Auf einmal fühlt es sich nicht mehr richtig an

Begonnen von Lith, 25 September 2011, 12:38:42

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Lith

Hallo zusammen,

ich bin neu hier. Natürlich treibt mich ein Problem hierhin und ich hoffe, dass ich hier etwas Rat bekomme. Zumindest kann ich mir erstmal so einiges von der Seele schreiben. Seit meiner Jugend habe ich mit Depressionen zu tun. Mal mehr, mal weniger. In der schlimmsten Phase habe ich mich auch selbst verletzt - das ist allerdings schon viele Jahre her. Seit meiner jetzigen Beziehung hatte ich für mich das Gefühl, dass ich das alles hinter mir lassen kann und quasi nochmal neu anfange. Doch seit einiger Zeit merke ich, wie die Depression wieder zurückkommt. Bei mir kommt im moment ziemlich viel zusammen. Viele Baustellen, die mich emotional fertig machen. Alles endete nun darin, dass ich mich gefragt habe, ob ich und mein Partner überhaupt noch den selben Weg gehen. Ich befinde mich gerade auf einem Weg der Besserung - suche mir professionelle Hilfe. Doch er scheint gar nicht mehr daran zu glauben, dass ich mich quasi bessern kann, mich in den Griff bekomme. ... In letzter Zeit streiten wir uns auch öfters. Fängt mit Kleinigkeiten an, artet aber sehr schnell aus. Nun bin ich jedoch selbst zu der Erkenntnis gekommen, dass mich das alles gar nicht mehr anhebt. Ich fühle nichts - es ist mir dann quasi alles egal. Selbst wenn die Beziehung in die Brüche gehen sollte - wenn ich darüber nachdenke, fühle ich NICHTS!

Ich bin im moment sehr verwirrt und weiß einfach nicht, was ich machen soll. Mit meinem Partner kann ich nicht reden - zu oft habe ich das schon gemacht. Ihm meine Gedanken erklärt, damit er mich halbwegs versteht. Doch nach einer kleinen Weile drehen wir uns wieder nur im Kreis und ich müsste mich wieder komplett erklären und ihm offen legen. Dafür fehlt mir mittlerweile die Kraft. Ich sehe auch keinen Sinn darin, da ich bei ihm keinen Wandel erkenne. Andererseits weiß ich bzw. ahne ich, was es in mir auslösen würde, wenn die Beziehung wirklich am Ende wäre. Das würde mich gefühlsmäßig wieder 10 Jahre zurückwerfen und ich würde wieder vor einem Abgrund stehen, von dem ich über die Jahre gelernt hatte in kleinen Schritten wegzukommen.

Mein Arzt sagte mal, ich solle Probleme gedanklich bei Seite schieben, wenn ich sie selbst nicht lösen kann. Nur trifft das hier noch zu?

Ich hoffe, ich habe nicht zu verwirrt geschrieben ...

Lith

Heute hatte ich viel Zeit zum nachdenken. Eine Frage beschäftigt mich und ich würde hier gern eure eigene Erfahrung dazu wissen. Wie viel Sinn macht es denn seinen eigenes Seelenchaos mit nahe stehenden Personen zu teilen? Obwohl ich bisher noch nicht so viel Erfahrung mit einer Therapie gemacht habe, musste ich doch schon sehr oft feststellen, dass die Personen, die mir nahe stehen, doch nicht helfen können. Da kommen dann ein paar warme Worte und mitleidige Blicke. Wenn's ganz schlimm ist, kommen direkte fragen, die mich im Nachgang so sehr beschäftigen, dass sie mich emotional eher runterziehen :-/

Schließt ihr eure Partner / Freunde / Familie von euren Problemen aus? Geht das überhaupt? Ich persönlich weiß nur, dass mein Grund für eine Therapie auf alle Bereiche meines Lebens Einfluss nimmt. Von daher weiß ich nicht, ob ich die Therapie und deren Entwicklung überhaupt für mich behalten kann.

Die Therapie - mein Tabu Thema?

