Die Gedanken sind frei

Begonnen von Mami-ela, 12 März 2009, 20:46:44

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Mami-ela

Die Gedanken sind frei. Dieser Satz stammt von meiner Therapeutin.
Aber wann folgen diesen Gedanken Taten?
Anlass für meinen heutigen Beitrag ist der gestrige Amoklauf in Winningen.
Wie sehr muss dieser Junge unter Druck gestanden haben? Wie sehr verletzt muss ein Mensch sein um zu solchen Taten fähig zu werden? Er war depressiv und wohl auch in Behandlung. Warum merkt dann niemand die Nöte eines pubertierenden Jungen?
Nicht das ihr mich falsch versteht, ich finde wirklich schrecklich was da passiert ist.
Aber ich versuche eben auch zu verstehen, wie sowas passieren kann. Es gibt soviele Sachen, die in dieser Gesellschaft einfach gegen den Baum laufen. Es gibt kein Miteinander und Füreinander mehr. Warum?
Was mir natürlich noch zu denken gibt, ist das als eine von mehreren Gründen die Depressionen gehandelt werden.
Er war sehr ruhig und "InSichgekehrt"- ich auch. Er war sehr verletzlich- ich auch. Er war sehr angepasst- ich auch.
Bin ich jetzt eine tickende Zeitbombe?

Entschuldigt meine wirren Gedanken. Ich musste sie einfach loswerden.
Mami-ela

Jonas(Guest)

*****
Zitatnatürlich bist du keine tickende zeitbombe nur weil du ruhig bist und eventuell zurückgezogen lebst.***********
  Eine perfekte Ferndiagnose, kein Professor könnte es besser deuten. Und selbst ein Professor bräuchte ein persönliches Gespräch dazu

*******man darf auch nicht depressionen in verbindung mit dem amoklauf bringen.******

Nein das darf man nicht. Wieso wird es in den Medien dann angesprochen. Muss gleich mal bei BW3 anrufen, das Pudel es untersagt hat

*****es sind die medien die viel aufputschen, so nach dem motto: depressiv=verrückt=amok, das trifft keinesfalls zu.*******
Ach die Medien putschen hier was auf!!!!!! naja, bei 16 Toten sollen die den Ball mal mal flach halten

*******viel mehr ist die gesellschaft also solche mitverantwortlich, wer z.b. keine markenklamotten hat, oder kein neuestes handy hat, wird oftmals ausgegrenzt****************.
Tim K. war aus gutem Hause.

Jonas

Mami-ela

Ich muss gestehen, jetzt bin ich etwas verwirrt. Ich dachte, dies ist ein Forum der „Ruhe“. Aber auch hier spüre ich die allgegenwärtige Aggressivität.

@Pudel: Danke für deine Antwort. Ich finde es auch schade, dass in den Medien viele Sachen verallgemeinert werden.
Viele hier wissen, dass bei Depressionen die Aggressionen meist gegen die eigene Person gerichtet werden.
Ich denke genauso wie du, dass Menschen, die nicht ins deutsche Schema F passen, schnell verurteilt werden. Und viele werden dadurch schlecht behandelt. Einer steckt das weg, ein anderer nicht. Und das hat auch sicher nichts damit zu tun, ob jemand aus einem „guten Hause“ kommt. Was ist das eigentlich? Kann mir das mal einer definieren?

@Jonas: Niemand will hier diese Tat verharmlosen. Aber alles was in den Medien jetzt ausgewertet wird, sind eben nur Annahmen. Schließlich kann den Täter niemand mehr fragen. Vielleicht passt er in irgendeine Statistik, aber es ist eben nur eine Statistik.

Ich wollte mit meinem Beitrag eigentlich nur meinen Unmut gegen diese Verallgemeinerung äußern.

Liebe Grüße
Mami-ela

Strider

Hallo Mami-ela!

