Schon wieder unten...(möglicherweise Trigger)

Begonnen von Sherain, 29 August 2012, 22:14:57

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Sherain

Hallo,

momentan weiß ich selbst noch nicht, was dieses Thema hier werden soll, ich glaube ich will mir einfach ein bisschen von dem von der Seele schreiben, was mich gerade beschäftigt.

Auf jeden Fall sitze ich jetzt mal wieder hier. Ich sollte noch etwas für die Schule tun (bin erst 18, 13. Klasse also hoffentlich bald das Abitur hinter mir) und fühle mich einfach nur schlecht.
Dabei läufts momentan gar nicht so schlecht. Die Beziehung die ich seit bald einem halben Jahr führe läuft wirklich gut (meine erste überhaupt, mit dem jungen Mann in den ich zuvor auch schon 3 Jahre verschossen war)...meine Familiensituation hat sich mittlerweile auch wieder stabilisiert (war mal anders, darauf will ich jetzt aber nicht weiter eingehen) und Freunde (nicht viele, aber gute) und Schule sind soweit auch im grünen Bereich.

Trotzdem kommt es immer wieder zu Situationen wie heute, an denen ich an den einfachsten Aufgaben scheitere (Zimmer ist wieder im Chaos und ein Referat steht an) und mich einfach erdrückt von der gesamten Situation fühle.

Zudem habe ich das Gefühl, ständig wirklich dumme Fehler zu machen und habe deshalb ständig Angst vor so ziemlich allem. Wenn dann wirklich was passiert, kann ich mir das nicht verzeihen und hege regelrechten Hass auf mich selbst. Als ob eine Stimme im Kopf mir immer wieder sehr glaubhaft eintrichtert, dass ich Minderwertig bin.
In diesen Situationen kommt es auch oft dazu, dass ich den Drang verspüre mir selbst weh zu tun, als eine Art "Bestrafung" für meine Unfähigkeit. Damit das keiner merkt, mache ich das halt (wenn es soweit kommt) an Stellen, wo es nicht so sehr auffällt (z.B. Verletzungen mit einer Nagelschere an den Fußsolen).
Es ist als würde ich rund um die Uhr mit der Person auf einem Fleck gefangen sein, die ich am abstoßensten und regelrecht ekelhaftesten empfinde...dabei bin ich diese Person selbst und mache mich nur selbst fertig. Einerseits dafür, auf der anderen Seite erkenne ich ja auch, dass das nicht richtig ist was ich da tue und habe deshalb wieder Schuldgefühle, zumal ich auch befürchte mein Umfeld mit diesen "Down-Phasen" negativ zu beeinflussen.
Das ist schon immer so, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, dass es jemals anders war. Schon im Kindergarten und der Grundschule habe ich auf kindliche Weise diese "Bestrafung" vollzogen (z.B. durch kontinuierliches Kratzen an Armen und Beinen, Haare ausreißen usw.) Ich hab mich nie auf einer Stufe mit anderen in meinem Alter bzw. generell anderen Menschen gesehen.

Vergangene Woche habe ich mich nun endlich getraut, mich meinem Freund anzuvertrauen, wobei ich befürchte, dass er nicht wirklich verstanden hat, was ich versucht habe ihm zu erklären.
Auf jeden Fall habe ich große Angst davor, dass mein sonstiges Umfeld merken könnte was mit mir los ist und falls es das tut, wie es reagiert.

Das einzige was mir in diesen Phasen "hilft" ist abzuwarten und hoffen, dass es am nächsten Morgen wieder besser ist. Denn dann will ich auch von diesen Tief's wie es heute wieder da ist nichts mehr wissen, empfinde sie auch als unwichtig. Deshalb fällt es mir nochmal schwer darüber zu reden, wenn ich nicht gerade wieder unten bin wie heute Abend.

Das war so ziemlich alles, was mir gerade dazu einfällt...kann ja später noch ergänzen.

Danke an jeden, der sich die Zeit nimmt, das alles durchzulesen, das musste jetzt einfach raus.




Sherain

Adrenalinpur

Hallo Sherain,

willkommen erstmal und sich etwas von der Seele schreiben ist erstmal immer gut. Bitte halte dich nicht für unfähig, immerhin hast du es fast bis zum Abi geschafft und bald hast du es. Dass du nicht alles schaffst, Referate schreiben und Ordnung halten und dich um Freund und Familie kümmern ist doch klar.

Deine Familiensituation ist die vielleicht so, dass immer zu hohe Erwartungen gesetzt wurden und die deshalb Angst hast zu versagen?

Lass dir Zeit mit dem Ausschreiben wir hören dir gerne zu. Stück für Stück.

Liebe Grüsse Adre


Sherain

Danke Andre für die schnelle Antwort und die Willkommensgrüße.

Das Problem ist, ich weiß eigentlich, dass ich durchaus fähig bin etwas zu erreichen und auch nicht minderwertig bin, aber diese Überzeugung sitzt so tief und so fest, dass es rein gefühlsmäßig gar nicht anders sein kann als eben dies.
Wenn ich rational darüber nachdenke ist das natürlich völliger Irrsinn. Trotzdem kann ich Gedanken die das Gegenteil beweisen könnten nicht wirklich annehmen. Genauso wie Komplimente usw.

