Vom Zug erfasst @ Para

Begonnen von Anonym, 25 Februar 2012, 10:28:10

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Anonym

Hallo.

Du hast Recht mit deinem Thema. Man steht am Bahnhof, hört die Durchsage "Personenschaden", "Notarzteinsatz". Natürlich ist einem klar, dass sich da jemand vor einen Zug geworfen hat und sich das Leben nehmen wollte.
Es ist eine traurige Sache und man denkt, wieso der Mensch das gemacht hat.
Aber er ist in dieser Situation auch für viel Unglück verantwortlich. Am schlimmsten trifft es den Zugführer. Meist leiden sie weig unter diesem Ereignis, konnten es aber überhaupt nicht verhindern.
Der Bahnhof steht voll mit Menschen, die erfahren, dass ihre Züge auf unbedtimmte Zeit zu spät kommen oder sogar komplett ausfallen. Auch da können große Probleme für einige Leute entstehen. Evtl.warten Kinder irgendwo auf ihre Eltern oder ähnliches. Zig Menschen sind von diesem Selbstmord mehr oder weniger betroffen und werden so mit Sicherheit an diesen Menschen denken.
Ich will das jetzt nicht negativ darstellen, es ist schlimm genug, dass sich ein Mensch das Leben nehmen möchte und es wird meist ein hartes Schicksal dahinter stecken.
Nur ich frage mich, wieso dieser Mensch dann noch andere Menschen da mit reinzieht? Natürlich werden immer zumind. die Rettungskräfte betroffen sein, die jemanden finden. Aber wenn noch andere Leben teilweise mit zerstört werden, muss man dann mehr Verständnis für diesen Menschen aufweisen als er für andere?
Ich bin sicher nicht gefühllos und ich stand schon öfters auf dem Bahnhof und musste umorganisieren, wegen einem von dir geschilderten Fall und habe auch immer an die person gedacht, was sie dazu trieb.

parapieps

#1
hallo anonym,
ich sehe auch die kehrseite der medaille. mit sicherheit. aber ich denke, dass es nur in den wenigsten fällen im vorfeld geplant ist. vor einiger zeit ist bei uns eine kollegin völlig unerwartet vor einen traktor gesprungen. sie war derzeit sogar in der klinik und mit der gruppe unterwegs bei einem spaziergang. es war ein plötzlicher schub. die mitpatienten meinten, sie war vorher normal, wie immer gewesen und hatte dann knall auf fall einen tiefgang. noch ehe jemand reagieren konnte, ist sie gesprungen. ich glaube die wenigsten wollen damit so große wellen schlagen und andere menschen mit hineinziehen. es ist eher ein reflex auf nummer sicher zu gehen, keinen rückzieher machen zu können.
aber es ist ein brisantes thema und es gibt viele ansichten dazu. man muss hier aufpassen, niemandem seine sichtweise aufzudrücken. darum gebe ich auch nur meine gedanken ab, ohne zu verallgemeinern.
lg pieps

Epines

Hallo anonym

Stimmt, es ist extrem belastend für den Lokführer, manche können danach ihren Beruf, der oftmals ein Traumberuf ist, nicht mehr ausüben. Aber manchmal ist es von dem der sich vor den Zug geworfen hat auch eine Spontanhandlung, da denkt man nicht mehr an Andere, will einfach nur das es aufhört.

Ok, man soll sich, wenn es denn sein muss, so diskret wie möglich verabschieden, am besten wäre es wohl, wenn man einfach spurlos verschwindet, aber so einfach ist es nicht. Ein Mensch hinterlässt Spuren, in den Herzen anderer und in seiner Umgebung. Ich denke oft daran was und wie mein Leben verlaufen würde, wenn es den oder die nicht gegeben hätte. Man sieht ja auch hier, wie dieser Verzweiflungsakt uns nachdenklich macht und ich finde es gut, dass Pieps es eingebracht hat.

Bei den Fahrgästen vermisse ich manchmal Mitgefühl, viele regen sich mehr auf, dass ihre Gewohnheiten unterbrochen wurden, weil sich so ein Idiot wieder einmal vor den Zug geworfen hat,  als das sie sich Gedanken über die Verzweiflung des Menschen machen der einfach nicht mehr konnte, oder über den Lokführer der alles mit ansehen musste und nicht bremsen, oder ausweichen kann, der danach manchmal jahrelang immer wieder dieses Bild des Aufpralls im Kopf hat. Auch mein Bedauern ist mehrheitlich bei ihm.

Aber so ist die Mehrheit der Menschen, erst wenn es sie selber betrifft können sie den Schmerz fühlen.

Alles Liebe
Epines

nubis


In den seltenstensten Fällen dürfte es so ganz 'spontan' sein ...- schließlich muss man auch erst mal an Ort und Stelle gelangen, wissen, wann ein Zug fährt usw...


