Warum bedeutet armsein, Ausgrenzung und Eisamkeit?

Begonnen von costa, 09 Dezember 2008, 14:32:34

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costa

Schönen guten Tag!

Gleich eines vorweg, ich weiß ganz genau, daß es Leute gibt, dennen es noch viel schlechter geht als mir.

Ich habe den Weg von ganz unten alleine wieder geschafft, habe eine kleine Wohnung bekommen und mir ein altes Auto gekauft, das ich brauche, um in die Arbeit zu kommen. Arbeite leider zu Zeiten, wo keine Öffis fahren.

Nach meiner Scheidung habe ich von unseren gemeinsamen "Bekannten" nur gehört, ja als Paar schon, aber du alleine, na wir wissen nicht, jetzt haben wir keine Zeit und dann auch nicht. Also, wollen sie mich nicht, ist ja auch egal. Ich habe das mit den Behörden, der Wohnung und allen auch ohne sie geschafft, klar wäre vieles einfacher gewesen, wenn ich teilweise eine Unterstützung gehabt hätte.
Mir persönlich geht auch nichts ab, ich meine von den materiellen Dingen, wie es in mir drinn aussieht ist eine andere Geschichte. Aber egal, wo man hinkommt, es zählt nur, was du hast, wer du bist, welches Auto du fährst, und wo du im Urlaub warst. Wenn man dann, so wie ich sagt, ich war nur zuhause, ich kann mir einen Urlaub nicht leisten, so redet plötzlich keiner mehr mit mir. In der Arbeit bei den Kollegen bin ich auch unten durch, da ich nicht jeden Tag in die Kantine mitgehe, sondern mir meine Jause von zuhause mitnehme, da ich mir die Kantine nicht leisten kann. In der Pause wird sowieso nur geredet, welches Auto man jetzt unbedingt braucht, welches Navi man ganz unbedingt braucht, und wenn man nicht den oder jenen computer zu hause hat, so ist man ja sowieso kein Mensch.
Letzte Woche haben wir die einladung zu unserer Firmenweihnachsfeier bekommen und schon habe ich von anderen gehört, "gell, du kommst eh nicht, denn über was soll man mit dir reden? Über deine Fische oder deine Katze?".
Gut, sie haben ja eh recht, ich mag solche Feiern sowieso nicht, aber über was soll man mit mir wirklich reden, da ich mit der Spaßgesellschaft nicht mitkann und auch teilweise nicht mit will, auch weil ich es mir nicht leisten kann, denn ich muß mit 50,- Euro pro Woche auskommen. Es interessiert ja eh keinen, wie es einen geht, es zählen ja nur wirtschaftliche Aspekte.

Bin ich denn wirklich kein Mensch mehr, nur weil ich mir vieles nicht leisten kann?




knut(Guest)

hallo costa

ja das was du da erzählst, kommt mir auch sehr bekannt vor...bin zwar noch "unten"...also hab keinen job...und muss fürchten dass ich in eine behindertenwerksatt komme...und dort so denk ich wirds mir innerlich sicher noch beschissener gehen...

die wirtschaftlichen punkte wie auto, tv, compi, küche, klamotten machen denke ich mal in dieser welt einen menschen aus...wenn man all das nicht hat gilt man als "penner"...und warum soll man sich mit solchen leuten abgeben ?

aber dennoch gibt es sicher dinge bei denen man zusammen auch spass haben kann, kommt auch drauf an wieviel es kostet...zb joggen kostet nich soviel oder eigentlich gar nichts es sei denn man nimmt am marathon teil...vorrausgesetzt man versucht sich dabei auch selber zu steigern...hm ein kumpel von mir macht das jedenfalls so...

gibt aber auch leute denen sicher geld nich alles im leben ist...

sorry mehr fällt mir dazu grad nich ein...muss ja selbst was tun damit ich nich den anschluss verliere...

gruss knut

Gypsy

#2
Lieber Costa...

nur ein Gedanke... vielleicht liege ich da auch falsch...

Ich weiß nicht, ob Armut der Grund für deine Einsamkeit und diese Ausgrenzungen ist.

Weißt du, ich verdiene nicht schlecht. Deswegen bin ich trotzdem oft einsam und werde ausgegrenzt. Mir fällt es schwer, gemeinsame Gesprächsthemen mit manchen Leuten, vor allem in der Arbeit, zu finden, auch wenn die Leute eigentlich alle nett sind.