Was die Familiensituation betrifft. Ich denke es ist normal, dass das erstgeborene Kind immer etwas strenger erzogen wird, als darauf Folgende. So war es zumindest bei mir. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl gehabt, dass zu viel von mir erwartet wurde.
Was ein möglicher Grund für  diese Versagensängste sein kann ist, dass ich von meinem Vater bis zu meinem 8. Lebensjahr geschlagen und bis zum Anfang diesen Jahres emotional manipuliert (emotionale Erpressung und sowas) wurde. Davon hat meine Mutter (die meiste Zeit des Tages nicht zu Hause, weil sie arbeiten war) nichts mitbekommen, meine Schwestern ebensowenig.

Erst Anfang diesen Jahres habe ich mich getraut meiner Mutter das Geschehene anzuvertrauen und mich von meinem Vater zu lösen (ich übernachte nun nicht mehr bei ihm und habe den Kontakt auf ein nötiges Minimum reduziert).

Seitdem geht es mir auch etwas besser (hatte vorher extreme Schlafstörungen, die zwar immernoch nicht verschwunden aber immerhin nicht mehr so stark sind).

Sherain


Adrenalinpur

#4
Als ich ein Jahr alt war starb meine Schwester an Leukämie - unsägliches Leid für meine Eltern. Die Zeit danach bekam ich von meiner Mutter sehr oft zu hören dass ich als Mensch schlimer und dümmer wäre als sie - von meinem Vater niemals er hätte sich lieber einen Sohn gewünscht.

Diese Sachen begleiten einen durchs Leben, auch wenn man nichts dafür kann.

Gestern erst habe ich mit meiner Kollegin über Schlagen von Kindern gesprochen. Sie hat 3 Kinder. Manchmal ist es so dass wenn Kinder etwas ausreizen die Kommunikation unterbrochen werden muss, zb durch ne Watsche. Nur wenn Schlagen als Kommunikationsmedium zur Regel wird, heist es der andere ist ohnmächtig ausser mit Gewalt zu reagieren. Hätte mein Vater das getan, wäre ich weggelaufen.

Deine Eltern leben getrennt und Du bist bei deiner Mutter?
LG Adre

ich bin übrigens weiblich falls da wieder Zweifel aufkommen

Freudestrahlend

Liebe Sherain,

was du schreibst, macht mich wirklich traurig. Wahrscheinlich hast du es dir nicht selber ausgedacht, dass du ein minderwertiger Mensch bist. Wie ich deine Bemerkungen lese, kommt diese Überzeugung wohl eher von deinem Vater. Ich habe es schon in einem anderen Thread geteilt, aber es passt zu deiner Situtation so offensichtlich, dass ich es dir auch ans Herz legen möchte:
3x täglich hören (vielleicht besser ohne Videogucken): "Beautiful" von Christina Aguilera: http://www.youtube.com/watch?v=DeZvRRhLw5M

Ich wünsche dir, dass du es schaffst, dich selber (verstandesmäßig UND emotional) als liebenswerten Menschen zu begreifen.

Viel Freude
Most people do not listen with the intent to understand, they listen with the intent to reply.

Sherain

Entschuldige nochmal Adrenalinpur...das n ist da irgendwie reingerutscht und danke Freudestrahlend für die aufmunternden Worte und Wünsche.

Das was du (Adre) zum Thema Schlagen von Kindern gesagt hast, trifft es sehr gut. Die Gründe für diese Gewalt bei meinem Vater waren auch Dinge wie z.B. ein unaufgeräumtes Zimmer, oder eine verschusselter Hausaufgabe. Nur ging das eben irgendwann so weit, dass er mich z.B. hochgehoben und sofort wieder in die Ecke meines Zimmers weggeworfen hat und ich Verstauchungen/Prellungen an Rücken/Wirbelsäule davongetragen habe (damals war ich 5). Ich hab diese Bestrafungen auch damals schon als berechtigt und habe ich mich auch verantwortlich für Dinge gefühlt, für die ich gar nichts konnte. Aus Scham habe ich dann auch mit niemandem darüber gesprochen.
Heute erklärt er diese Übergriffe als Ausrutscher aufgrund der Trennung meiner Eltern.

Meine Eltern leben jetzt seit 10 Jahren getrennt und meine Schwestern und ich leben bei meiner Mutter, die in den vergangenen Jahren auch oft mit uns überfordert war. Mittlerweile hat sich das aber eingependelt.

Trotzdem will ich niemandem die Schuld für das geben, was gestern Abend wieder mit mir los war.


