Depressionen - was ist das überhaupt? Entwicklung?

Begonnen von DreiPunkte, 15 Januar 2014, 13:27:22

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DreiPunkte

Hallo,

ich kenne den früheren Umgang mit Menschen, die psychisch krank sind nicht in allen Einzelheiten.

Dass viele einfach nur weggesperrt und sich mehr oder weniger sich selbst überlassen wurden bis hin zur Tötung, dürfte niemand fremd sein.
Ein echt trauriges und unfassbares Kapitel. Leider wird dies in vielen Ländern auch heute noch praktiziert.
Bei uns hat man inzwischen ja eine relativ gute Behandlung und Anerkennung.
Trotzdem stehen Menschen mit einer psychischen Erkrankung immer noch am Rande der Gesellschaft.

Bis vor einem knappen Jahr, kannte ich Depressionen und ähnliche Erkrankungen nur aus dem Internet.
Ja, ich gebe zu, ich hatte und habe auch heute noch große Schwierigkeiten zu verstehen, was Depressionen sind.
Einige wenige im Chat machten sich die Mühe, mir dies zu erklären und schreckten auch vor meinen Fragen nicht zurück.
Für mich und viele andere ists einfach schwer, eine Depression von Faulheit zu unterscheiden.

Viele kamen und meinten: "Ich kann morgens nicht aufstehen."
Ja, liebe Leute, so geht's mir und vielen doch auch. Man kann sich nicht vorstellen, dass Menschen wirklich am Bett kleben und es hier nicht nur darum geht, den inneren Schweinehund zu bekämpfen.
Wenn ich morgens aufstehe, muss ich. Ich muss zur Arbeit und vieles erledigen, bei dem ich mir nicht leisten kann, zu spät zu kommen. Dann kann ich gleich Hart IV beantragen.

So wie das Verständnis auf Seiten der Gesunden oft fehlt, fehlt es auch auf Seiten der Erkrankten.
Ich habe mich jetzt schon mehr mit dem Thema beschäftigt, aber ich muss sagen: Ich kapier es immer noch nicht so wirklich. Vielleicht erst, wenn ich es selber habe, was ich aber nicht möchte.

In den letzten Monaten habe ich viel mit psychisch Kranken Menschen zu tun.
Ich kann euch sagen, dass ihr alle noch froh sein könnt, dass ihr hier schreiben könnt. Was man da für Schicksale und Erkrankungen sieht, das ist unbeschreiblich und man möchte jedem einzelnen am liebsten was Gutes tun.
In Psychiatrien aufzuwachsen ist doch kein Leben. So denke ich jedenfalls. Hinter Gittern eingesperrt, selbst mit der Familie nur durch Gitterstäbe reden zu dürfen usw. Und nein, kein Gefängnis. Das ist ja noch angenehmer und dabei hat man die Chance eines Tages raus zu kommen. Es sind Psychiatrien. Teils Straftäter, teils nicht.

Auch habe ich oft das Gefühl, dass wenn man einmal begutachtet wird, einem zig Krankheiten zugeschustert werden, welche keine besonderen Auffälligkeiten haben.
Menschen, die als gesund gelten, haben oft ähnliche Reaktionen. Wer aber einmal als psychisch krank gilt, bekommt aufgrund dieser Symptome noch andere Erkrankungen zugeschoben, welche bei gesunden Menschen (In demselben Ausmaß) als Faulheit, als leicht empfindlich usw. bezeichnet werden.

Dennoch hat die psychische Medizin sicher einen großen Fortschritt gemacht.
Es ist immer noch ein Tabuthema, dennoch habe ich das Gefühl, es ist langsam fast modern Burnout zu haben oder an Depressionen zu leiden. Noch alles hinter verdeckter Hand, aber die Diagnose wird heute sicher mehr gestellt als noch vor 20 Jahren, oder?

Mich würde eure Meinung dazu interessieren. Wie ist es für euch, wenn jemand eure Krankheit nicht begreift? Helft ihr oder fühlt ihr euch nicht für voll genommen?
Wie ist das Ansehen in der Gesellschaft? Grade an diejenigen, die schon Jahre lang erkrankt sind, hat sich was getan?

Gruß
...

21HEIDI

Servus ... !

Ich kann Dir nur von mir früher berichten,als ich 4 verschiedene Antidepressiv bekam,doch das kam schleichend und man will nicht gleich gestehen,daß man dies und das hat,man geht ja nicht gleich zum Doktor,wenns zwickt,... Umso schwieriger allerdings ist es dann von diesem Zustand wieder in den Alltag zu kommen.
Seit ich meine eigene Wohnung habe,brauchte ich von einem Tag zum Anderen diese 4 Medikamente nicht mehr- bis heute nimmer!
Es war wie ein Stein,der von meiner Seele fiel und als ob man plötzlich wieder viel Luft bekommt,nichts ist mehr "eingeklemmt".

