Dem Freitod auf der Spur - TRIGGER

Begonnen von Sintram, 15 Juli 2010, 10:18:46

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Sintram

#15
Ich empfand die Welt spätestens im Kindergarten als fremd und bedrohlich.
Mit etwa sieben fiel ich zum ersten mal bewusst in ein tiefes schwarzes Loch und kam wochenlang nicht mehr so recht raus.
Das wiederholte sich regelmäßig.
Sicher, ich habe entdeckt, ausprobiert, gespielt und getobt wie andere Kinder auch. Viel "gerauft".

Gleichzeitig starb ich nachts tausend Tode vor Angst, wenn ich an der Gartenhecke des Elternhauses vorbeigehen musste. Sie verkörperte das, was im Haus auf mich wartete.

Es ist eine sehr lange Geschichte, aber grundsätzlich würde ich sagen "Ja".
Ohne es freilich zu wissen, ich empfand meinen Horror vor dem Leben als völlig "normal".

Madele

Hallo Sintram

Es ist ja eine geballte Ladung die du dagelassen hast, aber in jedem wort erkenne ich meine Gedanken, DU hast sie ausgedrückt, besser hätte ich das auch nicht schreiben können diese tiefen empfindungen die uns um den Verstand bringen, ich muss dir einerseits gratulieren, du hast noch den sogenannten " Durchblick" du siehst und erkennst noch, du hast noch worte um den wahnsinn auszudrücken um ihm einen Namen zu geben. Mir geht das mittlerweile ab, ich habe keine worte mehr, ich sehe nur noch, unfähig das was ich sehe und was sich in mir abspielt nennen zu können. Könnte ein Problem werden beim anstehenden Arztbesuch.

Fühle mich an die wand genagelt, glaube jetzt verstehe ich die Menschen die sagen, alles was ich nicht sehe das existiert nicht, denn würden sie sehen was sie sehen dann würden sich die kliniken schlagartig füllen.

Liebe grüsse


Sintram

#17
Hallo Madele,

oh, auch ich musste mir die Worte nach und nach mühsam erringen. Sprachlosigkeit kenne ich sehr gut.
In der Klinik beispielsweise verbrachte ich drei oder vier Wochen mehr oder weniger schweigend, dachte immer nur:
"Weshalb bin ich eigentlich hier? Alle um mich her sind schwerkrank und leiden entsetzlich, da versteh ich das ja, aber ich-
ich wollte mich doch nur umbringen."

Es ist ein sehr mühsamer und unendlich langsamer Weg zurück ins Leben, aber das weißt Du ja selbst.
Und der Gedanke, was los wäre, wenn alle plötzlich alles so sehen würden, wie es wirklich ist...
ist grauenvoll.

Lieben Gruß
Sintram

Sintram

So wie der Mensch und alles im Leben zwei Seiten hat, so hat es auch der Freitod.

Fangen wir mal mit der dunklen an. Der Schuld. Dem Schaden, den er anrichten kann.

Ein Schulfreund von mir, den ich als gutmütigen und friedfertigen Menschen in Erinnerung habe, hat sich als junger Erwachsener erst die Pulsadern geöffnet und, nachdem er gerettet werden konnte, im Krankenhaus aus dem Fenster gestürzt.

Er war Bauer, hatte Landwirtschaft studiert und war frisch verheiratet. Die Ehe funktionierte jedoch von Anfang an nicht, wie das so vorkommt, und seine Frau traf die Entscheidung, ihn zu verlassen, bevor Kinder ins Spiel kommen und weil immer einer den ersten Schritt tun muss.

An sich keine große Geschichte. Nur leider sah er das etwas anders, weil er ohne seine Frau keinen Sinn mehr in seinem Leben erkennen konnte und daraus den offensichtlich unabwendbaren Schluss gezogen hat, dasselbe zu beenden.

Und die Frau, ich kannte sie flüchtig, oder vielmehr Witwe wird zeitlebens mit dem Vorwurf zu tun haben, ihn auf den Gewissen zu haben. Erst mal von seiten der Umwelt, vor allem aber vor sich selbst. Irgendwo in einer verborgenen Kammer ihrer Seele dürfte sie sich bis heute als Mörderin fühlen.

Und das ist tatsächlich ein Problem.

