Dem Freitod auf der Spur - TRIGGER

Begonnen von Sintram, 15 Juli 2010, 10:18:46

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Sintram

Das ganze Leben ist ein großes Schlamassel. Ein unlösbares Dilemma und eine ewig andauernde Misere.
Wir wollen alle nur eine Hand voll Liebe. Einen kleinen Korb voll Geborgenheit, einen Fingerhut voll Verständnis. Aber das ist bereits zu viel verlangt.

Es interessiert "die andern" nicht die Bohne, wie es uns geht, wenn wir uns umbringen wollen. Was wir dabei erleben, erfahren, durchleiden. Die wollen das gar nicht hören. Niemand will es hören. Weil es krank ist. Unnatürlich. Lebensfeindlich.

Diese Welt ist krank. Sie liegt röchelnd in Agonie und merkt es nicht einmal. Vertrödelt ihre Zeit mit Blödheit und Stumpfsinn, Wichtigtuerei und banalem Geschwätz. Diese unsere Welt ist zum Kotzen. Sie bringt sich um mit lautem Hurra. Rennt in ihr Verderben mit dick aufgetragener Schminke. Damit man den verrotteten Totenschädel dahinter nicht sieht. Aber ihr stinkender Atem verrät sie.
Diese Welt ist ein Irrenhaus. Ein schrilles, gewalttriefendes Irrenhaus. Es gibt keine Hoffnung, keine Aussicht auf Besserung. Nirgends. Nie.

Aber wir, die Lebensmüden, die Gebrochenen und Überdrüssigen, die Verzweifelten und Untoten, wir müssen versteckt werden, weggeschlossen, totgeschwiegen. Weil wir im Grunde rebellierendes Leben sind. Denn diese Welt ist kein Ort mehr, den man ertragen kann, an dem man es aushalten kann. Kein Ort mehr, an dem es sich zu leben lohnt.

Unsere Todessehnsucht ist nichts weiter als ein gesunder Reflex auf all den Irrsinn, all die Blutbäder, die Verbrechen, die Lügen und Gemeinheiten, von denen wir Tag und Nacht umzingelt und umgeben sind. Wir wollen einfach nur hier weg. Einfach nur weg.

Was haben mir die Seelenklempner und Psychotanten denn anzubieten? Ein sinnvolles, erfülltes Dasein in einer vollkommen sinnentleerten und leeren Umwelt? Eine verdammte Portion Lebenswillen in einer dem Wahnsinn und Aberwitz verfallenen Gesellschaft? Ein Häppchen schäbiger Existenz in einem Haufen von Vollidioten und Egomanen?
Soll ich alles was mir wichtig und wertvoll ist verraten und verkaufen, nur um mein verschwindend bedeutungsloses Leben zu retten, für dieses elendigliche und kümmerliche Siechtum aus Nichts?

Klar, wir können stunden-wochen-monate-jahrelang drüber reden und diputieren, was denn zu tun ist, welche Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, welche Schritte einzuleiten, welche Rettungsaktionen zu starten sind, wenn es Zeit ist zu gehen. Wenn wir uns absolut sicher sind, dass es Zeit ist zu gehen. Es ändert überhaupt nichts. Nicht das Geringste.
Denn wenn es so weit ist, dann tun wirs einfach. Wir tuns einfach und Schluss. Wir gehen. Hauen ab. Verschwinden von hier.
Und was da irgendein Psychiater oder Therapeut oder Neurologe davon hält, wo er das einstuft und wie er das diagnostiziert, ist uns aber auch SO WAS VON SCHEISSEGAL!!!

Wir sind immer und überall im Vorteil. Niemand durchschaut uns, erkennt uns, weiß von uns, hat auch nur die geringste Ahnung, wie´s wirklich in uns aussieht. Niemand hat auch nur die Spur einer Ahnung davon.

Wir sind mächtig und stark, unendlich stark, eine innere Stärke, die sich ein Normalo gar nicht vorstellen kann. Weil er nicht weiß, wie ungeheuer viel Mut, Entschlossenheit und Größe dazu gehört, unseren Vorsatz in die Tat umzusetzen. Wie viel Würde und Erhabenheit.
Weil er nichts ist als ein kleiner angstzerfressener Wicht.

Wir werden siegen. Ja das werden wir. Wir werden siegen. Eines Tages werden wir siegen.


