Irgend jemand

Begonnen von camusian, 01 Oktober 2010, 00:40:16

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camusian

Hallo ihr,

ich weiß eigentlich nicht wirklich was mich immer wieder dazu bewegt, über meine Stimmung zu schreiben und nachzudenken, eigentlich ist es wahnsinnig krank und ich sollte eher mal loslegen und etwas verändern, aber diese innere Unruhe und Blockade hält mich schon viel zu lange im Griff, als dass ich sie einfach abschütteln könnte: Sie ist mit ein Teil meiner Persönlichkeit geworden und oft denke ich, dass ich ohne ganz dem Rausch der Zeit und der Vergänglichkeit unterworfen wäre, mich diese Grübelei und weltfremde Stimme in mir erst ganz zum Menschen macht.

Wie es dazu überhaupt kam, das ist eine viel zu lange Geschichte. Fest steht, ich bin seit etwa 6 Jahren dauerdepressiv, nicht immer gleich stark und sehr oft mit auch längeren freundlichen Wolkenlichtungen, aber die Verlassenheit holt mich stets ein. Je nach Verstimmung werde ich zusätzlich von einer Null-Bock-Stimmung erfasst, das heißt mir ist dann eigentlich im wesentlichen alles egal und ich hab keine Lust mehr, mich auseinanderzusetzen, weiter zu kämpfen, sondern ich will nur noch ausruhen und den Augenblick festhalten, was ja an sich nicht geht: Ich sehe keine Hoffnung darin, was mir mein Umfeld verspricht. Ein Stück aus meinem Herzen ist herausgerissen und ich weiß, dass ich es niemals finden werden kann. Allein in der Ekstase und in Trance ist es da, den Rest der Zeit bin ich auf Entzug und fühle mich so leer.

Zu den wenigen Dingen die mir helfen gehören Musik und das Vertiefen in Geschichten, wenn ich es schaffe mich zum konzentrierten Lesen zu überwinden, werde ich ein jedes Mal belohnt mit einem tiefen inneren Frieden, den ich sonst so verzweifelt und so vergeblich suche.

Konkrete Zukunftspläne und Aussichten fehlen mir ebenso: Ich versuche mich von einem Tag in den anderen zu retten und möglichst Herausforderungen zu meiden, da ziehe ich mich immer gleich zurück. Oft traue ich mich nicht, das anzugehen was ich eigentlich möchte, fühle mich minderwertig und zum Scheitern verurteilt.

Meine größten und innigsten Wünsche? Endlich eine Freundin finden die mich liebt und versteht, auf die ich mich verlassen und zu der ich offen sein kann, manchmal denke ich, dass das mir weiterhelfen würde, aber eigentlich habe ich auch da nur schlechte Erfahrungen gemacht. Mir fehlt das besondere etwas, das Fluidum, ich weiß nicht ob ich dies irgendwann einmal finden werde oder ob es überhaupt existiert.

Insgesamt und überhaupt bin ich eine ziemlich multiple Persönlichkeit: Auf der einen Seite still und zurückhaltend, andererseits total extrovertiert und offen, im einen Moment traurig und verschränkt, im anderen tief erfüllt und glücklich. Meistens wechselt das nach Tagen, aber auch im Tag ändert sich meine Stimmung sehr oft und behält mich im Griff. Das einzige was konstant bleibt ist die tiefe ungestillte Sehnsucht ins irgendwo, die ihrer Erfüllung harrt.

Soweit zum ersten, zum zweiten auf Rückfrage, zum dritten behalte ich für mich. :)

Sintram

Hallo camusian,

herzlich willkommen.
In vielem was Du von Dir beschreibst kann ich mich wiedererkennen.

Spontan fällt mir nur ein dazu, dass auch Ekstase und Trance ein Teil sind von Dir, selbst wenn Du sie per Hilfsmittel herbeiführst. Sie werden in Dir wachgerufen.
Das heißt, dass Du diese Fähigkeiten grundsätzlich besitzt, ja dass Du selbst das bist.
Die vermeintliche Leere hinterher ist also ein Zurückfallen in die Empfindungslosigkeit, weil diese Gefühle erschöpft und ausgeplündert sind und Regenerierung brauchen.

Es gibt auch einen anderen Weg, sie schrittweise zu wecken und am Leben zu erhalten, hin zur stillen kleinen Freude, der ist freilich mühsam, vor allem dann, wenn das Loch, also der Raum aus dem etwas herausgerissen wurde, Quelle steten Schmerzes ist. Und ohne "professionelle" Hilfe ist er nicht zu bewältigen.

Ansonsten: Kommt Zeit kommt Freundin.

lg
Sintram




Ina

Hallo Camusian,

auch von mir ein herzliches Willkommen von mir!

Genau wie Sintram schreibt, kann auch ich mich in einigem von dem, was Du
geschrieben hast, wiederfinden. Was mich besonders berührt ist, dass Du sagst,
Du könntest dieses herausgerissene Stück Deines Herzens nur spüren und wieder-
finden, wenn Du in Ekstase und Trance bist. Sprichst Du von Drogen? Wenn ja...
dann versteh ich es zu gut. Ich bin von Benzodiazepinen abhängig. Und immer,
wenn ich gerade auf Diazepam war, konnte auch ich dieses Stück meines Herzens
endlich wieder spüren. Ich war in Ruhe und in Frieden, im Einklang mit mir selbst.
Und dann war das, wonach ich mich so lange gesehnt habe, wieder da. Nur für
einen kleinen, kurzen Moment. Sehr wertvoll. Aber kein guter Weg. Weißt Du ja
selbst, davon gehe ich aus.