Jeder Freitod geschieht in einem sozialen Umfeld. Und immer und überall lässt er Leute zurück, die sich schuldig fühlen, und sei es das Pflegepersonal im Krankenhaus, das sich vorwirft, nicht genug auf den Verzweifelten aufgepasst zu haben.

Irgendjemand fühlt sich immer schuldig am Tod des "Selbstmörders", meist Partner, Freunde, Verwandte oder Eltern. Und auf deren Leben lastet fortan ein Schatten, oft bis ans eigene Lebensende.

Wenn also im Zusammenhang von Freitod überhaupt von Schuld gesprochen werden kann, dann hier.

Freilich kann man sich tausendmal einreden, dass ja keiner ahnen konnte, dass der gleich so "überreagiert". Dass man deshalb sein eigenes Leben auch nicht wegwerfen kann. Dass man sicher war, das für alle Beteiligten Beste zu tun.
Aber das passiert im Kopf, in der Seele bleibt eine Wunde.

Freunde fragen sich, warum sie ihn nicht besucht haben, ihm gut zugeredet, dass das Leben ja noch nicht vorbei sei, er ja noch diesen wunderschönen Bauernhof habe und eine Fernsehkarriere bei "Bauer sucht Frau" vor sich.

Und die Eltern fragen sich, warum sie das nicht gesehen, gespürt, vorhergesehen haben, sie wussten doch schließlich am besten, wie empfindsam er war, und warum sie nichts unternommen haben.

Jeder Freitod gibt Hinterbliebenen das Gefühl, in irgeneiner Form Schuld zu tragen an der Sache, und das ist einfach nur übel.

So weit die dunkle Seite.


Sintram

Das Land der aufgehenden Sonne sprich Japan ist eine von Überbevölkerung geplagte gnadenlose Leistungsgesellschaft- und hat die höchste Selbstmordrate weltweit.

Ein Gesellschaftssystem erweist sich offensichtlich als lebensfeindlich nein tödlich, und Japan sieht sich gezwungen, diesem mörderischen Prozess mit lebenserhaltenden Gegenmaßnahmen entgegenzuwirken.

Diese Einsicht verdankt es schlicht und einfach den Selbstmördern.

Wenn also in einem Schulsystem die Jugendlichen und Kinder, die zu Autoaggression neigen und nicht als Amokläufer enden, dem Leistungsdruck erliegen und sich das junge Leben nehmen, ist der Wurm drin im System, und zwar ein gewaltiger, ein menschenfressender Lindwurm.

Wenn in einer freien Marktwirtschaft die Verteilung der Güter immer ungerechter wird, das soziale Netz immer löchriger, die Schere immer weiter aufklafft, die Arbeitlosigkeit in Folge der Technologisierung immer höher wird und die Lebensbedingungen immer härter, so dass viele Menschen dem täglichen Existenzkampf am Rande des oder unterm Existenzminimum, sprich dem Kampf ums nackte Überleben erliegen und der psychischen und physischen Dauerüberlastung mit Freitod zu entkommen suchen, ist die freie Marktwirtschaft im After.
Und bedarf einer grundlegenden Veränderung sprich Reform sprich -sanften- Revolution.

Das ist eine dringliche und unmissverständliche Botschaft an eine Gesellschaft, in der unerträglicher Lärm, gnadenloser Konkurrenzkampf, steter Zeitdruck und arbeitsmäßige Überlastung bis zu Erschöpfung längst zur Gewohnheit geworden sind, also zum Usus.
Das ändert nichts daran, dass diese Erscheinungen lebensvernichtende Eigenschaften in sich tragen. Und darauf werden wir, die Überlebenden, unmissverständlich aufmerksam gemacht bzw. drauf hingestoßen mit jedem Menschenleben, das da seine Erlösung und Befreiung von diesen unerträglichen Zuständen im Freitod sucht... und wohl auch findet.

Unsere Leistungsgesellschaft ist mörderisch geworden, weil sie Menschen mit geringerer Belastbarkeit sprich tieferer Empfindsamkeit, höherer Sensibilität und Verletzlichkeit sowie größerer Sehnsucht nach Erfüllung und Glück, gesteigerter Zukunftsangst infolge hochentwickelter Aufnahmefähigkeit und regem Interesse an Natur und Ökologie, also im Grunde wertvollen und wesentlichen Menschenseelen keine Daseinsberechtigung mehr gibt.