Ich fand den Artikel sehr gut zu dem Thema: http://www.sueddeutsche.de/wissen/lokfuehrer-und-suizide-die-opfer-der-lebensmueden-1.1273077 , weil da eben auch angesprochen wird, warum die Bahn möglichst wenig Aufhebens darum macht - ich kann es jedenfalls nachvollziehen.
Gegen Schmerzen der Seele gibt es nur zwei Arzneimittel: Hoffnung und Geduld

(Pythagoras)

Nicki

Ich stehe mehr oder weniger täglich am Bahnhof und seit es mir sehr schlecht ging gehe ich immer vom Gleis weg, wenn eine "Zugdurchfahrt" angesagt wird. Diese Züge rauschen sehr schnell durch die Bahnhöfe und es wäre ein Leichtes...
So viel dazu, das es geplant sein muß. Ich traue mir selber nicht mehr, nehme mir aber die Möglichkeit, es aus dem Affekt zu machen, indem ich eben ein Stück weg gehe und mich abwende.
Mir täte es auch sehr leid für den Zugführer und das ich anderen Menschen Unanehmlichkeiten damit bereiten würde...
Ich wünsche mir auch eher einen Tod ohne große Aufmerksamkeit...

Anonym

Hallo!
Und danke für die vielen Antworten.
Ich sehe es ja auch ähnlich wie ihr. Es ist halt ein trauriges Thema: Vielen sind ihre Mitmenschen egal. Ok, man kann sich nicht um alle kümmern und es wird ein angeborener Selbstschutz sein, dass man sich nicht mit jedem Problem von fremden Personen beschäftigen kann.
Ich hatte mal mit einer bekannten ein interessantes Gespräch. Es war kurz nach einem Zugunglück, bei dem viele Menschen ihr Leben verloren. Sie meinte, dass es ja so traurig wäre und sie würde ja am liebsten Blumen hinlegen. Anzumerken ist, dass sie keine Person persönlich kannte. Nachdem ich fragte, was sie denn mache, wenn ein Nachbar stirbt, schaute sie nur fragend und meinte: ja, nichts. Was soll ich machen?
Ich verstehe es einfach nicht. Es ist immer schlimm, wenn viele Menschen durch ein Unglück sterben, aber tagtäglich sterben auch Menschen, von denen man es nicht in allen Medien liest.
Was ich damit sagen will, ich kann es oft nicht nachvollziehen, wieso viele Menschen bei einem Unglück so mitleiden und wenn Bekannte sterben, ists nicht so wichtig.
Liegt es an der Veröffentlichung in den Medien? So war es ja auch bei diesem Wetten Dass? Kandidaten, der sich bei einem Sturz verletzte. Plötzlich fühlte alle Welt mit dem jungen Mann. Es erscheint dann immer der einzige Fall zu sein. Doch wieviele Menschen erleiden tagtäglich ähnliche Schicksale, von denen es nur der kleine Freundeskreis mitbekommt?
Man könnte den Leuten Oberflächlichkeit unterstellen. Aber das wäre vielleicht auch nur in gewisser Weise richtig. Ich denke, es ist teilweise eine innerliche Ignoranz, die viele daran hindert, an andere Menschen zu denken bzw. darüber nachzudenken, was immer und wieder passiert.
Und daher schätze ich auch, dass sich einige keine großen Gedanken machen, was dahinter steckt, wenn sich jemand vor einen Zug wirft.
Die Leute werden auf sowas kaum aufmerksam, da sowas nie durch die Medien geht und der Grund ist mir auch bekannt. Der genannte Artikel bestätigt dies ja auch.

Wisst ihr, die leute interessieren sich teilweise nicht für solche Themen, Klar, es ist aufregend, man schaut und will wissen, was da los ist. Aber was dahinter steckt? Allerdings gibt es viele Leute, die darüber nachdenken, aber eben für sich. Das fällt dann natürlich auch niemanden auf.
Wir beschäftigen uns hier mit dem Thema, kennen Menschen, die nicht mehr leben möchten. Daher fällt es uns bewusster auf, dass die Medien nicht vom Hintergrund der Menschen berichten.

Dass die Medien nicht viel von den Fällen berichten ist ja klar. Man will potenzielle Nachahmer nicht verleiten.
Ob es gut wäre, so einen Fall anders rum aufzurollen:  ,,Täter wirft sich vor einen Zug, sorgt damit für Verkehrschaos, X (Leicht-)Verletzte (z.B. durch Notbremsung), traumatisierter Zugführer, Sachschaden, ..."
Das halte ich andersrum auch für keine gute Lösung, da der Hintergrund ja dadurch wirklich total ignoriert wird.

So bleibt es an jedem einzelnen, sich zu überlegen, wieweit er an seine Mitmenschen denkt und ob er ihnen helfen kann.

Gruß

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