Sintram

Erfahrungsbericht

Das Nichts hast du schon vor Ewigkeiten hinter dir gelassen.
Das Nichts als solches im Sinne von nichtexistent.
Du erkennst schaudernd, dass das Nichts mehr ist als nichts, weit mehr und mächtiger, weil es die Kraft hat, Alles zu verschlingen und zunichte zu machen.

Du rast hinein in das realexistierende Nichts, ohne Halt und Zurück, ohne Anfang und Ende, ohne Zeit und in alle Ewigkeit.

Auf der Spirale einer Luftschlange wirst du hineingerissen in den Sog, unaufhaltsam, und je tiefer dich der Wirbel einsaugt, desto dichter ballt sich die Materie in deinem Innern zusammen, du wirst innerlich zermalmt und zerquetscht unter unaussprechlichen Qualen.

Alles was du bist und warst wird vernichtet, erdrückt und deformiert, nein transformiert zu einem Klumpen aus Nichts, einem häßlichen Haufen Antimaterie, zu Anti-Alles oder Allesnichts.

Das bist du zuletzt: Ein schwarzer Klumpen Negativenergie und Antimaterie.

Und dann rast du weiter, hindurch durch das, was da noch übrig war von dir oder besser was geworden war aus dir, schießt hinaus in die absolute endgültige und totale Leere, Raumlosigkeit und Stille.

Dein noch vor Sekunden tobender und rasender Verstand kommt zum Stillstand. Das unentwirrbare Chaos peinigender Gedanken ist schlagartig verschwunden. Vollkommene Klarheit ist an seine Stelle getreten.

Und ein einziger Begriff füllt deinen Kopf aus, deine gemarterte Seele, er ist mild und erlösend, befreiend und beglückend.
Ja, eine seltsam frohe Stimmung macht sich in dir breit, als wäre alles, was sich eben noch in tiefster Finsternis und Qual wand und wälzte, mit einem Mal in helles Licht getaucht, kaltes, transparentes, farbloses Licht, und aller Schmerz im selben Augenblick von dir gewichen für alle Zeit.

Du wirst es tun. Mit absoluter Sicherheit. Mit vollkommener Entschlossenheit. Mit unumkehrbarer Entschiedenheit.

Alles ist urplötzlich vollkommen klar, übersichtlich und eindeutig. Du hast die einzig mögliche, definitive und endgültige Lösung gefunden. Du wunderst dich, dass dir der rettende Gedanke nicht schon viel früher gekommen ist.

Aber nun ist er ja da und alles ist gut.

Für alle das Beste. Für dich das einzig Denkbare. So läppisch, so federleicht, so banal. So selbstverständlich. Nie zuvor war etwas anderes als dieser Gedanke dagewesen.

Alles Gestrige ist zu Nichts geworden, du bist zu Nichts geworden, dein ganzes Sein und deine Persönlichkeit sind nichts als nichts, das Leben ist ein Nichts geworden.

Und nun hebst du dich wie Phoenix aus der Asche, ein Erkennen von Würde und menschlicher Größe steigt in dir auf und wächst, du erhebst dich aus dem erbärmlichen Daseins des zermalmten zerschnittenen Wurmes hinauf in die Höhen menschlicher Existenz in seiner reinsten ureigensten Form.

Würde. Alles was du bist ist Würde. Du glaubtest sie längst verloren, für immer in den Schmutz getreten, versunken und verschwunden ohne Wiederkehr. Doch nun kehrt sie zurück in einer Erhabenheit und Heiligkeit, die du nie zuvor so erleben und erfahren konntest und durftest.

Du bist Würde.

So, mit erhobenem Haupt und einem Lächeln auf den Lippen, gehst du seelenruhig und mit heiterer Gelassenheit in den Freitod...



Sintram

Das Gespenst

Warum soll ich es für mich behalten?

Ich saß im Meditationsraum der Klinik, einem hellen gläsernen Turm, und seh oben im Flur der Privaten die grünen Männchen rumschwirren. Den Chefarzt, den Kliniksleiter, alle da. Sehr ernst. Aufgeregt.
Und ich dachte nur: Das gefällt mir nicht.

Im Zimmer. Mit ihren eigenen Tabletten.