Ich mag Deine Gedanken sehr!
Ich weiss das wir oft in Deutschland das Thema haben, das Täterschutz vor Opferschutz geht und ein grade letztens verhängtes Urteil scheint diese These zu stützen. Ich sehe aber den Umgang mit dem Thema Schuld oft als zu leichtfertig an.
Sicher ist der Täter verantwortlich dafür das er an diesem Tag losging und Menschen umbrachte und das nichts an Gefühlen diese Tat rechtfertigt ist sicher auch richtig. Doch betrachten wir es Subjektiv, als Opfer von aussen!
Das verstehn von Antrieben kann zu veränderungen führen und somit vielleicht einen grösseren Schutz bieten, als das populistische Ausschlachten solch einer Massen- und Medienwirksamen Tat. Das hinterfragen kann besseren Schutz bieten als der reine Akt des Richtens!
Wer glaubt das die Menschen oder die Gesellschaft nach so einer Tat aufwacht liegt falsch. Es werden jetzt wenige Wochen Diskussionen geführt und dann wird ein neues Thema den alten Schmerz ablösen.
Es ist immer nur das Erwachen aus einem Bösen Traum!

Ich weiss aus meinem eigenen Leben herraus, das es einen Punkt gibt an dem man nicht mehr kann. Man kann als Mensch irgendwann so Verletzt sein, das es egal ist wer sonst noch leidet, hauptsache man selber nicht mehr!
Natürlich haben seine Opfer nicht den Tod verdient, aber wer weiss wie zerstört er am ende war und welchen Anteil an der zerstörung seine Opfer trugen?
Er könnte sicher ein fehlgeleiteter Irrer gewesen sein, aber eben auch ein Opfer einer Gesellschaft in der er für sich keinen Platz mehr gesehen hat und der er möglicherweise am Ende so hilflos gegenüberstand das er, in seinen Augen, nur noch zu diesem Mittel greiffen konnte. Die frage nach den Anteilen der Gesellschaft an dieser Tat ist doch nicht ungerecht!
Sondern ein normaler Vorgang in der Lösung von Problemen. Nur ist das gewollt?

Ich brauch jetzt keine Diskussion darüber das ich hier den Täter schützen würde und mehr Verständniss für Ihn als für seine Opfer hätte! Aber doch muss ich sagen dürfen das die meisten Taten einen Antrieb haben und den müssen wir beobachten und versuchen zu verstehn, um solche Taten im besten Falle in der Zukunft zu vereiteln.

Wenn wir nicht schaffen, den Menschen als Gesellschaft ein Gefühl von Verbundenheit zu geben, werden wir auf Dauer immer wieder mit solchen Taten konfrontiert werden. Wir könnten diese Taten vielleicht reduzieren wenn der Staat seiner Rolle als Verteiler des Bruttosozialproduktest besser gerecht werden würde und er somit einer zufriedeneren Gesellschaft vorschubleisten würde! Aus dieser Spannungsgelösten Gesellschaft könnten dann wieder neue Impulse für eine liebevolleres miteinander entspringen. Impulse für ein positives Selbstwertgefühl der Menschen. Aus diesem positiven Selbstwertgefühl könnten die Menschen dann gestärkt den Impulsen für solche Taten wiederstehn, anstatt sich mit Gewalt gehör zu schaffen!

Die Ursachen zu entdecken ist nie verkehrt oder wird den Opfern nicht gerecht! Das warum als Triebfeder, muss grade auch im hinblick auf die Opfer, aufgedeckt werden. Dann gäbe es sogar in solch sinnloser Zerstörung einen Funken Hoffnung.
Aber Erkenntnisse das er Por*nobilder auf seinem Rechner hatte oder das sein Vater wohl unachtsam die Waffe verwahrt hatte oder er Depressiv war helfen doch niemandem.
Das echte auseinandersetzen mit dem Täter ist auch nicht immer gewollt, um die eigene Schuld, die wir als teil einer vereinsamten Gesellschaft zu tragen haben, nicht bemerken zu müssen.
Wir müssen dem Täter den Boden unter den Füssen wegstossen damit er in die Schlinge fällt. Das fühlt sich nur Gerecht an, wenn wir unschuldig sind.
Der Henker soll seines Amtes mit gutem Gewissen folgen können und der Zuschauer soll zufrieden nach Hause gehn dürfen!

