Wie würdet ihr Depression beschreiben?

Begonnen von DarkJayRose(Guest), 21 Juli 2010, 22:48:42

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DarkJayRose(Guest)

Ich war gestern mit meiner Freundin unterwegs
wir haben viel geredet
Und mir war aufgefallen, dass weder meine Freunde noch meine Familie wirklich wissen
in wie weit eine Depression eigentlich geht
Meine Familie denkt, ich sei einfach ein ruhiges Mädel und auch gern allein
meine Freunde wohl auch.
Dann hatte ich sie mal gefragt, ob sie sich eine Depression vorstellen kann...
nein das konnte sie nicht und ich sollte es doch mal irgendwie erklären.
Ich sagte dann,

Stell dir vor du treibst im Wasser
Jeder Mensch treibt in einem Gewässer, das wir "Gedanken" nennen
Und manchmal wird man mit der Strömung weggerissen
Ein gesunder Mensch kann sich halten und wieder in flachere Gewässer schwimmen
aber ein Depressiver hat kaum Kraft dazu und wird raus gerissen
Gesunde Menschen können ab und zu ans Ufer gehen, um zu verschnaufen
aber ein Depressiver treibt zu weit draußen... er ist im Ozean der Gedanken gefangen
und wird häufig von den Strudeln hinunter in die Tiefen gezogen
Je schwerwiegender die Depression desto weniger Kraft hat man an der Oberfläche des Wassers zu bleiben
Und wenn man gar keine Kraft mehr hat muss man bis an den Matschigen Boden
Ganz nach unten in die Tiefe
Ohne Orientierung
Ohne Hilfe
Ohne Halt
wenn man dann unten im Schlamm ist und voll von dem Sud der Gedanken
dann kann man sich mal abstoßen um vielleicht wieder die Oberfläche zu erreichen.

Sie konnte sich das dann sehr gut vorstellen und hat sich bei mir für das Bild bedankt und dass sie mich jetzt besser verstehen kann.
Wart ihr auch schonmal in einer solchen Situation?
Was habt ihr da gesagt?

Wäre toll wenn ich eure Beschreibungen lesen könnte

Die allerliebsten Grüße
Eure
DarkJayRose

EngelCarmen

Ich finde die Beschreibung sehr gut!!
Sehr bildlich. Sehr greifbar.

Mich hat noch keiner gefragt. Ich denke ich würde sie als eine Art schweren schwarzen Schleier beschreiben,
der sich über mein Denken legt, Ängste verstärkt, mich keinen Sinn mehr im Leben sehen lässt und mir alle Hoffnung nimmt.
Ein bisschen, als ob das Leben aus einem herausgesogen würde.

Ina

Huhu liebe Jay,

das hast Du symbolisch sehr schön umschrieben! Gerade dieses Symbolische
kann es anderen Menschen besser verdeutlichen, als wenn man ihnen einfach
knallhart die Symptome auf den Tisch haut. So ist es einfach anschaulicher,
besser verständlich, nachvollziehbarer.

Vielleicht könnte man es auch so umschreiben:

Ein "gesunder" Mensch trägt eine stark lodernde Flamme in sich, die zwar manch-
mal etwas ruhiger wird, sich aber immer wieder schnell erholt und neu entflammt
und in verschiedenen bunten Farben brennt.
Bei einem Depressiven ist es keine Flamme, sondern nur ein kleiner, einfarbiger
(schwarzer) Funken, eine Glut, die oft droht, auszugehen. Manchmal ist der Depres-
sive kurz davor, die Glut zu einem Feuer zu entflammen, doch so ganz schafft er es
nur sehr selten - und wenn, dann geht die Flamme schnell wieder aus und verbleibt
als einsamer Funken zurück, der immer in Angst lebt, zu verglühen, sprich auszuge-
hen.


Liebe Grüße,
Ina
Love is God's favorite daughter. (David Crosby)

Ina

Kein freies Herz, sondern eine Klammer aus Sehnsucht, Schmerz, Hoffnungs-
losigkeit und Traurigkeit darum geschnürt...... Das Herz, die Seele sind in einem
Käfig gefangen, dessen Gitterstäbe nicht zu durchbrechen sind, weil man zu
schwach, müde und kraftlos ist....

Love is God's favorite daughter. (David Crosby)

WeirdLife

I decided not to give up today. After all, it sure would have been a waste surviving all that other bullshit for nothing.