Tags darauf in unserer Gesprächsgruppe saß dann die Freundin der Verblichenen. Die Klinikfreundschaft. Verheult und im tiefsten Loch, das man sich als Depri nicht wünschen kann.
Erzählte wie das war, dass sie ihre Freundin noch oberhalb der Treppe stehen sehe, mit dem bunten Bathiktuch um den Hals, das sie ihr geschenkt habe, geschminkt, lächelnd und entspannt, wie sie ihr fröhlich gesagt habe, sie wolle heute nicht mitgehen in die Pizzeria, weil sie gern für sich allein sein wolle.
Und wie sie das den andern aus der Gruppe erzählt habe und dass es der Dings heute offenbar besser gehe.

Und wir haben ihr im Verbund mit dem Psychiater über eine Stunde lang gut zugeredet, bis wir da waren, wo ihre Wut schlummerte und vor sich hinschäumte.
Ihre Wut darüber, missbraucht und getäuscht worden zu sein.
Die hat sie dann vor allen eingestanden, und von da an gings bergauf mit ihr.

So weit so gut. Alles im Rahmen, im grünen Bereich.

Ich hatte nur das kleine Problem, dass ich keine Ahnung hatte, wer denn nun genau verschwunden war. Ich ließ mir die Frau beschreiben, detailiert, aber sie fiel mir einfach und um die Burg nicht ein. Und niemand im Speisesaal fehlte mir.

Sie blieb ein Phantom.

Und mitten in der Nacht werd ich wach, hör die andern schnarchen und spür da jemanden, der hier nicht reingehört. Und dann hab ich sie gesehen, vor mir am Bett, stand da mit wirren zersausten Haaren und Augen in tiefen Höhlen, in ein seltsam graudüsteres knöchellanges Kleid gehüllt, sah alles in allem ziemlich schrecklich aus, und das erste was ich dachte war: Ach DU warst das!

Und im selben Moment fiel mir auch ein, wo sie gesessen hatte im Speisesaal, meist schweigsam in sich versunken. Da sah sie zwar unscheinbar, aber wesentlich besser aus.

Aber ich hatte keine Sekunde Angst vor ihr. Ich spürte, dass sie mir nix Böses will sondern vielmehr was sagen.

Und dann hat sie das gesagt. Nein, sie hat mich angefleht. Sie hat mich ANGEFLEHT! Mich, einen Wurm, ein Nichts, der nirgends und nie auch nur das Geringste zu sagen hat, weil er nichts zu sagen haben will.

"Sag den andern, dass sie es NIE tun sollen und dass es IMMER IMMER einen andern Weg gibt."

Diese Frau, die ich nicht einmal kannte, vergessen hatte, nicht bewusst wahrgenommen, hat mich angefleht... Du MUSST ihnen das sagen. Und verschwand.

Ich war tagelang durch den Wind. Überlegte hin und her, ob das mit meinen Tabletten zusammenhängt bzw damit, dass ich grade dabei war, sie abzusetzen.
Aber mir ging es damals echt erstaunlich gut. War klar im Kopf und recht zuversichtlich. Hatte ein paar wichtige Entscheidungen gefällt und in die Tat umgesetzt. Befand mich in einem der seltenen Zwischenhochs.

Habs dann verdrängt und irgendwo hingesteckt. Aber es kommt immer wieder mal hoch. Heute zum Beispiel. Dann will es raus und lässt sich nicht dran hindern, auch nicht von mir.




Sintram

Und noch so was, um die Tragweite zu verdeutlichen...

Als ich vor sechs Jahren im Netz nach einem Depressionsforum suchte, landete ich erst mal in der Schweiz. Und weil ich da wirklich schon war und des öfteren und es mir recht gut gefallen hat, blieb ich mal drin, wies wir Desperados halt so tun.

Die Leute dort waren recht lustig und verwirrten mich immer wieder mal mit ihrem Schwyzerdytsch, aber sie fanden einen Bajuwaren unter ihren Reihen ganz originell, wir redeten auch über den Krieg unter Napoleon, wo´s mit den Rothosen gegen die Eidgenossen ging, und nachdem ich mein tiefstes Bedauern und meine Scham über diesen Bruderkrieg deutlich genug zum Ausdruck gebracht hatte, war ich in ihre Mitte aufgenommen.

Das geschah aber alles erst hinterher. Denn als ich die Seite wahllos aufschlug, war das Erste, was ich zu lesen bekam ein:
"Ich kann nicht mehr und ich mag nicht mehr."
Das kenne ich nur allzu gut, dachte ich, aber bald wurde mir anhand der verzweifelten und bittenden Postings, die von überall her eintrudelten klar, dass die -es war eine sie- das wortwörtlich meinte.
Und ich hab ihr einfach mal ein paar Zeilen geschrieben...