Die Evolution vom Individuum zum Opfer, der dann zum Täter wird um wieder Opfer der Gerechtigkeit der Ungerechten zu werden, ist eine Farce die kein Ende nehmen wird, solange wir als Gesellschaft versagen!

   Die Gedanken sind frei
   Wer kann sie erraten?
   Sie rauschen vorbei
   Wie nächtliche Schatten.
   Kein Mensch kann sie wissen,
   Kein Jäger sie schießen.
   Es bleibet dabei:
   Die Gedanken sind frei!

lg, Streicher

Gypsy

"Die Ursachen zu entdecken ist nie verkehrt oder wird den Opfern nicht gerecht! Das warum als Triebfeder, muss grade auch im hinblick auf die Opfer, aufgedeckt werden. Dann gäbe es sogar in solch sinnloser Zerstörung einen Funken Hoffnung.  
Aber Erkenntnisse das er Por*nobilder auf seinem Rechner hatte oder das sein Vater wohl unachtsam die Waffe verwahrt hatte oder er Depressiv war helfen doch niemandem."

Streicher... wo würdest Du denn anfangen, die Ursachen zu suchen?
Wenn man nun mal den einzigen, der es wirklich weiß, nicht mehr fragen kann?

Strider

Ich weiss natürlich das ich keine umfassende oder allgemeingültige Antwort geben kann. Wenn ich mir aber solche Taten in der Vergangenheit ansehe, sind es mir zu oft Menschen die in irgendeiner Form eine Störung in ihrer Sozialentwicklung haben.
Da müssen wir denke ich genauer hinschauen!
Was geben wir Uns für Werte mit auf den Weg, wenn an Schulen oder an unseren Arbeitsplätzen gemobbt wird? Was für Werte tragen Wir, wenn Wir uns über Autos oder Kleidung definieren?
Was für Werte vermitteln wir Uns?
Was für ein Vorbild ist der Staat wenn er es zulässt das Bildung nicht mehr alle erreicht?
Wenn er Lehrkräfte zusammenstreicht weil die Gelder fehlen? Wenn das individuelle Fördern von Kindern hintenansteht und eine gewisse massenabfertigung stattfindet?
Wenn der Staat sich als erfüllungsgehilfe der Industrie verdingt und nicht als Interessenvertreter der Menschen?
Was für Werte werden dann gross in der Gesellschaft?

Wenn wir unseren Kindern womöglich die Idee mit auf den Weg geben das sie nicht teil des ganzen sind sondern fremdbestimmt, dürfen wir uns nicht wundern wenn es Revolution gibt. Ein Amoklauf ist doch im übertragenen Sinn Revolution!
Ich sage aber auch nicht das alle Täter den selben Antrieb haben. Ich sage nur, wir müssen die Werte überprüfen die in unserer Gesellschaft gültigkeit haben! Die unser Staat mit seinem Sendebewusstsein verbreitet!
Ich bin der festen Überzeugung das der Staat als Vorbild und multiplikator für gesellschaftliches Denken und handeln, schon lange versagt hat und das auf dieser Ebene ein umdenken stattfinden muss!

In wie weit das in meiner Macht liegt lass ich auch mal unkommentiert! Ich denke ich persönlich kann nur auf Netzwerkebene handeln. In meinem Umfeld hoffe ich das ich für positive Werte stehe und diese vermittel!
Was der Staat oder andere tun kann ich nicht steuern!
Zum denken anregen, so wie hier auf dieser Ebene, gehört zu meinen möglichkeiten!
Ob positiv oder negativ sei auch dahingestellt!

lg, Streicher

Gypsy

Ja, Streicher, da stimme ich Dir schon zu.

Aber trotzdem sehe ich es ein bisschen aus einer anderen Richtung. Auf den Staat zu "schimpfen" ist zwar sicher nicht unberechtig, aber auch ziemlich einfach. Das empfinde ich so ähnlich wie jemanden, der bei allem schlimmen was passiert sagt "Gott hat das so gewollt" - diese Lösung ist mir zu einfach, das sehe ich nur als ein Abschieben der Verantwortung auf eine "höhere Macht".