Das ist das Vermächtnis, dass uns jeder Freitod in diesem unserem Lande hinterlässt:
So kann und darf es nicht weitergehen. Da muss sich etwas ändern, unsere Welt muss freundlicher, sensibler, mitmenschlicher und lebensorientierter werden, sprich sehr viel weniger leistungszentriert und materialistisch. So einfach ist das.

Ein gutes Vermächtnis, das sich zweifelsohne auf der Seite des Lichts, sprich der Einsicht, des Erkennens, des Besinnens, Innehaltens und Umdenkens mit -hoffentlich- folgenden Taten befindet, kurzum auf der hellen.

Es liegt auch an uns, den Überlebenden, sie zum leuchten zu bringen.


Madele

Hallo sintram

Ich möchte niemandem eine Schuld gebe wenn ich wirklich von der Bühne abtrete, es ist nur so dass meine Ängste und Sorgen übermächtiger sind als meine Gedanken an das danach. Manchmal habe ich schmerzen, die es rein anatomisch gar nicht geben kann, die ich eigentlich nicht haben dürfte, die ich aber real habe obwohl sie unreal sind. Und die tun so wehh dass ich auch oft den Wunsch habe ohne  Fallschirm vom Balkon zu springen. Ich versuche ja mit meinem Umfeld zu reden, über den Freitod und warum ich den Wunsch habe, aber es scheint als würden wir 2 verschiedene Sprachen sprechen, die WOLLEN das nicht sehen, hören und fühlen. Tod, freitod...das sind in unserer konservativen gesellschaft immer noch tabuthemen an denen keiner rütteln darf, das ist eigentlich traurig, denn so wie es Leben gibt, gibt es auch den Tod, er ist Bestandteil des Lebens der unweigerlich kommen wird. Unausweiglich und von der ersten Minute unseres Lebens miteingeplant. Nur warum lässt es unsere aufgeklärte Gesellschaft nicht zu dass man den Tod in Erwägung zieht? Warum fürchten sich soviel davon? Warum habe ich als eigenständiger Mensch nicht die Möglichkeit mein Ende selber zu wählen? Meiner Meinung nach hat das auch was mit der Würde des Menschen zu tun die angeblich unantastbar ist, wähle ich aber diesen Schritt bin ich als Suizidgefährdet eingestuft und habe einen Stempel auf dem Hintern. Werde auf eine Station gebracht dort fixiert und eingesperrt, warum frage ich mich? Warum gibt es immer andere die über mich bestimmen? Mich hat niemand gefragt als ich geboren wurde, warum darf ich nicht einfach gehen wenn ich die Zeit als gekommen sehe? Ohne dass sich jemand schuldig fühlt? Es ist doch meine Entscheidung auf die ich ein Recht habe.

Sintram

#21
Tja, grundsätzlich kann ich Dir nur uneingeschränkt recht geben. Suizid ist Menschenrecht.

Allerdings sollte genau abgewogen und überlegt sein, was er bei den Hinterbliebenen auslöst. So sehr sie auch gefangen sind in Tabuisierung und Verdrängung und so wenig Verständnis sie auch dafür haben-
es wird ihnen gewaltigen Schmerz zufügen.

Im Zustand der akuten Suizidalität -was für ein Wort!- also der willentlichen Bereitschaft zum Freitod, ist die seelische Qual derart groß und übermächtig, dass die Folgen der Selbsttötung für die Hinterbliebenen nicht einmal mehr ansatzweise erfasst werden können.
Im Gegenteil, die Gewissheit, für alle Beteiligten das denkbar Beste und einzig Mögliche zu tun, ist durch nichts mehr zu erschüttern.

Deshalb kann auch nicht von Schuld im Sinne von willentlicher Verfehlung gesprochen werden, schon gar nicht von Täuschung oder rücksichtsloser Grausamkeit. Egoismus oder Gleichgültigkeit. Alles Unfug.

Der tranceartige Zustand im Moment des Freitodes, ja schon vom Augenblick des Entschlusses an, versetzt die "Selbstmörder" in eine Art definitiver Unzurechnungsfähigkeit - bei vollem klaren Bewusstsein.
Klingt widersprüchlich, aber anders kann ich es nicht beschreiben.