Tja, und da ich praktisch nagelneu und taufrisch war und alle andern eh schon längst Bescheid wussten und sie offensichtlich kein Verlangen hatte, mit ihnen auch nur noch ein überflüssiges Wort zu wechseln, antwortete sie mir relativ ausgiebig, ein wenig durcheinander -was wohl an den bereits zu wirken beginnenden Tabletten lag- aber im Ganzen verständlich.
Ein elendes Leben mit Scheißkindheit, traumatischen Erfahrungen, gescheiterten Katastrophenbeziehungen, verlorenen großen Lieben, verfahrenen Berufswegen, Verarmung und Klinikaufenthalten bis zum Abwinken, so die ganze übliche Palette eben.
Und jetzt hatte sie endgültig und unwiderruflich die Nase voll und sich auf den Weg gemacht...

Und ich hab geschrieben, mir die Fingerspitzen blutig gestoßen, hab Dinge gesagt, an die ich schon damals längst nicht mehr glaubte, hab sie beschworen, mit ihr gelitten, verstanden, getröstet und auf ihre Verantwortung gestoßen mit voller Wucht, sie angefleht und Gottes Beistand dazu...
und alle andern haben zwischendrin ein "recht hat er" und "hör auf ihn" eingeflochten und dazwischengerufen, von ihr aber kam immer nur ein immer leiser werdendes "bin schon noch da" oder "hör noch zu."

Und irgendwann schrieb sie:
"Ich mach jetzt aus. Der Bayer hat so schön geredet, so wunderbare Sachen gesagt, er hat mich soo schön in den Schlaf gewiegt..."
Das war schon eher zu erraten, ohne abgesetzte Wörter und mit ziemlich viel nicht vorhandenen Buchstaben.
Und weg war sie.

Das war mein Einstand in einem Depriforum. Eigentlich typisch.

Ob sie´s geschafft hat, wird nie jemand erfahren. Wenn ja, wars swieso für die Katz, und wenn nicht, hat uns keine Feuerwehr oder Polizei oder ModeratorIn drüber informiert. Es herrschte absolute Informationssperre und Ungewissheit.

In den Forumsregeln vertraglich angeordnetes Redeverbot.

Wenn sie gerettet werden konnte, wird sie bestenfalls mit anderm Namen auftauchen und kein Wort darüber verlieren vor Scham und Bedauern.

Und nach ein paar Tagen verhaltenen Gemurmels ging alles weiter wie gewohnt, sie machten genau da weiter -ich hab rückwärts gelesen- wo sie aufgehört hatten, als sei nichts geschehen.
Und weil es eh schon egal war, blieb ich einfach dabei. Hab einmal zaghaft nachgefragt, ohne Antwort zu erhalten.

Tja, so war das damals. Im Land der Berge. Und seitdem frag ich mich, weshalb nicht wenigstens ein:
"Immerhin haben wir alles versucht"
möglich war oder ein
"Wie konnte sie uns das nur antun?"

Aber da hat sich niemand getraut, und ich als Gast sowieso nicht...


Sintram

#4
Wenn die Welt heut noch untergehen will, dann macht sie das einfach. Ohne uns zu fragen.
Vielleicht ist es sogar das Beste, was ihr einfallen kann. Vorhang zu und Ende der Vorstellung. Hatte ohnehin Überlänge...

Unsre Selbstmordgedanken hocken wie ein Kettenhund im Zwinger unsres Verstandes und bellen bei jeder Gelegenheit los und eine Weile vor sich hin, um wieder in stumpfer Trübsinnigkeit zu versinken.
Unser Verstand soll ja nun laut Dottores ein Erlebnisbauernhof sein mit Mitzekätzelchen, Streicheleselchen und Knutschhündchen.

Wie passt der Zerberus da rein?

Er ist aber nun mal da und nicht aus der heilen Blumenwiesenwelt zu schaffen. Wir können den ignorieren oder fixieren, der ist einfach da und bewacht den Hof wie ein Höllenhund das nun mal tut. Geifernd, wutschnaubend, schäumend und mit weit aufgerissenen Kohlenaugen. Furchterregend und bedrohlich.