Es gibt aber auch etwas, wo ich Dir widersprechen möchte: Ich glaube nicht, dass
es einem auf Dauer wirklich besser gehen würde, wenn man einen Partner hätte.
Klar, zuerst gibt einem das Kraft und Glückseligkeit und Freude und noch viel mehr.
Aber das ist nicht alles. Dadurch verschwindet die Depression nicht. Ich hatte vier
Jahre lang einen sehr lieben Partner, der leider auch unter Depressionen litt. Anfangs
war ich überglücklich und bin davon ausgegangen, dass nun alles gut werden muss.
Wurde es aber nicht. Im Gegenteil, vieles wurde sogar noch viel schlimmer. Ein ande-
rer Mensch kann uns wahrscheinlich gar nicht "retten" und erlösen, womöglich können
wir das tatsächlich nur selbst. Inzwischen habe ich wieder einen Partner und ich kann
nur sagen: Es hilft mir kein Stück, um aus der Depression herauszukommen. Es ist
ein sehr harter, schwieriger Weg, irgendwann wieder Licht in der Dunkelheit zu sehen.
Aber damit dieses Licht - was uns ein Partner vielleicht für einige Zeit geben oder sein
kann - dauerhaft leuchtet, müssen wir lernen und selbst zu lieben und zu akzeptieren.

Das war's erstmal von mir.


Viele Grüße,
Ina


PS: Du hast einen sehr schönen Schreibstil, gefällt mir!
Love is God's favorite daughter. (David Crosby)

camusian

Hallo Wohlstandspudel, hallo Sintram,

danke für euren Zuspruch. Auf der einen Seite, ja, es steckt ein Stück Persönlichkeit in mir, da ist nicht nur Leere. Mein besonderes Dilemma, so empfinde ich es, ist gerade, dass ich diese starken Gefühle, die sich manches Mal einen Weg an die Oberfläche erkämpfen nirgends wiedererkenne, manchmal glaube ich auf einem leblosen Planeten zu wandeln.

Ein anderes Mal wiederum denke ich, dass es auf einem Zurückschrauben beruht, weshalb ich in so tiefe Abgründe falle. Dass ich mich nicht traue so zu sein wie ich möchte. Vielleicht würde mir da "professionelle" Unterstützung wirklich weiterhelfen, wobei ich diese Option schon längere Zeit durchspiele und mich immer noch nicht dazu durchringen konnte...besonders in den letzten Wochen hat mir meine Stimmung stark zugesetzt, oft liege ich den halben Tag im Bett und habe nicht einmal die Kraft diejenigen Dinge anzupacken, die ich eigentlich dringend erledigen müsste. Lieber schalte ich ab als meinen Alltag zu ertragen, der mir keinen Halt mehr schenkt. Besonders jetzt in den Semesterferien kann ich mich kaum noch zu etwas aufraffen.

Was du, Wohlstandspudel, zu Freundin und Freizeit schreibst... bei mir ist das eine komplizierte Angelegenheit. Ich trage aus der Vergangenheit schlechte Erfahrungen in punkto Beziehung mit mir herum, weswegen ich mich im Grund auch nicht unter Druck setze, es ist vielmehr meine Resignation darüber, dass wirklich nicht annähernd jemanden gibt im Universum, der auf meiner Wellenlänge ist.

Das mündet schließlich ein in die Frage - bin ich es, der Probleme hat oder gibt es auch auf der anderen Seite Sachen die behoben werden müssten? Kein Plan, im Grunde liegt es auch an mir, dass ich vorankomme. Momentan ist das irgendwie schwer für mich, weshalb ich hier auch schreibe, um das zu verarbeiten - danke fürs Lesen ;)

camusian

Abend InaDiva,

ich bin vor allem von Musik abhängig  ;) , oder davon im Halbschlaf in eine Zwischenwelt abzugleiten, nicht die Sorgen und Herausforderungen um mich spüren zu müssen. Was mich schwer verletzt ist das Wiedererwachen aus dieser Stimmung, ich hatte das vor kurzem auch unter Alkoholeinfluss - entgegen meiner Maßgabe, nach einem Abend mehrere Tage nichts zu trinken war ich an zwei Tagen berauscht und hatte anschließend das unbequeme Vergnügen, dass die Sorglosigkeit innerhalb weniger Stunden durch den "Entzug" sich verflüchtigte und ich plötzlich von Angstzuständen gepeinigt wurde.

Es ist ein auf und ab - der innere Frieden und die Glückseligkeit werden mit einem mal entrissen und händeringend gesucht, doch nichts ist da, was sie dem wachen Auge wiederbringen könnte. Manchmal glaube ich, wenn ich meinen Alltag nur offener, "gefahrvoller", offensiver und ohne zu zweifeln leben würde, den angstvollen Schauer zuließe, dass ich daraus mit diesen inneren Genuss erfahren könnte, wie er mir in Trance oder in tiefem inneren Frieden widerfährt.

Genau das was du zum Thema Partnerschaft schreibst spüre ich - ein Verlangen, das ich doch als unstillbar erkenne, weil es doch dem schönsten Bild noch immer an etwas besonderem mangelt, einem außerordentlichen Wert, den nur ich zu kennen glaube...

Danke für deinen Willkommensgruß! LG camusian