Ich verstehe Dich, weiß welche irrsinnige Qualen Du grade durchmachst, wie Du bei lebendigem Leib in Stücke gerissen wirst. Und wie unheimlich tröstlich und befreiend der Gedanke an den Freitod dabei sein kann.
Menschen, die derlei nicht erlebt haben, können es nicht verstehen, selbst wenn sie wollten. Versuch erst gar nicht, ihnen das irgendwie zu erklären, Du könntest ebensogut chinesisch reden.

Es genügt vollauf, wenn Du es hier drin los wirst- auch wenn´s nicht auf Anhieb positiv aufgenommen wird oder missverstanden.
Lass Dich nicht entmutigen, lass Deinem Schmerz freien Lauf.

Das kann lebensrettend sein.

Lieben Gruß
Sintram






Madele

Hallo Sintram

Ich könnte jetzt wirklich heulen, ENDLICH jemand der mich versteht, der das beschreiben kann und auch noch rüber bringt, ja es IST lebensrettend. Und manchmal möche ich gegen Wände schlagen, heulen, Schreien und um mich schlagen.

In den dunkelsten Stunden unseres " Lebens" sind wir ganz alleine.

Hab einen schönen Abend.

* Drück dich mal*

Madele.

Sintram

Hallo Madele,

und seit ich weiß, was noch dahintersteckt, versteh´ich Dich sogar noch sehr viel besser.
Ich habe eine Ehe hinter mir und eine Langzeitpartnerschaft, und was Trennungsarbeit anbelangt, könnte ich ein Buch schreiben.
Vielleicht kam meine Antwort diesbezüglich deshalb auch ein wenig pragmatisch daher, aber es ist nun mal so und hilft nichts. Entweder ich mach weiter, wenn´s geht, oder ich mach Schluss.

Paartherapie hab ich auch schon auf dem Konto, nun wie soll ich sagen, war auf jeden Fall interessant. Geholfen im Sinne von Partnerschaft erhalten hat sie nicht mehr, aber wenn ich ehrlich bin, war´s für mich eher eine Hilfe, um die Unvereinbarkeit professionell herausarbeiten zu "lassen". Denn ich wollte nicht mehr.

Normalerweise sind es ja die "Gesunden", die da irgendwann nicht mehr können, und ob das nun nicht mehr können oder wollen ist, ist auch egal, denn grade bei Trennungen kommt es sich auf ein und dasselbe raus.
Gründe hatte ich jedenfalls reichlich, meine Würde war längst den Bach runter.

Es tut weh. Irgendwann gab´s da mal so was wie einen hoffnungsvollen Anfang, und wenn man hinterher konstatieren muss, was davon übriggeblieben ist bzw. draus geworden, tut es allein schon deshalb weh.
Aber es hilft nichts, wenn´s für Beide nur noch eine Quälerei ist, muss einer den ersten Schritt tun.

Wenn ich jetzt so zurückdenke, war´s genaugenommen beide Male ich. Bei der Scheidung freilich ging´s ziemlich unschön ab, ohne Gewalt um Himmels Willen, aber sonst schon auch alles. Und wenn ich jetzt sage, vor allem von ihrer Seite, ist das einfach nur eine traurige Tatsache.
Die zweite Trennung war vergleichsweise homogen und geschah bei aller emotionalen Belastung in gegenseitigem Einvernehmen und einigermaßen in Anstand und Würde.
Man lernt eben dazu.

Aber eine gewaltige Aufgabe ist so eine Trennung nach langen gemeinsamen Jahren immer, selbst wenn vor allem die letzten Jahre einsame Jahre waren. Allein sein ist trotzdem eine andere Dimension und Lebenswirklichkeit. Aber durchaus keine schlechte. Absolut nicht.

Eine problematische und unglücklich verlaufende Beziehung bringt immer einen gewissen Prozess der Selbstentfremdung mit sich, die unvermeidliche Folge von sogenannten Kompromissen, die für einen Depressiven wie mich immer gleichbedeutend sind mit Selbstaufgabe, aber nun, selbst schuld.
Hinterher ist die Rückkehr zu einem selbst- ob nun allein oder mit einem neuen Partner- umso befreiender.