**Was für ein Vorbild ist der Staat wenn er es zulässt das Bildung nicht mehr alle erreicht?**
Was für ein Vorbild sind Eltern, die sich nicht dafür interessieren, dass ihre Kinder die Schule schwänzen und sich jedes Wochenende ins Koma saufen? Die zulassen, dass ihre Kinder gar nicht an Bildung interessiert sind?

Verstehst Du was ich meine?
Ich glaube, das Umdenken muss auf einer ganz anderen Ebene stattfinden. "Der Staat" kann sich nicht jedes einzelnen Menschen annehmen. Aber Eltern sollten in der Lage sein, sich ihrer Kinder anzunehmen. Weißt Du, wieviele junge Lehrer ich kenne, die sich sehr gerne mehr engagieren würden, unabhängig davon, ob sie das bezahlt oder anerkannt bekommen? (Ok, es sind nur drei, aber immerhin...) Und weißt Du woran es scheitert? Nicht am Staat, sondern an den Kindern, die gar kein Interesse an individueller Betreuung und Unterstützung haben. Die sich nur für ihre Markenklamotten, Handys und Drogen interessieren. Und das haben 13, 14-jährige, die noch nicht mal wissen, wer in D Bundeskanzler ist, gewiss nicht vom Staat, sondern von dem, was sie zuhause, von ihren Eltern, vorgelebt bekommen.

Streicher, wie Du ja auch sagst, solche positiven Werte müssen vermittelt und vorgelebt werden. Das hat aber mit dem Staat relativ wenig zu tun, sondern macht nur "im kleinen" Sinn. Der Staat soll sich ma lieber um die Industrie kümmern, da sind wir als Einzelpersonen nämlich wirklich überfordert ;)

Mami-ela

@streicher: Du sprichst mir aus dem Herzen.
Wie schon gesagt, in dieser Gesellschaft liegt wohl einiges im Argen. Schwierig ist es wohl "Schuldige" zu finden. So etwas lässt sich auch nicht Pauschalisieren.
Wir sollten wieder mehr "Miteinander" als uns mit vergänglichen Werten zu konkurieren.

@Gypsy: Ich finde es gefährlich, die Verantwortung nur auf die Eltern festzulegen. Wir leben in einer GESELLSCHAFT. Auch hier darf man nichts Pauschalisieren. Es sind so viele Einflüsse die auf die Kinder einwirken, da haben die Eltern nie die "Totale Kontrolle"! Hast du Kinder?
Ich habe 2. Meine Tochter ist 14, und glaube mir, es ist normal dass sich die Kinder irgendwann von den Eltern entfernen. Sie sollen ja auch ihren Weg im Leben finden. Ich kann sie lenken und leiten. Ich kann hinschauen und darauf eigehen, wenn ich denke, dass etwas in die falsche Richtung läuft. Aber ich kann sie nicht total kontrollieren.
Ich hoffe, du verstehst was ich meine.

Danke für eure Antworten.

LG
Mami-ela

Gypsy

Hey Mami-ela,

ja, verstehe schon, was Du meinst. Ich will die Verantwortung auch nicht NUR auf die Eltern schieben. Und natürlich kann man auch nicht die "totale Kontrolle" über seine Kinder haben. Ich hab keine Kinder, also weiß ich natürlich auch nicht wirklich, wovon ich rede. Aber zumindest war ich selber mal Kind - und auch nicht gerade ein "pflegeleichtes" ;)

Ich denke nur, bei den Eltern fängt es eben an. Ich beobachte zu oft, wie egal es Eltern ist, was ihre Kinder eigentlich so treiben. Und wenn sich die Eltern nicht darum kümmern, dann kann die Gesellschaft glaube ich auch nichts mehr ändern.
Natürlich kommen neben den Eltern unendlich viele weitere Einflüsse dazu, aber ich denke, die Eltern sind der größte und wichtigste Einfluss. Und wenn es da schon nicht stimmt... was sollen dann Lehrer, Erzieher oder der Staat bewirken können?

Liebe Grüße
Gypsy