Und eines Tages bin ich einfach mal zu dem Ungeheuer hin und hab mir den eingehend betrachtet.
Da begann der schon mal auf Normalgröße zu schrumpfen. Wars irgendwann leid mich anzukläffen und hat sich grummelnd und mit eingezogenem Schwanz in seine Ecke verkrochen.
Peilte mich eine Zeit lang mit blutunterlaufenen Augen an, bis ihm auch das zu langweilig wurde, legte seinen mächtigen Kopf auf die Vorderläufe und machte erst mal n Nickerchen.

Als er aufwachte und mich immer noch stehen sah, flackerte dann doch sowas wie Neugier in seinen gequälten Augen, und nach einer Weile kam er angetrapst, zögernd und vorsichtig, in Lauerstellung und Angriffshaltung, aber immerhin.
Schnupperte dann mit erhobener Nase aus sicherer Entfernung an mir rum. Kam ihm alles in allem doch recht vertraut vor, mein Geruch.

Und irgendwann waren wir soweit.
Da hatte ich meine Finger im Gatter und er leckte und schleckte dran rum mit wedelnder Peitsche. Und da sah ich, dass der ach so grauenerregende Höllenhund auch nur ein kleiner liebesbedürftiger Dackel ist wie alle andern armen Hundeseelen auch.

Und wir wurden Freunde, meine Selbstmordgedanken und ich.
Weil wir erkannt hatten, dass keiner dem andern was will und jeder nur seine Ruhe haben, seine Daseinsberechtigung und die nötige Aufmerksamkeit.

Und wenn ich den mal ab und zu aus seinem Zwingerverlies hole und mit ihm Gassi gehe, streng angeleint versteht sich, rennt alles was uns begegnet entsetzt zur Seite und macht uns die Gasse frei.
Hat ja nun auch was.

Aber hinterher heißt das dann, "wie kann der mit so nem Monster frei rumlaufen?
Wir haben doch Kinderchen hier, und sensible ängstliche Leute, für die ist doch so ein Anblick der pure Schock!
Der ist doch ungemein gefährlich und unberechenbar, eine blutrünstige Bestie ist das, das sieht doch jeder!"

Aber das schert uns dann auch nicht, meinen Höllenhund und mich.
Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Ein Geheimbund sozusagen. Eine zweiköpfige Bestie ohne Arg und Bosheit. Aber das braucht ja niemand zu wissen.
So werden wir wenigstens in Ruhe gelassen, angekläfft und beschimpft vielleicht, aber bellende Hunde beißen nun mal nicht und das Gerede... Pfft!

Ich leb gut mit meinen Selbstmordgedanken und meine Selbstmordgedanken fühlen sich wohl in meiner Nähe. Und das jemandem begreiflich zu machen ist nun wirklich nicht mein Anliegen.

Es ist einfach so und Schluss damit.


dejavu

sintram

alles ok bei dir?
hat sich dein Zustand verschlechtert o.ä.?
kommt mir vllt nur so vor :-)

lg Deja

Sintram

Nicht verschlechtert nicht verbessert.
Wurde nur das eine oder andere wachgerufen in mir an Erinnerungen.

Mach Dir keine Sorgen, ich tu mir nichts an.

LG
Sintram

dejavu

ok

danke :-)

so eine geballte Ladung hat mir n bißchen Sorge bereitet

lg Deja

Fee

#8
 
***Dein noch vor Sekunden tobender und rasender Verstand kommt zum Stillstand. Das unentwirrbare Chaos peinigender Gedanken ist schlagartig verschwunden. Vollkommene Klarheit ist an seine Stelle getreten.***


... einmal kam auch ich in diesen,von Dir soooooooo wahr be-
schriebenen Genuß ... aber leider, selbst als krankenschwester, auch dazu zu blöde ... wieder im Land der Schlümpfe aufgewacht ...


L.G. Fee

Sintram

Hallo Fee,

Zu mir gekommen im Schlumpfland...

Abgeschnitten vom Lande der Lebenden. In mir isoliert. Wie tot. Ein lebender Leichnam.
Zurückgekehrt und doch im Hades geblieben. Im Bardo der Tibeter. Im Reich der Schatten.

Mein Leben als ein großes Ganzes vor Augen, als wäre es das eines anderen. Ohne eine persönliche Beziehung dazu herstellen zu können. Gespeicherte Erinnerungen ohne innere Anteilnahme, Ohne Gefühle, ohne Bezug. Und gleichzeitig ein neues Nachvollziehen des Erfahrenen, mit zwingender Logik und tiefem Verstehen.