Alcide

#2
hallo Lith,

es ist nahezu unmöglich Dir einen Rat zu geben, was die Frage von Beziehungen mit anderen Menschen anbelangt. Niemand sieht in deine Seele, niemand in die Seele deines Freundes.
Und wie du schreibst rührt deine Ratlosigkeit ja auch vor allem von deiner eigenen Fühllosigkeit her. Du möchtest, dass dein Gefühl Dir eine Richtschnur für dein Handeln gibt, und plötzlich ist das Gefühl widersprüchlich, taub, unfähig dir eine klare Orientierung zu geben. Dann übernimmt dein Kopf die Arbeit und steht vor einem Dilemma: ein Weiterso scheint blockiert oder schwierig, eine Trennung ebenso angstbesetzt. Und das alles wird überwölbst von einem drohenden Rückfall in Verzweiflung und Depression. Du scheinst mir wie der Kapitän eines Schiffes, der einem schweren Sturm gegenübersteht und nun nicht weiß, ob er umdrehen soll oder mitten hindurch fahren soll.

Ich finde es auf jeden Fall gut, dass du an dir arbeitest und offensichtlich eine Besserung deines Zustandes auch eingetreten ist. Eine Quelle von Depression ist ja auch häufig, dass man sich selbst und die Dinge nur mehr statisch und unveränderlich wahrnimmt. Du hast erkannt, dass es eine Dynamik hin zu mehr Glück und Ausgeglichenheit gibt; vielleicht ist das etwas, das deinem Partner auch ängstigt, weil er fürchtet du könntest dich dadurch verändern. Vielleicht ist er so wie es läuft ganz zufrieden und versteht gar nicht so recht worauf du immer hinaus willst. Aber da interpretiere ich schon zuviel.
Es ist nicht immer leicht mit der Kommunikation: versuche in Gesprächen nicht vorwurfsvoll zu sein, denn dein Partner wird sich versuchen zu rechtfertigen und das ganze endet in einem unergiebigen Hin und Her. Sag' ihm wie Du empfindest und was du Dir erwartest (aber ohne Vorwurf): also nicht: 'Warum kannst du mich einfach nicht verstehen? Du unterstützt mich nicht in dem was ich tue...', sondern mehr im Sinne von: 'Ich fühle mich nicht unterstützt von Dir. Ich wünschte mir, du würdest mich besser verstehen...' Sind jetzt schlechte Beispiele, ich weiß, aber du verstehst was ich meine. Und gib' deinem Partner auch die Möglichkeit über seine Empfindungen zu sprechen. Vielleicht ist die eine oder andere Anregung dabei, aber wahrscheinlich handhabst du es ohnehin schon so ähnlich, dann entschuldige.

Was das Problemteilen betrifft: ich persönlich mache alles mir mir selbst aus. Familie ist keine Hilfe. Freunde belaste ich nicht damit oder bringe es humorvoll, wenn nicht möglich bleibt nur Einsamkeit und Ablenkung. Dies ist nicht zur Nachahmung geeignet. Jeder Charakter ist anders...

weiterhin alles Gute,
Alcide

Lith

Danke, Wohlstandspudel, für deine Antwort.

Ich fühle mich momentan von niemandem richtig verstanden. Außer in der (beginnenden) Therapie. Aber da kommen ja keine Versuche dies oder jenes zu erklären. Da hört man mir einfach nur zu. Ich weiß, dass es wichtig ist, zu reden. Gerade für mich - wo ich sowas noch nie zuvor getan habe. Die Therapie steht also keinesfalls zur Debatte. Viel zu lange schon habe ich diese Probleme vor mir hergeschoben und verdrängt.

Die Aussage meines Arztes bezog sich darauf, wie ich mich verhalte, wenn ich für mich gedanklich an eine Stelle komme, wo ich merke, dass ich das nicht gleich sofort allein lösen kann. Inwieweit man das auf den Alltag und auch welche Probleme noch ummünzen kann, muss ich noch herausfinden.