Strider

Meine depressionen kommen wie eine dunkle wolke. Kalt, lautlos, unbarmherzig
Es ist grad noch strahlend hell in mir, in meinem kopf.
Dann kommt die dunkelheit. Ich kann spüren wie mein kopf sich mit ihr anfüllt.
Sie kommt rasend schnell, ich kann keinen ansatz sehn, keinen auslöser erkennen.
Ich kann  fühlen wie die dunkelheit in meinen kopf eindringt, sich ausbreitet und sich auf alles denken legt.
Sie bringt das gefühl des inneren todes mit sich, wie leergelaufen an jeglichem willen, an jeglichem wollen.
Es gibt nichts mehr zu bejahen, nur noch aufhören.
Es ist kein schmerz, es ist die totale sinnleere.
Das atmen wird schwer, unendliche gleichgültigkeit und todeswunsch!

Es kommt alles zum stillstand, totalitär, brutal, hoffnungslos. -.-

mond(Guest)

Hallo ihr lieben,

toll umschrieben...nur wenn ich meiner Familie so geantwortet hätte - ich glaub sie würden mich dann
in die Schublade "irre" stellen.

Nicht falsch verstehen - ich kenne meine Familie und weiß - wie sie im allgemeinen auf mich reagieren und es hat
nichts mit Euren beschreibungen zu tun. Sondern eher - wie meine Familie mit dem Thema im allgemeinen umgeht.
Sie können mit diesen Beschreibungen halt nichts anfangen.

So würde ich es beschreiben...wenn sich meine Familie dafür mal interessieren sollte:

Keine Lust mehr am Leben - man fühlt nichts mehr.
Man weiß, das man sich in manchen momenten freuen müsste - aber man fühlt diese Freude nicht.
Jeder Tag ist nur ein "ihn schaffen" und hoffen, das er bald vorüber ist.
Man möchte viel machen - aber merkt irgendwann, das es nicht geht.
Man möchte endlich die Fenster putzen - fängt auch damit an und hört aber nach kurzer Zeit wieder auf, weil
die Kraft fehlt weiter zu machen.

Müdigkeit - Lustlos obwohl man gerne was tun möchte.
Sehr viel Überwindung - und ganz viel alleine sein wollen.

In Gedanken möchte man sagen, das es einem vll. grade schlecht geht - aber man kann es nicht.
Es sind die eigenen Gefühle - die in einem drin bleiben müssen.
Traurigkeit - aber kein Mitgefühl für andere.

Heute hätte ich geantwortet:
Man setzt sich ins Auto - und überlegt während der Fahrt - warum man nicht einfach das Lenkrad nach rechts dreht -
vorher die Augen zu machen und an diejenigen denken - die einem wichtig sind.
Dann nur noch den Aufprall merken - egal ob man den Baum getroffen hat oder nur im graben gelandet ist.
Man hofft - das es der Baum ist.

Und man fährt doch gradeaus - und wird noch trauriger - weil man nicht das machen kann - was man in dem Moment fühlt.
Irgendwann wechselt es - und man wird traurig - weil man aus diesem Loch nicht mehr raus kann.
Man versucht alles - und es klappt für kurze Zeit - bis der Moment kommt - wo man eine Pause vom durchhalten braucht.
Wenn die schlechten Gefühle einfach da sein müssen - weil sie einen sonst erdrücken.
Man will das alles nicht fühlen - aber es ist da. Man kämpft jeden Tag - macht das was man muss und für den Rest des Tages ist man nur noch müde - kraftlos und möchte am liebsten niemanden mehr sehen.
Schwierig wenn man Kinder hat.....



Man möchte wieder lachen - so richtig aus tiefstem Herzen - aber irgendwas erlaubt das nicht.
Lachen verboten - schöne Gefühle können nicht sein.

Naja..ich zweifel, das man die tatsächlichen Gefühle, die in einer schlimmen Zeit da sind eh nicht in Worte fassen kann.
Manchmal tut es auch einfach nur weh....

lg

Ina

Love is God's favorite daughter. (David Crosby)

Fee


... ein unabänderbarer,tiefer,laut schreiender,für andere
unvernehmbarer,alles vernichtender,scheinbar für immer dort bleibender Schmerz ,in meinem Brustkorb gefangen.