Und ein neuer Fall: Ein Kollege von mir,der ist über 20 Jahre bei der Polizei,konnte von einem Tag auf den Anderen nimmer,er war nur wie versteinert,konnte kaum aus dem Bett und rief den Notarzt,weil er sowas noch nie hatte.
Was meinten sie? Burnaut. Er kam gleich auf Reha(Therapie),wo es klein aber doch ein wenig bergauf ging und er konnte an kleinen Spaziergängen teilnehmen. Als er nach paar Wochen jetzt nach Hause kam,war das Gleiche wieder.

Auch ich wünsche mir,daß mir sowas nie passiert!!!
Liebe Grüße,
HEIDI  ;-)

maximahl

Hallo,
dann werde ich mal daran machen Dir einen Teil  Deiner Fragen zu beantworten, nicht ohne den Dank für die Aufforderung dazu. Ich bin relativ neu hier und ein wenig aufgeregt hier ein Statement zu geben. So ist der Dank auch mit dem Selbstzweck verbunden, in der Antwort die Kommunikation mit mir selbst aufzunehmen und mir Klarheit zu schaffen. Vielleicht ist das ja auch Deine eigentliche Aufforderung?

Ganz oben bei Deinem Beitrag angefangen (Überschrift), macht mich die Frage hinter der Frage stutzig: Entwicklung? Oberflächlich gesehen doch erst mal paradox. Depression ist Krankheit , krank zu sein bedeutet geschwächt zu sein, nicht mehr mithalten zu können, anders zu sein, bedürftig zu sein, Hilfe zu brauchen, anderen zur Last zu fallen, ein Hemmschuh zu sein, nicht mehr zu funktionieren.  Das hört sich nicht nach Entwicklung an, nichts was ein Fortschritt bedeuten könnte im Sinne von Weiterentwicklung.
Wie ist das aber mit dem Stellen von Fragen? Kann man vielleicht nur Fragen stellen, von deren Antwort man schon eine Ahnung hat? Sonst gäbe es doch nichts zu Fragen, oder?

Also ja, Depression kann Entwicklung sein in seinem positivsten Sinne. Damit wäre für mich der erste Konflikt erklärt. Hier bin ich und ich habe Probleme, mein Leben läuft in Starre, gelähmt, ein stiller Schrei, vieles im Widerspruch, es tobt einer innerlicher Kampf, ein Krieg. Die Erklärung aus dem Bereich der Evolution finde ich ganz treffend: Die drei Verhaltensmuster bei Stress sind Angriff, Verteidigung oder aber sich tot stellen, Starre also. Ich habe das Gefühl mene Probleme oder Konflikte weder mit Angriff, noch mit Verteidigung zu gewinnen oder zu lösen. ICh möchte schreien, aber es kommt trotz großer Bedrohung kein Ton heraus. Ich möchte renne, aber die Beine gehorchen nicht, sind fest am Boden verankert. Mit all dem bin ich krank, ich fühl mich anders, fühle mich falsch, so falsch das ich das, was ich da fühle nicht wahr haben will, nicht anerkenne und das geschieht mir dann auch im Außen. Da gibt es diese Dualität, hier die Gesunden und getrennt davon die Kranken. Die Gesunden trennen sich, weil sie das schrecklich finden, oder Garnichts sehen, was es zu finden gäbe, in jeden Fall schlimm und damit wollen sie nichts zu tun haben, das hat auch nichts mit ihnen zu tun. Die Kranken trennen sich aus den gleichen Gründen und so steht etwas zwischen ihnen, das beiden Seiten Angst macht.
Wann machen Depressionen den Gesunden aber Angst, warum empfinden sie Mitleid? Vielleicht weil sie ahnen, das sie doch nicht so getrennt sind wie sie glauben? Vielleicht weil Sie ahnen, dass es da kein richtig und kein falsch gibt, vielleicht sogar, dass es keine Trennung gibt?


Bei mir hat es viele Jahre gedauert anzuerkennen was ist und es hat viele Versuche gegeben es wegzumachen: Wenn ich meinen Schweinhund überwinde, dann...., oder es liegt nur an meiner Faulheit, wenn ich fleißiger bin, konstanter, besser, dann..... Selbst unter Leidensgenossen gab es Gedanken: Mann, sind die krank, viel stärker als ich, damit hab ich nichts zu tun, die tun mir leid. Erst wenn ich mich auf den Kontakt mit Ihnen, mit anderen oder mit mir einlasse, wird die Ahnung wieder wieder stärker: es gibt keine Trennung, es gibt keine Dualität. Wir alle sind eins und alles ist eins. Es fällt mir nur so schwer, dieses Pflänzchen wachsen zu lassen, meine jetzige Welt sieht so anders aus, mit Dir und mir, mit mein und Dein, mit richtig und falsch, etc.