Die Geduld und Zeit für die Therapie will ich mir nehmen. Doch mittlerweile spüre ich den Druck, der da auf mir lastet. Gerade für meine jetzige Beziehung. Scheinbar soll hier alles von mir abhängen, in welche Richtung es geht. Und das kann ich mir beim bestehen Willen nicht vorstellen. Denn nicht nur ich allein lenke in dieser Beziehung das Schiff. Da ist auch viel Arbeit von meinem Partner erforderlich. Nur weiß er das scheinbar nicht :,(

Trennung - zum einen eine simple Lösung. Zum anderen sind wir momentan an einem Punkt in der Beziehung, wo das nicht mehr so einfach geht. Leider muss ich dazu sagen. Denn hätte ich die Erkenntnisse, die ich jetzt habe, noch vor einem halben, dreiviertel Jahr gehabt - ich wüsste nicht, wo ich dann heute stehen würde. Und das tut so sehr weh. Als wenn es nicht reicht, dass die eine Seite meines Lebens zusammengebrochen ist. Jetzt steh ich auch noch vor diesem Problem. Dabei war ich felsenfest davon überzeugt, dass das nie passieren würde.

Danke auch an dich, Alcide.

Deine Worte klingen für mich sehr vertraut. Siehe oben meine Bemerkung zu dem Schiff (da hatte ich deinen Beitrag noch gar nicht gelesen).

Bis jetzt dachte ich, dass ich einen richtigen Weg eingeschlagen habe. Damit für mich vieles endlich mal normal werden kann und nicht immer mit Ängsten belastet ist. Auch wenn das die letzten Jahre nicht so war (und mich mein Partner deshalb so, wie ich jetzt bin, gar nicht kennt), weiß ich doch jetzt schon, dass das alles nur Fassade war. Innerlich habe ich das alles, was momentan so in mir hochkommt nur verdrängt. Und das auch sehr gut.

Mein Partner versteht bis zu einem gewissen Grad schon, warum ich die Therapie will. Doch irgendwann hat sein Verständnis aufgehört. Klar, er kann das alles ja gar nicht nachvollziehen. Wie soll man das dann auch verstehen können? Er versteht nur meine ganzen Reaktionen nicht. Wieso ich auf dies und das so und so reagiere. Bisher wollten wir das immer gemeinsam angehen und für uns soweit bearbeiten, dass wir das für mich und für uns in den Griff bekommen. Doch jetzt, seitdem ich die Therapie so langsam begonnen habe, habe ich eben das Gefühl, dass die Arbeit nun allein an mir hängen bleibt. Natürlich weiß ich, dass ich viel tun könnte, wenn ich ihn nur "reinlassen" würde in meine Welt. Doch zu wissen, dass er das eh nie verstehen würde, lässt mich davon abschrecken.

Viele Gespräche haben wir schon geführt zu dem Thema, warum er mich nicht versteht. Ich habe ihm aufgezeigt bzw. zeigen wollen, wie ich so ticke. Doch ich glaube das überfordert ihn. Und jetzt, wo er eh nicht weiß, wie es in mir drin aussieht, bin ich noch mehr ein verschlossenes Buch für ihn. Und klar, dass dann Worte von ihm kommen, die so überhaupt nicht passen, dass ich das schon wieder als Angriff sehe... Doch ich habe einfach nicht mehr die Kraft. All meine Kraft geht schon in die beginnende Therapie. Wie soll ich dann noch Kraft finden, um das Problem mit meinem Partner zu lösen? Soll ich mich denn immer nur erklären?

Ich denke auch, dass es richtig sein kann den engeren Kreis von dem eigenen Seelenchaos fern zu halten. Für mich ist das mittlerweile eh nur noch möglich, da ich in der Therapie schon so viel von mir preisgegeben habe, was mein engerer Kreis gar nicht von mir weiß. Vielleicht fühle ich mich so nicht mehr so unverstanden...

Alcide

#4
hallo Lith,

du stellst deinen Freund wohl auch vor eine schwierige Aufgabe, wie mir scheint. Du willst Verständnis, gleichzeitig aber legst du dich nicht offen, weil du sagst, er hätte für deine Welt, deine Abgründe, deine Verletzungen, kein Verständnis oder könnte damit sowieso nicht umgehen... Das wird wohl so sein, wenn du dir dem so sicher bist. Nun, vielleicht lohnt es sich dennoch dich zu hinterfragen, ob der Anspruch auf tiefgreifendes Verständnis und 'gemeinsames' Durchschreiten deiner Verletzungen und Therapieerfahrungen, nicht doch zu hoch gegriffen ist... Du hattest auf dem Weg, den du nun einschlägst eine Vorstellung, wie ihr das gemeinsam durchstehen werdet. Offensichtlich ist nun deine Vorstellung enttäuscht worden.

