – es lag mir am Herzen...)
Love is God's favorite daughter. (David Crosby)

ichwillleben

Hi ich bin neu hier und ich stimme dir zu. wenn du darüber nachdenkst, einen schmerzhaften und im akuten Moment nicht mehr ertragbaren Zustand zu beenden, würde ich auch nicht von einem Mord sprechen. Es ist nicht nur falsch, es nimmt der Gesellschaft auch die Gelegenheit, ihre Verantortung zu erkennen. Wer in einer Depression steckt hat in den meisten Fällen etwas erlebt, was er micht verarbeiten konnte. Selten ist es ein rein organisches Probelm, darum helfen auch die meisten Medikamente nicht. Meine schwerste Enttäuschung war, nachdem ich meiner Schwester erzählt habe, ich stecke in einer Depression und war kurz davor vor ein Auto zu laufen, als Kurzschlussreaktion oder geplant kann ich gar nicht mehr sagen, aber ihre Antwort war nur: nimmst du eh Medikamente? Ich war sehr enttäuscht von meiner Umwelt, die alles auf Medikamente reduziert, dabei war die Ursache, wie sich herausstellte, jahrelanges schweres Mobbing in der Arbeit. Viele Gespräche und die Umstellung in der Arbeit, aber auch die Übernahem an Veranwortung was passiert ist, in der Arbeit, haben mir letzlich soweit geholfen, dass ich nach ca. einem Jahr schwerer Depression wieder sagen kann, es geht wieder bergauf. Ich weiß jetzt, dass ich zu dem Zeitpunkt, wo es mir so schlecht gegangen ist, nicht gewußt habe, was und warum es passiert, es hat erst ein paar massive Vorfälle geben müssen, um manche DInge zu erkennen, aber für mich ist es wichtig, dass jeder erkennt, es kann jeden treffen, und auch ganz starke Menschen können in so ein Tief getraten, aus dem sie nur noch den Ausweg durch Suizid erkennen. Ich hasse es, wenn dann mit mitleidigen Phrasen geantwortet wird, oder eben alles mit Medikamente "geheilt" werden soll, was es ja nachweislich nicht tut, statt hier ehrliches Mitgefühl und begleitendes , verantorungsbewusstes Handeln zu zeigen. Ich hatte letzlich das Glück, dass ich solche Menschen dann in meinem Umfeld hatte, die auch die Geduld aufgebracht haben. Ich würde mir Wünschen, dass es auch weniger "Schubladendenken" in unserer Gesellschaft, aber auch unter den behandelnden Ärzten und Therapeuthen gibt. Wenn jemand sich beide Beine gebrochen hat sagst du ja auch nicht: "das ist ja alles nicht so schlimm steh halt auf und lauf das geht schon du musst nur wollen" und mit Grippe bleibst du auch im Bett und jeder hat verständnis. Manchmal braucht der Körper, und das Seelenleben ist auch ein Teil von deinem Körper, eine AUszeit, ob mit Grippe oder Depression, das anzunehmen und mit sich selbst geduldig zu sein muss man erst lernen weil es in der Gesellschaft nicht so akzepiert wird, und da gehört der Wunsch, diesen Zustand zu beenden, egal wie, und sei es mit Suizidgedanken, dazu. Ich hoffe und wünschte, alle würden das verstehen, aber das traurige ist, solange man es nicht selbst erlebt hat, kann man es schwer begreifen. Und wer es erlebt hat fühlt sich hilflos, wenn man es einem "Gesunden" erklären will, aber nicht kann. Ich versuche es immer so, dass ein Farbenblinder eben keine Farben sehen kann. Auch wenn eine Depression oder psychische Erkrankung oft zum Glück nicht für immer ist. Ich weiß nicht ob das jetzt alles so zum Thema gepasst hat, aber ich hab angefangen zum Schreiben und dann konnte ich nicht mehr aufhören. Danke für dieses Forum.