Vor meinem neuen Job, den ich jetzt seit gut 1/2 Jahr hab, hatte ich aber auch gerade das nötigste, um zu überleben. Trotzdem gab es da Zeiten, wo ich sehr viel mehr Freunde hatte als jetzt.
(Allerdings wird es bei mir auch noch dauern, bis sich meine finanzielle Situation tatsächlich bessert, da ich momentan kein besonders gutes Verhältnis zu Zäunen und Leihwagen habe... aber das ist ein anderes Thema :-[)

Was diese "Bekannten" betrifft... haben sie auch noch Kontakt zu deiner Exfrau? Vielleicht ist auch das der Grund... weil sie nicht "zwischen den Stühlen" stehen wollen... das ist schwierig, wenn sich ein Paar nach längerer Zeit trennt, dann zu dem einen zu sagen "sorry, wir wollen lieber den Kontakt mit deinem Expartner halten, weil wir den schon länger kennen/netter finden/keine Ahnung was"...
Besonders nett ist es natürlich trotzdem nicht.

Vielleicht ist es auch die Art wie du etwas sagst. ***ich war nur zuhause, ich kann mir einen Urlaub nicht leisten*** - das kann man in einem etwas säuerlich angefressenen Tonfall sagen, so dass dann tatsächlich keiner weiter nachfragt. Ich hatte allerdings noch nie Schwierigkeiten, wenn ich auf diese Frage geantwortet habe, dass ich nicht verreist bin, aber xy und z unternommen habe und das auch schön war.
Und jetzt sag nicht, dass man ohne Geld gar nichts unternehmen kann.

Überleg mal... was würdest du antworten, wenn dir jemand deine Antwort auf die Frage nach einem Urlaub geben würde. ***ich war nur zuhause, ich kann mir einen Urlaub nicht leisten***
Wenn ich mir vorstelle, dass das eine Arbeitskollegin zu mir sagt... hm, mir würde eine Antwort schwer fallen. Ohne dass ich denke, dass ich mit der nichts mehr zu tun haben will, weil sie sich keinen Urlaub leisten kann.
Bei einer Freundin, die ich gut kenne, wäre das einfacher. Da würde ich sagen, hey was ist denn los, kann man dir irgendwie helfen... aber das Verhältnis zu Arbeitskollegen ist meist distanzierter. Deswegen auch diese oberflächlichen Gesprächsthemen.

Und wenn du sagst, dass du mit der "Spaßgesellschaft" gar nicht mit willst (was ich gut finde und wo ich dir nur zustimmen kann) - dann stellt sich mir aber auch die Frage, ob irgendetwas anders wäre, wenn du viel Geld hättest.
Deine Antwort würde lauten ***ich war nur zuhause, weil ich 4 Wochen all inclusive auf Malle bescheuert finde***
Das betretene Schweigen deiner Arbeitskollegen wäre dann nur umso "lauter" :)))

Costa, ich find dich ok so wie du bist. Mach dich doch nicht von der Meinung von so oberflächlichen Idioten abhängig!!!

costa

Danke für eure lieben und aufmunternden Antworten.

Dennoch denke ich, man sieht einen an, ob man arm oder reich ist. Jetzt, wo die Leute sowieso alle ganz Weihnachtsverrückt durch die ganzen einkaufstempel stürmen und man selbst nur Auslagen anschauen kann. Ich laufe nicht in zerschließenen Gewand herrum, aber es ist halt schon gebraucht und alt, und ich habe immer den Eindruck, ich werde von allen schief angeschaut, da ich nicht das neueste trage, sondern meine Sachen sind alle mindestens fünf Jahre alt oder auch älter. Aber das ist etwas anderes. Es tut weh, nur schauen zu müssen.

Leiste ich mir dann oder wann mal einen Kaffee, habe ich sowieso das "Glück" das am Nebentisch über Dinge geredet wird, welche man so unbedingt braucht, weil sonst ist man ja kein Mensch. Mir tut das immer ziemlich weh, denn ich sitze in einer kleinen kalten Wohnung, denn die Heizung kann ich mir nicht leisten. Für eine Unterstützung verdiene ich gerade um 12 euro zuviel. Muß ich mich halt warm anziehen und einen guten warmen Tee genießen.

Dennoch habe ich das Gefühl, ich bin ein Mensch 2. Klasse.

Gypsy

Costa, sorry, das ist jetzt sicher nicht das, was du hören willst...

aber ich glaube zu 90% ist es deine eigene Wahrnehmung die dir dieses Gefühl gibt, ein "Mensch zweiter Klasse" zu sein.

***und ich habe immer den Eindruck, ich werde von allen schief angeschaut, da ich nicht das neueste trage, sondern meine Sachen sind alle mindestens fünf Jahre alt oder auch älter***
Also ich trage auch viele Sache, die ich seit Jahren schon habe. Einfach weil sie bequem sind, mir gefallen, noch nicht kaputt sind... warum sollte ich sie dann wegwerfen und mir neue kaufen? Auch z.B. meine Eltern, die nun wirklich keine, nicht die geringsten Geldsorgen haben, machen das so.
Ich habe eine zeitlang in München gewohnt, ich denke es gibt wohl keine andere Stadt in Deutschland (oder nur wenige), wo so sehr auf Äußerlichkeiten geachtet wird. Aber auch da hat mich so gut wie nie jemand schief angeschaut, wenn ich alte Sachen anhatte.