So schmerzhaft und doch so unerträglich gefühllos alles.
Erträglich nichtmal mehr auch nur eine Minute.
Und trotzdem noch Stunden,Tage,Wochen,gar Monate einmal, bleibend.

Von mir,für mich verbotenes Jammertal,ohne ein mögliches Entrinnenkönnen .

Mit einer alles noch schlimmer machenden Unausredbarkeit des Wissens:

"Diesmal geht "ES" niemehr weg !"





DarkJayRose(Guest)

Ich finde es so schön, dass ihr euch öffnet und beschreibt was ihr fühlt.
Ich kann mich auch in allen euren Worten wiederfinden.
Ist es nicht erstaunlich
wir fühlen alle so gleich und doch so verschieden.

Sintram

#10
Wirklich ein hochinteressantes Thema.
Absolut lesenswerte Beiträge, finde mich je nach Stadium in allen wieder, der von Fee kommt mir noch am nächsten.

Ich habe schon so viele Versuche unternommen, eine schwere Depression zu beschreiben- wurde auch oft genug gefragt- dass ich mit Sicherheit weiß, dass es schlicht ein Ding der Unmöglichkeit ist.

Ich sag immer in etwa so:

Stell dir den schlimmsten Schmerz vor, den du je erlebt hast, die größte Angst, die dich je überfallen hat, die mächtigste Trauer, die dich je erdrückt hat, nimm deine finstersten Stunden der Verzweiflung und Einsamkeit, deine schrecklichsten Albträume und rechne sie hoch bis unendlich, stell dir also alles an Qual vor, das du dir vorzustellen in der Lage bist...

und dann stell dir vor, dass du vollkommen sicher bist, die absolute Gewissheit in dir trägst, dass dieser Zustand fortdauert und anhält, dauernd, immerzu, jede Sekunde und in alle Ewigkeit. Dass es kein Entrinnen, kein Entkommen, keinen Ausweg und kein Ende gibt.

Kurzum: Stell dir die Hölle vor, dann bekommst du in etwa eine Ahnung davon, was Depression bedeutet.

Die Leute sagen dann immer: Wahnsinn. Nein, das brauch ich nicht.
Und dabei ist meine Umschreibung purer Euphemismus, weil die Qual eines schweres Schubes menschliche Vorstellungskraft um ein derart Vielfaches übersteigt, dass es keine sprachlichen Begriffe mehr gibt dafür.
Höchstens ein paar hilflose Vergleiche: So groß wie das Weltall, so groß wie die Ewigkeit.

Aber da das vorher Gesagte meinen Mitmenschen vollauf genügt, um sich schaudernd zu schütteln, behalte ich das für mich. Schreib´s höchstens mal in ein Depressionsforum. Da ist es gut aufgehoben.




...

mond(Guest)

Mein Empfinden grade:
Der Satz:

" die mächtigste Trauer, die dich je erdrückt hat"

ich denke, da kann man am besten nachvollziehen, was es bedeutet. Aber auch nur, wenn man an die Trauer um jemanden, den man über alles geliebt hat, denkt
Den Verlustschmerz dabei weggedacht - sondern nur diese Ohnmacht, den Schmerz und vll. die Frage nach dem Sinn, die mann dann fühlt.


Ina

Eure Beschreibungen gefallen mir alle sehr gut und ich kann mich, wie
hier ja auch schon einige sagten, in allem irgendwie wiederfinden. Es ist
ein gutes Gefühle zu wissen, dass man nicht alleine ist und dass andere
ähnlich fühlen! Vor allen Dingen denke ich oft, dass meine Beschreibun-
gen absolut dramatisierend und theatralisch sein - aber hier sehe ich,
dass es bei anderen Depressiven auch nicht anders ist! :)

Love is God's favorite daughter. (David Crosby)

MsVampire(Guest)

Okay, ich bin ja im Forum eigentlich nicht aktiv. Aber die Frage hat mich dann doch gefesselt.
Besonders schön fand ich den Vergleich mit dem Meer. Das ist wirklich ein unglaubliches Bild. Und ich mag anschauliche Bilder.

