Kleine Geschichten

Begonnen von Hobo, 26 Juni 2012, 14:37:53

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Hobo

Man soll nicht in der Vergangenheit leben. Aber es gibt dort eben Dinge, die wir auch über 50 Jahre später noch gut erinnern und die auch oft Einflüsse auf unser weiteres Leben hatten. Ein paar davon möchte ich in diesem Thread erzählen.

Geschichten erzählen ist eine Sache. Geschichten erleben, das ist was ganz anderes. Ich mag Geschichten, gerade die kleinen Geschichten, die jedem von uns passieren und auch und gerade jedem früher passiert sind. Das geht ja nun früh los...

Eine, an die ich mich noch erinnern kann war heftig aber auch lustig, na ja, zumindest fast...

Ich war damals 7 Jahre alt. Ich war stolzer Erstklässler, da ein Schulrat beschlossen hatte, dass ich mit 6 Jahren noch nicht reif genug für die Schule sei. Heute weiß ich, dass ich eine Frage zu einem Berg vor den Toren der Stadt, hm, hinter den Toren der Stadt eher, nicht beantworten konnte. Das war im Jahre des Herrn 1960. Heute weiß ich, dass dieser Hügel "Weinbiet" heißt. Damals nicht. Was ein Glück, durft noch ein ganzes Jahr Kind sein und tun und lassen was ich wollte. Aber auch dieses Jahr ging vorbei und es war soweit.

Ich kam in die Schule. Klar, damals noch mit Tüte und Tamtam und allem, was man zu dieser Zeit so veranstaltet hat. Ich kann mich auch nicht erinnern, davor Angst gehabt zu haben oder Abneigung. Man hatte es mir wohl sehr gut verkauft. Also meine Eltern und mein älterer Bruder. Der hatte ja nur noch von der Schule erzählt und wie toll da alles sei. Gut, ich habe mich zu der Zeit lieber im Schlamm eingegraben und Eidechsen gefangen. Also wirklich wichtige Sachen. Aber egal, ich bin hin und fand es auch nicht schlecht.

Der Lehrer war nett. Klar, damals waren alle Kinder noch so erzogen, dass sie auf Kommando aufgesprungen sind und im Chor "Guten Morgen, Herr Lehrer" gekräht haben. Ich natürlich auch. War halt so. Gut, ist über 50 Jahre her, heute ist das anders. Da kommen die Lehrer mit Polizeischutz ins Klassenzimmer und die Schüler werden an der Tür nach Waffen durchsucht. Nein, so war das nicht damals. Leider weiß ich nicht mehr, welche Art von Kleidung ich damals getragen habe. Oder vielleicht zum Glück. Aber auch das war damals nicht wichtig, keiner hat sich darum gekümmert. Die Schüler, die einen älteren Bruder hatten, die haben logischerweise die "rausgewachsenen" Klamotten des großen Bruders aufgetragen. Das war normal und hat keinen geschert.

Soviel zu der Welt der Schule damals. Und ja, glaubt mir keiner mehr heute, ich war ein braver Junge und habe immer mitgearbeitet. Gut, im Schulhof in den Pausen, da gab es schon mal Auseinandersetzungen, aber das ist eine andere Geschichte. Erzähle ich später mal.

Natürlich waren die Ferien damals wie heute sehr beliebt. So auch die Osterferien. Wir wohnten in einer Wohnung im 1. Stock und es gab keine Wiesen weit und breit. Auch der Wald war ziemlich weit weg, wir waren eben mitten in der Stadt. Also war das Ostereiersuchen auf die Wohnung beschränkt. Es hat dem Spass keinen Abbruch getan, meine Eltern haben immer tolle Verstecke gefunden. Was sie nicht ahnen konnten war, dass sich der Jüngste schlaflos schon mitten in der Nacht auf die Suche machte. Alle haben tief geschlafen und ich war sehr stolz, vor meinem Bruder auf die Suche zu gehen. Das weiß ich noch genau. Ich hätte im Bett bleiben sollen...

Meine Eltern hatten einen Musikschrank. Also so eine Art Sideboard, links war ein Plattenspieler eingebaut und rechts eine Glasscheibe. Hinter dieser Glasscheibe standen Gläser und Flaschen. Mir hatten es die bunten Gläschen in einem Sechsertrageset angetan. Das war so ein goldverziertes Metallgestell mit 6 Schnappsgläsern in verschiedenen Farben. Man darf nicht vergessen, es war 1960 und zu dieser Zeit der letzte Schrei. Die habe ich mir auf meiner Suche nach Ostereiern erst mal geholt. Natürlich kann man mit sowas nicht spielen, wenn man nichts hat, das man da auch reinschütten könnte. Aber das war kein Problem, da Stand eine Flasche und ich habe dann wohl munter eingegossen und von einem Gläschen ins andere geschüttet. Wie das Kinder halt so machen. Ab und an habe ich ein Schlückchen getrunken und wieder nachgeschenkt. Heute weiß ich, dass diese kleinen Schlückchen ungefähr 33cl waren. Und in der Flasche war echter Strohrum, von meinen Eltern aus Österreich mitgebracht mit satten 80% Alkohol ungefähr.

Genau dort haben sie mich gefunden als die Sonne aufging. Sturzbetrunken und fast bewusstlos. Sie haben mich ins Bett gesteckt, einen Notarzt gerufen, ja, das Theater war komplett. Wobei ich davon nichts mitbekommen habe. Der Arzt hat auf die alte Art den Magen frei gemacht, also ohne Pumpe, eher rustikaler und ich war fast eine Woche im Bett. Hab wohl von schwarzen Männern und anderen Albtraumgestalten gelallt und alle sehr gut unterhalten. Heute weiß ich, dass ich fast über die Wupper, na ja oder den Jordan, gegangen wäre.

Noch heute bin ich dankbar, dass meine Eltern zu mir standen. Ich habe keine Strafe bekommen, keine lauten Worte oder sowas. Gar nichts. Allerdings gab es keine Flaschen mehr danach. Zumindest nicht in Reichweite von Erstklässlern. Nach der Woche bin ich etwas blass aber durchaus wieder gesund zurück in die Schule gegangen. Niemand hat je davon erfahren. Nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass ich immer noch der Promilleweltmeister aller 7-jährigen bin. Immerhin Weltmeister...

Klar, die Schule ging weiter, das Leben auch, aber beides hatte noch einige interessante Geschichten. Doch für heute nur diese...

Ja, so war das, Ostern 1960.

Falls es hier Menschen gibt, die auch eine kleine Geschichte aus ihrem Leben erzählen könnten, macht doch, ich fänds schön, lese gerne kleine Geschichten.

lg
Hobo

Paula

Hattest du den thread nicht wiedergefunden?

http://www.nur-ruhe.de/smf/index.php?topic=5858.0

Liebe Grüße von Paula

Hobo

Huch, Du hast recht Paulachen. Hatte ich nicht, dachte der wäre gelöscht. Egal, gibts ihn halt zwei Mal^^

lg
Hobo