Also, als Depressiver fühle ich mich anders, schlecht, falsch, abgesondert, ausgegrenzt( auch ich in mir, denke das von mir). Dagegen muss ich etwas tun, dagegen muss ich kämpfen, meinen Hintern hochreißen, etc. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mit meinem depressiven Weg unterstützt wurde.( Du bist depressiv? Gut, das ist eine Gabe, mach was damit, mach was daraus). Depression ist schlecht, das muss weg, Ich muss positiv denken, es anders machen, etc.
Mal angenommen ich bleibe bei dem Pflänzchen des ,,alleins" sein und es gibt kein richtig und kein falsch, dann gäbe es diesen und jenen Weg und es gäbe Depression als eine Art des Weges. Alle wären weder richtig noch falsch. Demnach würde auch dieser Weg zu Ziel führen. Wenn zum Beispiel Stille, Ruhe oder Anhalten der Weg zur Verbindung mit dem, was wir wirklich sind( Alleins), wäre? Sind dann nicht Starre, Lähmung, aufgeben und ähnliche depressive Symptome ziemlich nah dran?

Ich bewundere alle, die tagtäglich ihrer Aufgabe nachgehen, die Ihre Berufung leben, die sich mit dem was sie tun und wer sie sind identifizieren und wohlfühlen und ich übe daran, diejenigen denen es offensichtlich anders geht nicht abzuwehren, zu verurteilen, sondern ihnen mit Empathie zu begegnen um irgendwann zur Liebe zu finden, um meinet und damit um unser aller Willen.

Grüße

DreiPunkte

Hi Seitenwechsel,

danke dass du dir soviel Zeit für eine Antwort genommen hast.

Dann auch ein herzlich willkommen hier :) und schön, dass du dich durch deine Antwort bisschen vorstellst.

Zuerst einmal zu dem Punkt Entwicklung.
Ja, vielleicht habe ich dies nicht gut ausgedrückt.

Zum einen hatte ich dabei an die Entwicklung des Umgangs mit psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft gedacht. Das beinhaltet zum einen, wie die Erkrankung angesehen wird, ob die Betroffenen das Gefühl haben, sie werden durch das immer schneller werdende Leben schlimmer und wie sie sich bei jedem selbst entwickeln (schlimmer/besser).

Es ist sehr einleuchtend, wie du die Symptome beschreibst. Danke dir.
Ich denke, es ist nicht unbedingt Mitleid, was ein Gesunder empfindet, sondern einfach Unverständnis. Nicht in dem Sinne, dass man sagt, die erkrankten würden sich das nur ausdenken, sondern man kann es sich einfach nicht vorstellen.
Wie ist es, wenn man psychisch gelähmt ist? Allenfalls eine körperliche Lähmung kann man sich vorstellen. Aber wie soll das von innen gehen? Schon fragt man sich, ob es nicht doch einfach der innere Schweinehund ist, den man bekämpfen muss. Gleichzeitig ist einem klar, dass da mehr dahinter stecken muss. Die Menschen berichten von Verzweiflung, dass sie nichts machen können, aber wollen.
Auch dies ist wieder schwer zu verstehen. Wie oft kam man selbst schon an die Grenze, an der man sagte, ich kann das einfach nicht? Und im Grunde weiß und merkt man, dass man es doch kann, wenn man sich anstrengt und sich die Mühe macht.
Zu begreifen, dass es für manche Menschen keine Ausrede ist, wenn sie sagen, sie können nicht, ist daher einfach nur schwer bis gar nicht nachvollziehbar. Man muss es wohl erlebt haben, doch das wünscht man weder anderen noch sich selbst.

Denn nur weil man gesund ist, heißt das noch lange nicht, dass einem alles leicht fällt.

Durch Gespräche im Chat merkte ich, dass viele Menschen mit Depressionen einfach nicht verstehen können, dass man Depressionen nicht begreifen kann, wenn man keine hat. Fehlende Empathie und Verständnis wird einem vorgeworfen, obwohl man bereit ist, diese Krankheit zu verstehen.
Dennoch wird man oft als verständnislos abgestempelt, wenn man ehrlich sagt, dass man es nicht begreift.
Dabei sollte es ein Anliegen aller Erkrankten sein, anderen verstehen zu helfen, wie es ihnen wirklich geht. Ansonsten darf man sich auch nicht beschweren, dass die Menschen einen nicht verstehen.

Daher herzlichen Dank für deine eindrucksvolle Antwort.

Gruß
DreiPunkte