Arachnon

Hallo ichwillleben,

der Begriff "Selbstmord" ist auch rein rechtlich ein Problem, da laut StGB bei einem Mord immer auch niedere Beweggründe nachgewiesen werden müssen, wie Neid, Habgier, Rache, usw.
Ich habe seit knapp 30 Jahren mit dieser Krankheit zu kämpfen und irgendwann kann und will man einfach nicht mehr. Gut ein drittel dieser Zeit, habe ich mit Fachärzten und Therapeuten verbracht, stationäre oder auch ambulante Klinikaufenthalte durchgezogen, 2 Suizidversuche hinter mir, neue oder alternative Therapien durchlaufen und es gibt, so denke ich, kein Psychopharmakon, das ich nicht kenne.
Ohne Deine durchlebte Phase relativieren zu wollen, kennst Du den Grund deines Burnouts, das wäre wohl die angebrachtere Bezeichnung für Dein Stimmungstief, nach dem was ich gelesen habe und hattest lediglich eine Erkältung, im Vergleich mit anderen Menschen, die sich mit Lungenpest und Ebola herumschlagen müssen.
Man hat einfach keine Krft mehr. Selbst der Gang zum Klo wird zur Herculesaufgabe. Ich habe tagelang nicht geduscht, nicht, weil ich keine Lust hatte, sondern weil es einfach nicht ging, bzw. immer wieder vorkommt. Das bischechen Restenergie benötigt man einfach für die Aufrechterhaltung der Körpergrundfunktionen. Und das war's.

Und was meine Überlebensstrategie anbelangt ist, versuchen nicht zu sterben!!

Amanda

ich leide schon seit frühster Kindheit an Depressionen, die wurden Ärztlich nie behandelt, weil bla bla das momentan auch nicht wichtig ^^ zumindest habe ich mir viele Strategien in den Jahrzehnten zurecht gelegt und da ich noch lebe scheinen die auch gewirkt zu haben. Wie die anderen schreiben. Dein Leben verändern, das Umfeld verändern etc. Wobei ist halt die Frage, ob einen das glücklich machen. Ich nehme jetzt davon Abstand, weil das einfach nur Bekanntschaften sind und Hobbies, die zwar ganz nett sind und Ablenkung bringen, aber mir nun keinerlei Sinn im Leben geben.
Seit meinem Selbstmordversuch vor 2.5Jahren hab ich Menschen kennen gelernt, mit denen eine Bindung tiefer geht und das hat mich zum Weitermachen gebracht. Einfach weil ich diese schöne gemeinsame Zeit nicht zu Ende gehen lassen wollte. Inzwischen sind von denen aber ziemlich viele selbst gegangen.
Zurück zu dem, was tun fürs keep going... ich bin mit meinem Latein am Ende, der letzte Versuch ist jetzt die Therapie. Wobei die bei mir immer noch nix bringt und sich die Ärzte auch nicht wirklich für mich interessieren.
Sprich eine Strategie die über ein Leben lang funktioniert kann ich dir auch nicht sagen.
Außer vielleicht immer so abgelenkt und beschäftigt sein, dass du gar nicht merkst, wie die Jahre vergehen.

Junehoney

Meine Strategien der letzten 15 Jahre:
Weitermachen, auch wenn es sinnlos erscheint.
Tagebuch schreiben
Mit Menschen reden, auch mit Fremden, wenn keine Freunde da waren
Rausgehen, mich spüren, kalt duschen, Laufen, schreien
Mir immer wieder vor Augen halten, dass die Depression mir kranke Gedanken macht und es sich lohnt dagegen zu kämpfen
Den Suizid nur als Notlösung im Hinterkopf behalten
Seit Neuestem: Psychotherapie

Kolibrii

Hallo,
meine Überlebensstrategie ist, an meinen Sohn zu denken. Ich hab vor kurzem meine Eltern verloren und weiß, wie schwer vor allem der Verlust der Mutter ist. Er ist zwar schon älter und ich bin geschieden.

Trotzdem hab ich weiterhin eine Todessehnsucht, weil ich die Depressionen und Angstzustände oft kaum mehr aushalte. Ich versuch, jeden Tag irgendwie zu bewältigen. Momentan strick ich wie wahnsinnig Socken, es macht zwar keinen Spass, aber die Zeit vergeht und den Bekannten mach ich eine Freude damit.
Ich funktioniere unurnd existiere nur noch, leben ist anders. Ich gib meinem Körper Nahrung, pflege ihn so, wie und wann es nötig ist und gib nach außen ein fast normales Bild ab. Nur wer mich näher kennt, weiß wie es drinnen aussieht.

Ja, mit dieser Krankheit kämpft man oft nur noch um's
ÜBERLEBEN.