Ich wünsche Dir auf alle Fälle viel innere Kraft und die nötige Entscheidungsfähigkeit.
Lieben Gruß
Sintram




Sintram

#24
Ein viertel Jahr ist mein obiges letztes Posting her.

Was hatte ich im August noch an Kraft in mir, war zu brauchbaren Antworten fähig, konnte auf positive Postings positiv ermutigend reagieren.
Und bekam so schöne und verständige Zuschriften.

Immer wieder mal interessant, sich seine innere Verfassung anhand von kleinen Rückblicken zu verdeutlichen.
Viel Mut verloren seitdem. Viel Zuversicht, soweit ich überhaupt noch welche hatte.

"Wenn du denkst du hast alles verloren, wirst du immer ein klein wenig mehr finden das du noch verlieren kannst." Ist von Bob Dylan.

Eine wahre Aussage. Nur dass dir dieses "klein wenig" erst bewusst wird, nachdem du es ebenso verloren hast- und dann kosmische Ausmaße annimmt.

Whatever.
Wen kümmert schon ein kleines Licht, das da unbemerkt erlischt?
Die halbe Welt liegt in Agonie, von Haiti bis Pakistan, was bedeutet da so eine winzige persönliche Tragödie?

Nur hift mir das Alles nicht weiter, wenn ich einfach nicht damit klar komme.
Wenn es unterschiedslos schmerzt auch nach Monaten.
Es mich erledigt hat.
Einfach das berühmte Quäntchen zuviel war, das die letzte Luftblase verschwinden ließ.

Nun denn, so ist das eben.
Atme ich eben mit meinen Kiemenbüscheln weiter.








Epines

Hallo Sintram

Danke , dass du mich eingeladen hast an  deinen Gedanken und Empfindungen teil zu nehmen. Ich könnte einiges  dazu sagen, aber du hast vieles so wundervoll ausgedrückt, dass ich nicht wüsste welche Worte ich noch wählen sollte.

Deshalb nur kurz.

" Wen kümmert schon ein kleines Licht, das da unbemerkt erlischt?
Die halbe Welt liegt in Agonie, von Haiti bis Pakistan, was bedeutet da so eine winzige persönliche Tragödie?"

Sehr viel, denn so weit ich dies beurteilen kann, bist du bist einzigartig! Ich kenne dich zwar nicht persönlich, aber ich denke, dass es ein grosser Verlust für die Welt wäre, wenn du dich entscheiden würdest heim zu kehren.

Wir sind zwar nur ein unbedeutendes Nichts,  gemessen in der Unendlichkeit des Universums, weniger noch als Sternenstaub, aber wir hinterlassen dennoch erkennbare Spuren.

Ich habe mir einmal , als es mir nicht besonders ging, zusammen mit einem Freund diese Spuren ins Gedächtnis geholt. Erstaunt stellte ich fest, dass sich durch mich das Leben vieler Menschen verändert und  in diese , oder jene Richtung  bewegt hat.

Flüchtige Begegnungen, die mir ein Glücksgefühl bescherten und die mir  einfach im Vorbei gehen geschenkt wurden, kamen erneut in mein Bewusstsein. Ich fing an die positiven zwischenmenschlichen Beziehungen zu zählen und war erstaunt wie zahlreich sie waren.

All das Elend in der Welt durch die Medien aufgepuscht und bis zur Geschmacklosigkeit verbreitet, hat mich zusätzlich hinunter gedrückt, ich  beschloss nicht mehr daran teilzunehmen und Informationen , egal welcher Art nur noch durch Gespräche zu erhalten. Was bedeutet, dass ich keine Zeitungen mehr lese, kein Radio höre und keinen Fernseher habe. Nachrichten sind für mich tabu. Ich will den Schmerz der Welt nicht mehr fühlen, sondern nur noch meinen eigenen.

Natürlich dringt immer noch genug durch, aber ich fühle mich nicht mehr für alles was da so geschieht verantwortlich.

Ich weiss nicht genau wie weit du dich schon entschieden hast, oder vielleicht doch...,  aber irgendwo in deinen Zeilen meine ich gelesen zu haben, dass es immer einen Weg gibt, vielleicht gelingt es dir ihn noch ein letztes Mal zu beschreiten.