Bei mir haben sich bezüglich Depressionen zwei Zitate eingebrannt, die von zwei meiner Lieblingsautorinnen stammen.
Die eine (Marianna Kestler) schrieb in etwa: Die Depression ist die Krankheit der Losigkeiten: kraftlos, leblos, gefühllos, ziellos, mutlos, lustlos, hoffnungslos...
Die andere (Elisabeth Wurtzel) schrieb, die Depression sei eine "dark wave", die sie zu verschlingen drohe.

Ich finde mich in beiden Beschreibungen teils wieder, wie auch in euren, und teils fehlt mir dann doch noch was.

Ich rede gerne vom Tanz am Abgrund, von dem ich nicht lassen kann, obwohl ich weiß, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich falle. Inzwischen glaube ich begriffen zu haben, dass das nur der Anfang ist. Der Tanz am Abgrund ist die Phase, in der ich gerade den Bereich der normalen Niedergeschlagenheit verlassen habe und eigentlich schon falle, aber es noch nicht wirklich begriffen habe. Wenn es mir gut geht, denke ich über den Abgrund gar nicht nach.
Was mir bei der Beschreibung von Marianne Kestler immer wieder fehlt, ist der Schmerz. Denn der ist da. Ich bin nicht schmerzlos. Gelegentlich ist mein Schmerzempfinden gedämpft, was physischen Schmerz angeht. Aber der seelische ist da. Es ist eine Mischung aus absoluter Leere und Schmerz. Ich denke manchmal, vielleicht ist es nicht in dem Sinne Schmerz, sondern das Gefühl, dass die Leere verursacht. Das ziehen des Vakuums.
Mir wird alles egal, ein Stück weit. Und doch hält mein rationales Denken geradeaus. Ich kenne den Gedanken mit dem Autofahren und dem Baum gut. Den habe ich auch immer wieder. Und dann schaltet sich meine kleine rationale Stimme ein und schimpft "Damit würdest du so vielen wehtun. Dazu hast du nicht das Recht." Und ich fühle mich noch schuldiger und elender und möchte am liebsten nur noch heulen, weil ich so egoistisch bin, mir solche Sachen auszumalen.
Die Depression betäubt. Sie betäubt nicht nur die Freude. Bei mir schafft sie es, sogar Angst zu betäuben. Wenn ich eine gewisse Intensität an depressiver Stimmung erreicht habe, kommen nichtmal Phobieauslöser soweit zu mir durch, dass ich Panik bekomme.

Bei mir sind gerade depressive Stimmungen von Zwiespalt geprägt. Da ist das Stimmchen des Gefühls, das jammert, dass es alles furchtbar ist, dass alles wehtut, alles sinnlos ist, dass ich allen egal bin, alle nur auf mir rumtrampeln, ich der absolute Loser bin und sich das niemals ändern wird. Und dann ist da das Stimmchen der Vernunft, die sagt, dass ich Freunde habe und Familie, die mich mögen, auch wenn es manchmal Probleme gibt, dass es zwar immer Leute gibt, die erfolgreicher sind als ich, aber auch viele, die das nicht sind. Und es sagt mir immer wieder, dass es bisher immer wieder besser geworden ist. Und dass es das dieses Mal auch wird, irgendwann und irgendwie. Ich kippe dann hin und her zwischen dem "Es ist furchtbar und wird immer so bleiben" und dem "Es ist furchtbar, aber irgendwann wird es besser".

Ich glaube, die depressiven Phasen sind bei mir vor allem verkörpert durch das Stimmchen, das sagt:
Keiner mag dich! Keiner hat dich lieb! Keiner interessiert sich für dich! Du bist allen egal! Du bist faul! Du bist unsensibel! Du bist egoistisch! Du bist eingebildet! Es ist egal, was mit dir wird! Du wirst ohnehin niemals wirklich etwas auf die Beine stellen! Du bist eine gescheiterte Persönlichkeit! Und nichts davon wird sich je ändern! Du wirst einsam und alleine vor dich hinvegetieren und eines Tages sterben, ohne, dass es jemand merkt!

Ich hoffe, das war jetzt nicht Thema verfehlt. O:)

25Watt

Hallo,
hier noch ein Link (leider bisher nur auf englisch),  der es gut beschreibt, wie es ist mit starker Krafteinschränkung zu leben.

The Spoon Theory
by Christine Miserandino www.butyoudontlooksick.com
http://www.butyoudontlooksick.com/articles/written-by-christine/the-spoon-theory-written-by-christine-miserandino/

Gruß

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