***habe ich sowieso das "Glück" das am Nebentisch über Dinge geredet wird, welche man so unbedingt braucht, weil sonst ist man ja kein Mensch***
Auch das ist mir jedenfalls noch nie passiert, obwohl ich durchaus öfters mal einen Kaffee trinken gehe. Im Normalfall stehen die Tische weit genug auseinander, dass man gar nicht so genau hört, was am Nebentisch geredet wird. Außerdem geht es mich bzw. dich nichts an, was am Nebentisch geredet wird - also lass sie doch reden. Und diese Gespräche, die du da mitbekommst, beziehen sich doch nicht auf dich.

Costa, auch eine kleine kalte Wohnung kann man, auch ohne Geld, gemütlich herrichten. Und es kann wirklich sehr gemütlich sein, in eine warme Decke eingemummelt mit einer heißen Tasse Tee in der kalten Wohnung zu sitzen. Viel schöner, als auch im Winter im T-Shirt rumzuspringen, weil die Wohnung ja warm genug ist.

Statt mit großen Augen und Ohren durch den Weihnachtstrubel zu laufen und all das wahrzunehmen, was du nicht hast/nicht haben kannst - richte deinen Blick doch mal auf die Dinge, die es dir ermöglichen, deine Situation schöner zu gestalten.
Höre nicht auf das Gerede oberflächlicher Menschen, sondern auf das Knistern des Schnees unter deinen Schuhen.
Schau dir nicht in den Schaufenstern die Dinge an, die du dir nicht leisten kannst, sondern schau mal, was du in der Natur findest, womit du dein Zuhause gemütlich und weihnachtlich herrichten kannst - ein paar Tannenzweige, Hagebutten, Efeu... bestimmt kannst du dir eine Kerze für 50 cent dazu leisten - dann hast du schon mal ein hübsches Weihnachtsgesteck.

ClaraFall

Hallo Costa,

in der Gesellschaft scheint es oft so zu sein, dass man nur etwas gilt, wenn man Kohle usw. hat. Aber das ist falsch, der Mensch ist doch derselbe, alles andere ist doch nur materiell...

Die Sprüche die du hören musstest, z.B. zum Thema Firmenweihnachtsfeier: "Gell, du kommst eh nicht, denn über was soll man mit dir reden? Über deine Fische oder deine Katze?" Das ist wirklich unter aller Sau. Es gibt bestimmt Leute, die auch eine Katze oder ein Aquarium haben (ich z.B.) und darüber kann man sich auch ohne viel Geld auf dem Konto unterhalten.

Es gibt vielleicht auch Leute, die sich einfach nicht trauen sich mit dir zu verabreden, weil sie Angst haben es könnte dir unangenehm sein, weil du dir dieses und jenes eben nicht leisten kannst. Zum Beispiel Pizza essen gehen, wenn dir deine Verabredung dann vielleicht eine Pizza spendieren wollte, könnte dir das peinlich sein oder so.

Ich verstehe aber was du meinst, dass die liebe Gesellschaft einfach die Menschen zu sehr nach dem beurteilt, was man hat.
Ich sage dazu nur, dass man bei vielen von denen lieber nicht hinter ihre Tür schaut, weil bei vielen meist auch nur der Schein trügt.

Kopf hoch Costa, auf die Leute, die sich nur mit dir abgeben wollen wenn du "was zu bieten" hast, kannst du getrost verzichten.

Liebe Grüße, Clara

costa

@Gypsy

Costa, sorry, das ist jetzt sicher nicht das, was du hören willst...

Warum sollte ich das nicht hören wollen? Du hast ja recht.

Die Leute am Kaffeehausnebentisch können mir egal sein, und es war sicherlich nicht auf mich bezogen, hab nur ein wenig mitgehört, gut ich hätte ja auch nicht hinhören brauchen. war ja auch nicht für mich bestimmt, ich habe mir nur so meine Gedanken gemacht, was denen wichtig ist, und wie ich lebe.

Und das mit dem Gewand.
Möglicherweise bilde ich mir das auch nur ein, ich meine, ich bin sauber, meine Kleidung ist sauber(meistens, außer wenn ich von der Arbeit komme), aber eben alt und nicht modern.  Dennoch, wenn ich mir so Auslagen von Geschäften ansehe, welche ich mir sowieso nie leisten kann oder auch möchte (Stiefletten um fast 600,- Euro), und die Verkäufer schauen raus, schauen sie einen so an, wie wenn sie sagen würden, geh weiter, das ist nichts für dich, das kannst du dir nicht leisten. Das ist mir nicht erst einmal passiert, gut ich kaufe sowieso solche teuren Schuhe nicht, oder andere Sachen.

Dennoch bleibe ich bei der Meinung, man sieht den Leuten das Armsein doch an.