Adrenalinpur

Hallo Sherain,
gibt nichts zum entschuldigen, ist alles ok. Ich denke, - ohne Schuldzuweisung, sicher hätte dein Vater wissen müssen, was er ihr antut, aber es gibt Lebenssituationen in denen ein Mensch so in etwas hineingestrudelt ist dass, er eben die Folgen NICHT sehen kann in dieser Zeit - dass dennoch dieses Verhalten gegenüber Dir genau die Situation auslöst in der du jetzt bist. Und da sollte der Ansatzpunkt sein, dein Sebstwertgefühl wieder zu erlangen.

Hast Du mit einem Psychologen darüber gesprochen?

LG Adre

Sherain

Nein bisher noch nicht.
Ich hab es mir schon lange vorgenommen...aber ich finde immer wieder neue Ausreden, weshalb ich das noch warten lasse. Mein Freund hat mir auch schon geraten mich mal an jemanden zu wenden. Wenn das so weiter geht, werde ich das auch müssen, denn so kann das nicht weitergehen.
Nur die Hemmschwelle dort hin zu gehen und vorallem die Angst vor dem was möglicherweise dabei als Diagnose oder so rauskommt ist momentan noch extrem groß.

Adrenalinpur

Es wäre ein guter Schritt. Auch wqenn es dir schwerfällt über dein Innerstes zu sprechen (das ist ja wohl logisch) kannst du es aufschreiben und ihm geben, der Psychologe ist für jede Mithilfe dankbar.

Und was dabei rauskommen könnte und es zu überwinden kann ja wohl nicht schlimmer sein als immer mehr unter dem was das schwelt zu leiden.


Sherain

Auf die Idee alles aufzuschreiben und mich damit an jemanden zu wenden bin ich noch gar nicht gekommen. Das könnte ich auf jeden Fall versuchen.

Epines

Hallo liebe Sherain

Du hast ja hier schon den wichtigsten Grundstein zur Verarbeitung gelegt, indem du kurz geschildert hast wie dein Vater mit dir umgegangen ist. Wenn man zuerst darüber schreibt, wird es später einfacher auch darüber zu reden, so meine Erfahrungen. Und auch in der Waldhütte kann man über diese Themen chatten, wie du ja weißt.

Für mich persönlich gibt es jedoch keine Entschuldigung für jemanden der einem Kind Gewalt angetan hat. Mich nerven  Ausreden wie "ich war überfordert, oder in einer schweren Lebenssituation, es war ein Ausrutscher" u.s.w.

Für mich ist es allenfalls noch nachvollziehbar, wenn jemand der tatsächlich nervlich am Limit ist, mal einen Klaps verteilt, aber ein Kind hoch zu heben und zu Boden zu werfen, so wie du es geschildert hast, ist massive Körperverletzung und  ein Inkaufnehmen, dass das Kind schwer verletzt wird! Wenn du ins KH eingeliefert worden wärst, wäre wegen Kindesmisshandlung Anzeige erstattet worden. Ein Kind dermaßen zu bestrafen ist keine harmlose Züchtigung mehr, sondern eine strafbare Handlung!

Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass man lange denkt, dass man selber schuld ist weil man böse war, aber es gibt keinen Grund jemanden so hart zu bestrafen. Und der einzige der sich dafür schämen sollte, ist dein Vater!
Er hat sich alles andere als väterlich benommen.

Es wird eine ganze Weile dauern bis man solche Dinge verarbeitet hat, aber je eher um so besser. Sieh dich mal nach einem Therapeuten um, es wird eh noch eine Weile dauern bis du dann einen Termin bekommst. Darüber reden befreit unglaublich und das Gefühl verstanden zu werden tut einfach nur gut.

Alles Liebe
Epines





Sherain

Danke für die Ratschläge bisher.

Ich ringe jetzt schon seit dem letzten Wochenende mit mir einen Termin zu machen...schaffe es aber nicht allein.
Demnächst werde ich vielleicht meinen Freund fragen, ob er dabei sein könnte, einfach als Stütze...wenn ich das allein versuche ist die Stimme im Kopf mit der ich mir selbst einrede, dass das alles nicht so schlimm wäre und die Angst zu stark.

Diese Woche ist's wieder etwas verstärkter als sonst, ich sitze bis jetzt jeden Abend hier und bin kurz vor'm weinen. Das hat Sonntag schon angefangen, als ich es nicht ertragen konnte, dass mein Freund nach Hause gefahren ist. Ich fühle mich erdrückt von den Anforderungen die jeden Tag auf's neue an mich gestellt werden. Morgen soll ich nach der Schule wieder die Arbeitsgruppe mit der wir ein mal im Monat ins Altenheim fahren leiten und ich weiß noch nicht wie ich das schaffen soll.

Das ist momentan einfach zu viel.

Sherain

Nun ist es so gekommen wie ich es eigentlich hätte wissen müssen...meine Beziehung ist beendet.
Momentan geht es noch...hab schon viel geweint...heute Abend ist eine Freundin da...
aber jetzt gerade fühle ich mich nur leer...

Epines

Oh Sherain

Das sind ja wirklich traurige Nachrichten, ich dachte dein Freund steht zu dir, was ist denn plötzlich los? Mir fehlen gerade die Worte.

Drück dich mal ganz fest!

Alles Liebe
Epines