Minusgrade

[Freudestrahlend]

Vor ein paar Tagen stand auf der Titelseite einer Zeitung die Geschichte einer Frau, die auf dem Rückweg von einer Betriebsfeier stürzte und erfror.

Das hörte sich so verlockend an. Mich einfach bei minus 13 Grad irgendwo hinlegen und endlich Ruhe haben. Diese Gedanken suchen mich immer mal wieder heim und ich habe meine "Erste-Hilfe-Liste" mit Atemübungen und kleinen Tipps, wie ich auch in dieser Welt zur Ruhe kommen kann. Aber bei diesen verdammt kalten Temperaturen kommen diese Gedanken viel häufiger, sogar mitten an einem strahlenden Sonnentag.

Ja, ich habe Depressionen, ja, ich bin deswegen in Behandlung.
Ich musste das nur einfach mal loswerden.

[Hobo]

Ja, stimmt. Hört sich verlockend an. Aber freudestrahlend kann man das nicht tun. Weil man nicht weiß, was morgen ist. Oder übermorgen. Oder nächste Woche. Also werden wir schön brav hier bleiben und uns an die Heizung setzen. Und wenn es so richtig schön warm ist, dann werden wir strahlen vor Freude...

Kannst Du gerne als Tritt in den Allerwertesten werten...

vom
Hobo

[Epines]

Hallo liebe Freudestrahlend

Die Frau die nach der Betriebsfeier stürzte und erfror wollte vermutlich noch nicht sterben.

Das ist doch die Tragik die uns überall im Leben begegnet. Wer leben will muss oft früh sterben, erkrankt vielleicht an Krebs und kämpft wie verzweifelt gegen den Tod an, um am Schluss den Kampf doch noch zu verlieren. Ein andere fällt mit einem Herzinfarkt oder Hirnschlag einfach tot um und wird noch darum beneidet.

Dass dich diese Gedanken bei den tiefen  Temperaturen locken  kann ich gut verstehen. Ich selbst werde trotziger-weise erst recht raus gehen, die Sonne genießen, die beißende Kälte im Gesicht fühlen, die klammen Finger die immer kälter werden und zu schmerzen beginnen und die Haut die sich zusammenzieht spüren, da fühle ich mich lebendig. "Ich will leben!" Wenn ich  danach ins Haus komme und die Wärme wahr nehme, erfüllt mich immer eine grosse Dankbarkeit... na ja will ich nun nicht weiter ausholen.

Lass dich nicht von diesem Gedanken beherrschen, versuche sie durch Imagination zu verändern, stell dir z.B. immer wenn sie aufkommen einen Pferdeschlitten vor, in dem du  zugedeckt mit warmen Fellen mit Schellengeläut  durch die verschneite Landschaft fährst und dich freust, dazu lächelst du.
Ich weiss es klingt seltsam, aber ich habe meine Fantasie, die immer wieder hoch kam, mit einem ähnlichen jedoch absolut verrückten Gedankenspiel so endgültig aus meinem Kopf bekommen.

Schicke dir ganz viel Kraft!
Alles Liebe
Epines
 

[Nicki]

Hallo Freudestrahlend,
ich verstehe durchaus, das du den Gedanken, dich so einfach umbringen zu können verlockend findest. Du solltest aber auch bedenken, was passiert, wenn du "zu früh" gefunden wirst. Ich kannte mal jemanden, der deswegen "nur" einen Finger verloren hat.
Stell dir vor, du müßtest nach so einem Versuch ohne Hände oder Füße weiterleben...
Liebe Grüße,
Nicki

[Freudestrahlend]

Danke ihr Lieben für eure Antworten, Tritte in den Hintern, Anregungen und euer Verständnis.

Die Tragik des Lebens: Als ich Christoph Schlingensieffs Autobiographie gelesen habe, musste ich Rotz und Wasser heulen vor Bedauern, dass ich diesem Menschen mit seiner riesigen Lebenslust nicht mein Leben schenken konnte, wo ich so oft so wenig damit anzufangen weiß. Natürlich gibt es auch die anderen Tage, an denen ich einfach leben kann. Aber es gibt halt auch ganz viele, an denen ich hart daran arbeiten muss, zu leben. Den Fokus verschieben, mit Imaginationen die düsteren Bilder vertreiben, mir Wohlfühlorte schaffen, an meinem sozialen Netz weben, mir Notfallpläne für schlimme Tage machen - ich kenne und nutze das alles. Aber an manchen Tagen bin ich einfach müde und wünsche mir, dass ich so etwas wie Lebenslust einfach HÄTTE - ohne Dankbarkeitstagebücher, Giraffenjournale, Motivationswände.

Jetzt mache ich mir ein bisschen aufbauende Musik an, nehme meine Wärmflasche und mache eine kleine Gedankenreise ins Land der Freudestahlenden.
Gute Nacht!

[Sintram]

Zumal Du, Freudestrahlend,

das zweifelhafte Vergnügen winterlich geförderter Todessehnsucht noch des öfteren haben wirst, da Wissenschaftler schon seit längerem darauf hinweisen, dass durch das Schmelzen der weißen Eisflächen der Arktis und die Vergrößerung dunkler Wasserflächen die Reflexion der Sonneneinstrahlung vermindert wird, es zu Luftdruckveränderungen kommt und in der Folge-versteh auch nicht so ganz wie, aber bin ja nur Laie- der Schutzschild abgebaut wird, der die nördlichen Regionen der Kontinente bisher vor dem ungehemmten Einströmen polarer Kaltluft geschützt hat, sprich
wir in Zukunft wohl öfter mit derlei massiven Temperaturabstürzen zu rechnen haben.

Da helfen ein Spaziergang durch die grimmige Kälte und die Heimkehr in die behagliche Wohnung tatsächlich, einem diese "Flausen" auszutreiben. ;-)

LG
Sintram

[Freudestrahlend]

Ja, heute war ich bei strahlendem Sonnenschein Eislaufen auf einem See und habe mich gefreut, dass so viele nette Mitmenschen Teile des Eises vom Schnee befreit hatten, sodass wir dort toll laufen konnten.

[silent_water]

das klingt wunderbar...

[Epines]

oh wow!! So was würde ich auch gerne einmal wieder :-)

[Freudestrahlend]

Heute sind hier supermilde 17°, ich bin durch den strahlenden Sonnenschein mit dem Rad zur Arbeit gefahren, habe im Park an der wunderschönen Krokuswiese einen Augenblick haltgemacht und den Anblick in mir abgespeichter. Und bin trotzdem tieftraurig. Aber das kennt ja wohl fast jede/r hier...
In einem anderen Beitrag habe ich eine Beschreibung gelesen, die meinem Gefühl sehr entspricht: getrennt von mir sein. Ich bekomme keinen Kontakt zu den guten Gefühlen, ich weiß aber genau, dass ein (anderer?) Teil von mir sie fühlt.

Naja, heute Abend versuche ich es nochmal mit Tanzen. Wenn mein Körper in Bewegung ist, dann komme ich manchmal in ihm an. Und das fühlt sich dann gut an.

[Nostalgia]

und du tanzt ausdrucksstark. beruehrst mein herz. ich moechte mich hier nochmal oeffentlich dafuer bei dir bedanken.

[Freudestrahlend]

Danke, mela.