Und ganz langsam schält sich aus diesem Puzzle aus Geschichten, diesem Sammelsurium aus Kurzgeschichten, so etwas wie wie ein Zusammenhang heraus. Ein unbefangenges und unbeeinträchtigtes neues Begreifen von Ereignissen und ihren Folgen, die Stück für Stück ein Leben ergeben. Mein Leben.

Sicher, da ist das eine oder andere, dass ich unbenommen dem Egoismus zuschreiben muss, der Herzenskälte und Grausamkeit, der Unbesonnenheit und Verfallenheit. Zusammengenommen ergibt es eine nicht unbeträchtliche Summe an "Untaten", Verfehlungen, Schuld... Sünden, so sagt man doch. Sünden.

Aber da ist auch noch ein anderer Teil, der mich Schritt für Schritt und Sturz für Fall in die Verdüsterung und Verzweiflung getrieben hat, unaufhaltsam, bis an den Punkt der "Erlösung" vom Selbst. Und der ist unverschuldet.

Es sind die Verletzungen, die mir zugefügt wurden. Die Misshandlungen und Demütigungen. All der Verrat, die enttäuschte zertretene Hoffnung, das ermordete Gute in mir. Das mich gegen meinen Willen zur Nacht hat werden lassen. Zur Finsternis.

All der aufgestaute Hass, die ohnmächtige Wut, die gallige Bitterkeit, die trostlose Entäuschung.
Die mich transformiert haben in Antimaterie. In ein alles verschlingendes schwarzes Loch. Um mich zuletzt selbst zu verschlingen.
All das wurde mir angetan, zugefügt, beigebracht. Ich bin gequälte, gepeinigte, in die Bösartigkeit gepeitschte Kreatur.

Und da ist er plötzlich, der befreiende, erleuchtende, gnädig grausam unbarmherzige vergebende Gedanke: Ich bin Opfer.

Mein Stolz ist mit mir gestorben und nicht wieder zum Leben erwacht. Er steht mir nicht mehr im Weg, verdeckt und tarnt die grässlichen Narben und klaffenden Wunden meiner Seele nicht mehr, ich kann sie betrachten ohne davor zurückzuschrecken, sachlich und distanziert wie ein Pathologe.

Und kann mir vergeben, wo es nichts zu vergeben gibt. Und der Schmerz ist gewaltig und wohlig zugleich. Ich zerberste. Zerfließe. Löse mich auf.
Mit den heißen Tränen kehrt das Leben in mich zurück.

Tröpfchenweise, und doch wie ein mächtiger Strom.






Strider

""Aber da hat sich niemand getraut, und ich als Gast sowieso nicht...""

Wir müssen wieder lernen unserem inneren ruf zu folgen, unabhängig was die äussere welt verlangt.
Ich hatte das gefühl das es dir besser gegangen wäre, wenn Du Deinem inneren ruf gefolgt wärest.

Zu Deiner begegnung am krankenbett;
Ich bin mir nicht sicher ob die botschaft wirklich, die anderen zu warnen, war.

""Wenn die Welt heut noch untergehen will, dann macht sie das einfach. Ohne uns zu fragen.  
Vielleicht ist es sogar das Beste, was ihr einfallen kann. Vorhang zu und Ende der Vorstellung. Hatte ohnehin Überlänge... ""

Das suggeriert das die welt "uns" brauchen könnte. Wir haben sie doch schon untergehn lassen.
Die meere fischleer und ölverpestet, rot vom blut. Unsere wälder geschrumpft und weiterhin bedroht von unserer profitgier.
Unser atmosphäre preisgegeben unserer faulheit. Sitzendes rasen in den untergang.

""Und wir wurden Freunde, meine Selbstmordgedanken und ich.""

Genau das was ich versuche zu beschreiben mit meinem hass.
Ich muss mich in allen teilen annehmen, um nicht nach dem unterdrücken einzelner anteile, völlig am boden zu liegen.
Jeder teil von uns möchte gehör, jeder unserer wesenszüge möchte gesehen werden.
In der gleichberechtigung unserer anteile liegt die beruhigung. Liegt die heilung.

""Und ganz langsam schält sich aus diesem Puzzle aus Geschichten, diesem Sammelsurium aus Kurzgeschichten, so etwas wie wie ein Zusammenhang heraus. Ein unbefangenges und unbeeinträchtigtes neues Begreifen von Ereignissen und ihren Folgen, die Stück für Stück ein Leben ergeben. Mein Leben.""

