Habe Überweisung zum Psychotherapeuten...

Begonnen von Anton, 22 Februar 2011, 22:12:25

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Anton

...weiß aber nicht wie eine Therapie funktionieren soll. :(

Ich bin fast 50 Jahre alt und in meinem Leben gab es ein paar gravierende Dinge, die nie wirklich aufgearbeitet wurden. Das rächt sich jetzt. Ich befinde mich in einer heftigen Krise, leide an extremen Schlafstörungen, meide andere Menschen, gehe am liebsten nur Nachts im Dunkeln auf die Straße, wenn ich unter Menschen bin fühle ich mich sehr verkrampft und unwohl, es plagen mich Träume und Wachträume, ein konstanter Strom von Bildern und Gefühlen...

Ich habe immer mehr Leiden, die evtl. psychosomatisch sind: Migräne mit Aura, Rheuma, Verdauungsprobleme, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, allgemeine Erschöpfung usw usf...

Vom Hausarzt gings zum Neurologen, von dem zum Psychiater und nun von dort muss ich mir einen Therapeuten suchen. Aber ich bin eigentlich sehr verschlossen und wie soll so eine Therapie erfolgreich sein? Natürlich sehe ich inzwischen ein, dass ich mit meinem Latein am Ende bin und ich professionelle Hilfe annehmen muss. Aber ich fürchte, dass ich dann, wenn es konkret wird, gar nicht die wirklich bedrückenden Dinge aus meinem Leben, die lange verborgenen und ignorierten Geschehnisse thematisieren werde. Es ist eben alles mit Schmerz und Scham besetzt, eben darum habe ich es ja immer so tief vergraben und selbst vor mir verborgen. Und nun soll oder muss ich es mit einem Fremden teilen? Ich ahne, dass mir das sehr sehr schwer fallen wird.

Aber jetzt muss ich erst mal überhaupt mit meinem Überweisungsschein einen Therapeuten finden...

Anton

Danke für den Tipp, alle, also Hausarzt, Neurologe und Psychiater, haben mich darauf vorbereitet, dass die Suche nach einem Therapeuten lange dauern kann. Zum Glück kann ich mich in dieser Zeit an die genannten wenden, und zudem habe ich Chlorprothixen verschrieben bekommen, was in der Not helfen kann. Leider waren meine Anläufe bei der psychiatrischen Ambulanz eher negativ (telefonisch nicht erreichbar, personell völlig unterbesetzt und überlastet...).

Adrenalinpur

Hallo Anton,

ich möchte dir mal meine Gedanken schreiben. Auf dem Weg des Lebens passieren soviele Ereignisse die man aufnimmt, registriert, aber denen man nie nachgeht weil man glaubt, alles wird sich bald zum guten ändern. Aber im Unterbewusstsein sammeln sich Dinge an, die nie verarbeitet wurden, immer mehr. Der Alltag verdrängt sie wieder aber es brodelt. Trennungen, Trauer, Enttäuschungen, Sebstzweifel und vieles mehr. Das Gehirn ist wie eine geheimnisvolle Datenbank, es muss im zu funtkionieren, Dinge auslagern die aber doch immanent sind. Irgendwann platzt diese Datenbank und das Unterbewusstsein macht körperliche Reaktionen - alles ist drin von Migräne, Allergien, Infektionen, Rheuma -alles.

Wenn du jetzt Therapie machsr ist das super! Bitte öffne dich aber dem Therapeuten, und sage ihm jede kleine Sache die dir passiert ist, was du träumst denkst und machst. Ein Theapeut braucht Interaktion und Vetrauen und dann wirds super gut.

Träume mal als Beispiel: manchmal komm ich total kaputt heim, denke ich schlafe bissel. Dann explodiet mein Unterbewusstsein, alles was mich bschäftgt kommt raus, weil ich ihm 30 Minuten ne Chance gebe, aber was da paasiert ist schmerzhaft.

Anton

Adrenalinpur!
Das sind treffende Worte.
Danke, das hilft.

Leon

Hallo Anton,

habe selbst schon die 40 überschritten und mein Weg ging über Hausarzt - Neurologe zur Therapie (ambulante Verhaltenstherapie). Die Suche nach dem richtigen Therapeuten war nicht einfach aber hat sich gelohnt. Ich habe gute Erfahrungen mit einer Ausbildungsstätte gemacht, in der Therapeuten sich fortbilden und unter Supervision Therapien durchführen. Das kann ich wirklich empfehlen, denn solche Therapeuten sind extrem motiviert und arbeiten sehr sorgfältig.

Auch ich hatte Bedenken und Angst, an Dingen zu rühren, die schmerzhaft sind. Es war, als stünde ein heißer Dampfdruck-Kochtopf neben mir mit all dem Scheiß (sorry) der Vergangenheit. Ich wollte diesen Topf voller Druck nicht anfassen - auf der anderen Seite wusste ich, dass mir das Ding irgendwann um die Ohren fliegt, wenn ich nur nichts mache. Der Leidensdruck wurde dann immer größer...

In der ersten Therapiestunde habe ich meiner Therapeutin dieses Bild vom Dampfdruck-Kochtopf erzählt. Sie sagte, es wäre ganz falsch, in der Therapie nun einfach den Deckel zu öffnen - das hätte katastrophale Folgen. Man geht so vor (bildlich gesprochen): Man schaltet die Herdplatte aus und nimmt den Topf erstmal von der Flamme, damit er abkühlen kann und der Druck abnimmt. Erst dann, wenn man gefahrlos den Deckel abdampfen und öffnen kann, schaut man rein und nimmt sich den Inhalt vor.

Ich wünsche Dir einen Therapeuten, der in dieser Weise zielstrebig und zugleich behutsam vorgeht. Trotzdem - die Hauptarbeit und die Hauptanstrengung bei der Therapie liegt bei Dir - es lohnt sich. Ich konnte nach einem halben Jahr die Medikamente auf die Hälfte reduzieren und bis Mitte dieses Jahres wollen wir sie ganz absetzen.

Lass Dich auch gut beraten, welche Therapieform die richtige ist. Die Psycho-Analyse ist nicht immer das richtige. An der Verhaltenstherapie gefällt mir sehr gut, dass man zwar das "Bedingungsgefüge" des bisherigen Lebens anschaut, aber immer sehr gegenwartsbezogen arbeitet und lernt, die Dinge aus völlig neuen Perspektiven zu sehen.

Dir von Herzen einen guten heilsamen Weg und - lass mich das so sagen: Gottes Segen.

Leon