Wünsche uns allen, dass es irgendwann mal wieder anders wird.
LG Kolibri

LostSoul

Meine Überlebensstrategie ist es, immer die schönen Dinge im Gedächtnis zu behalten, auch wenn es noch so kleine Dinge sind und egal wie wenige es bisher in meinem Leben waren. Ich denke mir dann immer, dass egal wie scheiße es gerade läuft, ich ja nur dieses eine Leben habe. Wenn ich mir etwas antun würde, wäre es für immer vorbei. Und ich würde niemals erfahren, ob in ein paar Jahren nicht doch alles anders gekommen wäre, es mir besser gegangen wäre und ich ein glückliches Leben geführt hätte. Außerdem hab ich im Hinterkopf immer meine Eltern und meinen Partner, denen ich es auf keinen Fall antun will, dass sie mich verlieren. Und wenn man schon mal einen Selbstmordversuch hinter sich hat und dabei das Leben auf der Kippe stand, dann will man diese Situation auch nie wieder erleben...
Ja man kämpft wirklich ums Überleben wenn man Depressionen hat, aber ich bin mir immer noch sicher, dass sich dieser Kampf eines Tages lohnen wird.

masa

Da dieses Forum für Depris und um Suizid geht, schreibe ich auch was dazu.

Ich habe keine Überlebensstrategie. Ich warte nur noch bis ich gehen kann.

Als Kind hätte man bei mir ADSoder AHDS diagnostiziert. Gab es aber damals noch nicht. Bin 1965 geboren. Mit 13 J. wurde ich von einem Mann missbraucht. Mein Leben lief durch den Missbrauch nicht normal ab, was ich aber nicht bewusst merkte. Ich hatte den Missbrauch 33 Jahre verschwiegen, verdrängt, als unwichtig abgetan, aber dem war nicht so. Ich hatte für den Missbrauch explizit keine Therapie, werde ich aber vielleicht noch machen.
Mein jetziges Leben sieht von außen gsnz gut aus. Frau ist Freiberufliche Rechtsanwältin, hat ein Speiselokal und ist in unserem Dorf gut bekannt. Sie hat soviele Talente, aber sie ist ohne Liebe kalt aufgewachsen. Sie hat sich alles selbst erarbeitet. Die hat nur ein Problem im Leben: MICH
Bei jeder Krankheit die verteilt eurde, war ich immer einer der ICH, ICH gerufen hatte.
Dabei hatte ich auch erfolg. 😢
Jetzt zähle ich aber nicht all meine Krankheiten auf, würde zu lange dauern. 😉
Schlimm wurde mein Leben erst Ende 2010. Da wurde ich aus einer Firma gemobbt, wo ich gerne gearbeitet hatte. Im Frühjahr 2011 bekam ich einen großen Schmerzschub, ich konnte die rinfachsten Dinge nicht mehr machrn. Mir schmerzten meine Muskeln, speziell in Händen, Arme und Schultern.
Es stellte sich heraus, das ich Fibromyalgie habe, also mein ganzes Leben Schmerzen ertragen. Wir waren gerade dabei unser Lokal aufzubauen. Einen Altbau zu sanieren kostet viel Kraft, die ich nicht mehr habe. Somit mussten wir mehr Girmen bestellen, was die Finanzierung durcheinander brachte.  Das Lokal läuft gut, aber hängen bleibt oft nichts. Meine Frau steht da auch sehr unter Druck, da sie alles managen muss. Sie arbeitet jeden Tag viele Stunden und ich liege wegen der Depri seit drei Tagen nur im Bett.
Trennen können wir uns nicht, denn das würde meine ruinieren. Das will ich auf jeinem Fall. Deshalb kann ich diese Welt nicht verlassen. Ein neues Leben würde ich nicht anfangrn wollen. Die Voraussetzungen sind zu schlecht, da ist es einfacher zu gegen. Alle gutrn Dinge sind drei. Beim dritten mal wird es klappen.

Also von Überlebensstrategie keine Spur 😢

Lg Martin

Felidae

Hm.. meine überlebensstrategien.. sind eigentlich so das übliche, was ma halt so hört und liest - sport bis zur erschöpfung, mit arbeit ablenken, mit musik zudröhnen, aber trotzdem auch kleine pausen zwischendurch machen zb mit kaffee oder tee, mal im inet stöbern nach irgendwelchen themen die mich intressiern aber net runterziehn... und au des forum hier, wo man mit andern betroffenen reden kann.

Martineinfachnurmaldiehandfestdrück