Aber es gibt noch andere Aspekte in einer Partnerschaft, die wichtig sind: etwa sich respektiert fühlen, sich anlehnen können, Ruhe finden können im Beisein des anderen. Wenn du nur einseitig deinen Wunsch nach Verständnis überbetonst, dann entgehen Dir vielleicht die anderen (realistischeren?) Beiträge, die dir dein Partner geben kann...

Gut, dass du die Therapie weiter durchziehen möchtest. Habe das auch schon von vielen anderen gehört, wie belastend es ist, wenn psychische Komplexe aufgearbeitet werden. Lg, Alcide!

Lith

Ich verstehe einfach nicht, wie er sich so verhalten kann, wenn wir schon so oft über mich, meine Empfindungen gesprochen haben und wie was bei mir ankommen kann. So oft habe ich ihm schon gesagt, er soll sich doch bitte mal in meine Situation versetzen oder erst darüber nachdenken, bevor er was sagt. Doch all das scheint bei ihm nur für 1-2 Wochen anzuhalten und dann ist das wieder weg. Und der Kreislauf fängt von neuem an. Deshalb kam nun der Gedanke in mir hoch, dass es wohl besser ist, wenn ich ihm nichts mehr erzähle. Doch wie viel Sinn macht dann noch eine Beziehung - wenn er gerade über meine Abgründe so gar nicht Bescheid weiß?

Ein für mich prägendes Erlebnis war, dass ich ihm von meinen Gedanken erzählt habe, die ich mir im Zusammenhang mit der Therapie mache. Ich wollte einfach nur reden, nichts weiter. Doch statt nur zuzuhören hat er fast jede meiner Bemerkungen auseinander genommen und zu erklären versucht. Doch er ist nicht mein Therapeut! Das habe ich ihm dann später, nachdem sich meine Wut darüber gelegt hatte, auch gesagt. Keine Ahnung, ob er sich nun daran halten würde.

Die Aspekte der Partnerschaft. Momentan fühle ich mich nicht respektiert. Nach einem Gespräch bekam ich den Eindruck, dass er mich eh für total kaputt hält. Dass er erstmal die Therapie abwarten will, bevor er weitere Schritte für unsere Partnerschaft macht. Anlehnen konnt ich mich bisher ganz gut an ihn - doch das, was ich momentan durchmache, ist ein Sch*** gegen das, was ich bisher mit ihm geteilt habe. Ruhe finde ich bei ihm und mit ihm nicht. Selbst wenn ich mich dazu mal äußere, dass ich hier und da lieber mal nen Gang zurückschalten will, übergeht er das. Er setzt da eben seine eigene Empfindung an und will mein Nein nicht akzeptieren. Es ist halt alles momentan ziemlich verfahren. Und ich weiß auch nicht, ob ich da überhaupt wieder raus will oder ob es das dann quasi war. Ich scheue mich vor der Konfrontation mit diesem Thema - wortwörtlich. So schweige ich seit einigen Tagen - und er geht mir aus dem Weg.

Ich versuche mich nur bis zum nächsten Therapiegespräch zu retten. Ich hoffe, dass ich dort Rat finden kann oder dass mir ein anderer Blick auf meine Gedanken gegeben wird. Ich schiebe also gerade wieder etwas vor mir her...

Brianne

Denk mal über Trennung nach..
Veänderung ist schwer am Ende aber oft etwas positives.


Lg Brianne

Lith

Einige Zeit ist vergangen. Zeit, in der ich viel über mich erkannt habe...

Danke für eure Ratschläge. Auch wenn sich diese für mich als absolut falsch herausgestellt haben. Dank Psychiater an meiner Seite kann ich versuchen viele Gefühle einordnen zu lernen. Denn nicht alles, was man fühlt, passt auch gleich in die erst beste Schublade. So muss eben auch nicht das erste Gefühl des allein-gelassen-werdens korrekt sein. Es ist eben nur eine Empfindung.