Ich mag diese perlenkette, die unsere leben ergibt! :)

glg, Streicher

Fee


***All der aufgestaute Hass, die ohnmächtige Wut, die gallige Bitterkeit***


... bis auf diese Deine Worte sintram,beschreibst Du fast deckungsgleich auch mein Empfinden.
Welches allerdings derzeit,aufgrund von Ermangelung eines auffindbaren Ausganges,dazu verdammt ist,in mir gefangen bleiben zu müssen.

Darum freut es mich umsomehr,daß Dir dieses hier gelingt.
So zu sagen:

"Auch ein wenig für mich mit ."

Danke dafür ...

... und liebe Grüße Fee

Sintram

Hallo Streicher,

ich habe damals auf meine innere Stmme gehört -was sicher auch damit zusammenhing, dass ich mir natürlich nicht die Mühe geacht hatte, die Forumsregeln durchzulesen- und ein paar mal nachgefragt.
Nur kam keine Antwort, auch nicht von Leuten, mit denen ich mich grade im Austausch befand. Die plauderten weiter, als existierte meine Frage nicht, als hätten sie sie überlesen.

Und als dann noch die Teile ihres Threads im Nichts verschwanden, in denen es um Leben und Tod ging, wurde mir die Sachlage schön langsam klar.
Darum finde ich das Ruhe-Forum diesbezüglich vorbildlich und progressiv. Denn wenn in einem Forum über Depressionen nicht über Selbstmord gesprochen werden kann und darf, wo bitte dann sonst?

Es ist meiner bescheidenen Meinung nach höchste Zeit, das Gespräch darüber als Therapie zu begreifen und in dieselbe aufzunehmen, ehe noch mehr Kriminelle das Netz verseuchen mit "Anleitung zum Suizid" und dergleichen Unsäglichkeiten.

Du hast es ja bereits schön formuliert, dass nur die Akzeptanz aller Komponenten unserer Krankheit letztendlich einen Weg zur Heilung bedeuten kann. Und suizidale Tendenz ist eben nun mal ein wesentlicher Bestandteil davon.
Je offener es zum Austausch kommt, desto geringer wird meines Erachtens die Gefahr des sogenannten Nachahmungseffektes. Weil es, wie Du sagst, eine beruhigende Wirkung hat.
Ein Tabu hingegen impliziert immer etwas Verbotenes, Anrüchiges, Totzuschweigendes, Gefährliches.

Im Anschluss an den Kliniksuizid zum Beispiel wurden auf Beschluss der Leitung sämtliche Therapien vertagt und ausschließlich das Thema Freitod zum Inhalt der Gespräche gemacht, auch und vor allem in den Gruppen.
Was ich damals davon mitnahm und wie sehr ich davon profitier(t)e ist nicht hoch genug einzuschätzen.

Sicher kann das im Falle eines Falles einen Entschluss zum Freitod nicht verhindern- aber meiner Erfahrung nach eben auch nicht fördern oder beschleunigen. Wer es tun will, der tut es - so oder so.
Für alle anderen aber wird sehr Vieles sehr viel verständlicher. Die Wachsamkeit gegenüber eigenen Suizidgedanken und ihre "Zähmung" wird ebenso gefördert wie die Aufmerksamkeit gegenüber Anzeichen und Signalen akut Suizidgefährdeter.

Also, nach allem was ich bisher -von meinen eigenen Erfahrungen einmal abgesehen- im Austausch darüber erfahren und gelernt habe, kann ich den offenen Umgang mit der Theamtik ohne Bedenken als lebenserhaltende ja mitunter lebensrettende Maßnahme nur befürworten.

Sintram hat gesprochen. Lach-Smilie.

@ Liebe Fee

auch Deine Worte bestätigen mich.
Selbst nicht in der Lage und Verfassung darüber zu sprechen, ermutigt und tröstet es Dich, wenn es ein anderer für Dich tut.

See You
Sintram


Sintram

Ah ja, und was ich noch sagen wollte, man merkt an Euren Antworten, dass ihr euch echt die Mühe gemacht habt, das alles zu lesen und euch sogar noch Gedanken gemacht dazu.

Dafür möchte ich euch herzlich danken.

Adrenalinpur

Sintram

eine Frage: hast du als Kind auch schon so gedacht?

Oder hast du erstmal die Welt als spannend empfunden und sie entdecken wollen?