Ich meine es wäre echt schade um dich!

Alles Liebe
Epines





Epines

P.S.
Das Recht über sein Leben selbst zu entscheiden, ist leider im Moment in der Gesellschaft immer noch verpönt. Mir persönlich  hat diese Einsicht jedoch in Karens Fall vieles erleichtert. Sie wollte es so und an diesem Entscheid gibt es nichts zu rütteln, da hat niemand ein Mitspracherecht.
Ich habe auch keinerlei Schuldgefühle.

Was ich nun doch noch loswerden will ist die Reaktion ihres Vaters. Er fand es das Allerletzte! Und ich konnte es kaum glauben und es treibt mir gerade  wieder die Tränen in die Augen, wenn ich an seine letzte Aussage denke. Er hat sie jahrelang missbraucht und psychisch und physisch fertig gemacht, so dass sie es einfach nicht mehr aushielt ihm weiterhin zu begegnen.

Er hat  die Art und Weise kritisiert wie sie es getan hat und mir erzählt wie sie es hätte besser tun können...
Die Mutter hat mich gefragt, ob es passiert sei, weil sie Karen gebeten hatte, nicht so viel Wäsche zum Waschen zu bringen!



Wenn man von Schuld sprechen kann, die jemand hat, wenn sich ein Mensch entscheidet das Leben zu beenden, dann muss ich sagen, dass ihre Eltern sich schuldig fühlen müssten!

Aber nein, die sonnen sich im allgemeinen Mitleid und sehen sich selber als Opfer und Karen wieder einmal mehr als Täterin...

Sintram

#27
Hallo Epines,

Also zuallererst muss ich mich mal bei Dir entschuldigen, weil Du mein letztes Posting so gedeutet hast, als befände ich mich gerade in einer latent akuten Suizidalphase, und wenn ich meine Zeilen lese, muss ich zugeben, dass man es durchaus so verstehen kann, ich mich also missverständlich ausgedrückt hatte.

Ich kann Dich beruhigen. Es ging vielmehr um einen erlittenen Verlust.
Trotzdem danke für Deine ermutigenden Worte, oder gerade deshalb herzlich danke, denn es hätte ja immerhin sein können.
Ganz ähnlich wie bei Dir halten mich Liebe und Verantwortungsgefühl zur Zeit nicht nur am Leben, sondern füllen es sogar mit Sinn und Freude, und so lange "man" mich in Ruhe lässt, habe ich durchaus nicht vor, freiwillig das Feld zu räumen.
Ich kenne den Kampf, die Prozesse, die Materie allerdings gründlich genug, um mir zu erlauben, die Worte dieses Threads dazu losgeworden zu sein.

Es gibt ohne Zweifel den Punkt, an dem Freundschaft und Vertrauen es unmöglich machen, die Entscheidung des liebgewonnenen Menschen zu beurteilen oder gegen dessen bekundeten Willen zu unterbinden.
Und egal, was auch immer andere dazu sagen, bleibt es einzig und allein Dir überlassen wie Du Dich dazu verhältst, weil nur Du wirklich in der Lage bist zu verstehen und nachzuempfinden.
Sie also akzeptieren und respektieren kannst.

Im Gegensatz zu ihrem Vater, einem offenkundig gemeingefährlich bösartigen Psychophaten, und ihrer Mutter, der untertänigen Mitwisserin. Ich denke durchaus, dass Du hier die Schuldigen und Verursacher der Tragödie gefunden hast.

Ich frage mich immer wieder ungläubig, wer eigentlich auf die fixe, vermessene und selbstherrliche Idee gekommen ist, über eine Selbsttötung richten zu wollen.

Ich wünsch Dir einen schönen Sonntag!
Sintram

Epines

Hallo Sintram

Eigentlich bin ich ganz froh, dass ich es missverstanden habe  und freu mich, dass es dir gut geht.

Mir geht es auch langsam besser, die schlimme Woche, wo das Bedauern über ihren Verlust immer am größten ist,  ist vorbei. Manchmal frage ich mich, ob ich es je überwinde, vielleicht sollte ich auch nicht so viel nachdenken.

Wünsch dir eine schöne Adventszeit und alles Liebe
Epines