Gedichte aus der Seelennacht

Begonnen von Sintram, 05 Juni 2010, 08:06:54

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Sintram

Rätselhaft

Ihr glaubt es sei von Wichtigkeit
ob eure Pläne recht gelingen
und eure Wünsche in Erfüllung gehen
ob eure Kinder werden wie ihr hofft
und eure Schuldenberge abgetragen werden
Erkennt ihr nicht die Nichtigkeit
der Illusion in allen Dingen
könnt ihr die Flüchtigkeit nicht sehen
die Macht des Schicksals unerhofft
in diesem Jammertal auf Erden

Ihr sammelt Schätze wo sie Motten fressen
und macht euch Sorgen um das Morgen
ihr plant und grübelt um die Speise
die Kleider und den Platz zum Schlafen
setzt alle eure Kraft darein
Habt ihr die Sterblichkeit vergessen
sagt wo ist euer Herz geborgen
seht doch das Hörnchen und die Meise
die alles Raffen Lügen strafen
so federleicht und frei im Sein

Ihr seid mir fremd und rätselhaft
der Tod erscheint euch wie ein Feind
dem zu entrinnen euer Trachten gilt
verbraucht die Lebenskraft auf eurer Flucht
und gebt den Dingen Macht
Schon bald seid ihr hinweggerafft
wenn euer Abgang wird betrauert und beweint
nichts bleibt von euch als nur ein kleines Sterbebild
doch Frieden findet nur wer ihn da sucht
am hellen Tag und in der finstren Nacht

Ihr klammert euch ans Leben
verdrängt und leugnet seine Endlichkeit
mit regem Tun wollt ihr dem Ende Fristen setzen
mit Plag und Mühe eure Erdenzeit verlängern
so sagt mir doch seid wirklich ihr so blind
Ist euch das Sehen nicht gegeben
seid ihr Gefangne eurer kurzen Zeit
die ohne Halt durch Raum und Leben hetzen
ein Heer von Sklaven und Verdrängern
wann habt getötet ihr in euch das Kind

Sei wie es sei ihr könnt mich nicht begreifen
ihr seid verhaftet in Begrifflichkeiten
ein Fremder bin ich euch aus einer andern Welt
und wie es scheint ich bin es in der Tat
seit eure Lebensweise ich verlassen
kann ich des Daseins Unbill von mir streifen
mich häuten und verpuppen zu gegebnen Zeiten
und achte nur auf das was wirklich zählt
verachtet ruhig meinen leisen Rat
denn was ich weiß könnt ihr nicht fassen


Sintram

Fremder auf Erden

Wo anderen das Leben winkt
weist´s mir den Tod nur und Verderben
was anderen wie Hoffnung klingt
tönt mir wie Untergang und Sterben
was jenen Sicherheit und Halt
drückt nieder mich mit Urgewalt
was diesen scheint gerecht und gut
entreißt mir allen Lebensmut

Wo andere Erfüllung finden
und ihres Daseins festen Grund
will´s grausam mich zu Tode schinden
und peinigen zur letzten Stund
sie jagen und sie plagen mich
bedrängen mich gar fürchterlich
sie rauben stets die Ruhe mir
geächtet wie ein wildes Tier
bleib ich ein Fremder hier auf Erden

Und find ich Zuflucht irgendwo
so lauern sie an meiner Tür
sie wissen nicht warum wieso
sie fragen nicht einmal wofür
es reicht dass ich ein andrer bin
mich widersetze ihrem Sinn
und ihre Ordnung nicht begreife
wenn ich durch weite Wälder streife
die frei in meinem Geist erblühn

Sie werden niemals mich begreifen
und meine Absicht nie verstehn
wenn flüchtig sie mein Dasein streifen
und wieder ihrer Wege gehn
mein Auge fasst das Firmament
den Schlund der schwarzen Löcher kennt
es ruht sich aus auf Blumenwiesen
und wäscht sich rein wenn Tränen fließen
es will in Liebesflammen glühn

Sag kennst du mich
mit welchem Namen nennst du mich

Sintram

Regentag

Der Tag beginnt
es rauscht der Regen
das Wasser rinnt
der Felder Segen

Der Himmel grau
die Wolken dicht
wohin ich schau
kein Sonnenlicht

Muss mit dem Regenschirm mich quälen
durch Pfützen und durch Schauer schälen
die Düsternis drückt mein Gemüt
den Kopf gesenkt was da noch blüht

Die Straße nass
die Erde feucht
verschwunden rasch
was kreucht und fleucht

Die Vögel stumm
die Biene fern
die Katze krumm
sie schlummert gern

Des Wetters Unbill ist mir widrig
der Trübsinn groß das Wohlsein niedrig
ach mag die Sonne mich doch wecken
mit Strahlen meine Nase necken

Sintram

Vergeblichkeit

Ich will in den tiefsten Abgrund gleiten
wo die Geister der Toten vorüberreiten
auf Gäulen mit blähenden Nüstern
und dunkle Geheimnisse flüstern
von wiederkehrenden Sünden
die niemand kann überwinden
der Lebenden ewiges Irren
die Toten kann nicht mehr verwirren
sie sind wie Meinesgleichen
und wollen nichts mehr erreichen
weil außerhalb Raum und Zeit
sie sehn die Vergeblichkeit

In Nichts sie all Jenen gleichen
die lauernd mein Lager umschleichen
um mich aus der Ruhe zu reißen
mit ihrem Kot zu beschmeißen
ganz einfach weil ich es wage
und ihnen die Wahrheit sage
die Dinge beim Namen nenne
die ich aus der Unterwelt kenne
weil ich ihren Hochmut verlache
mir nichts aus den Göttern mache
die eitel sie selbst sich erschaffen
und speie auf ihre Waffen

Die Schatten fürchten mich nicht
sie lächeln mir ins Gesicht
sie wissen um mein Verstehen
vom steten Vorübergehen
sie wissen der Lebenshauch
ist flüchtiger noch als Rauch
das menschliche Dasein ist Flucht
ein Torkeln in Lebenssucht
ein Taumeln Schwanken und Fallen
und alle Rede bleibt Lallen
denn alles Begreifen ist nichts
im Feuer des jüngsten Gerichts

Sintram

Nathan der Weise

Lass den Tag beginnen
zu Ende geht er ganz von selbst
lass die Zeit verrinnen
nicht du den Bogen wölbst

Nicht du lenkst die Gestirne
die Läufe ihrer Bahn
nicht du kennst die Gehirne
und ihren stillen Wahn

Es gibt gar tausend Fragen
du kennst die Antwort nicht
die Nacht ist voller Klagen
drum strecke dich zum Licht

Lass ruhen was vergangen
du änderst es nicht mehr
nimm deine Angst dein Bangen
versenke sie im Meer

Die Ruhe wohnt im Schweigen
und in der Stille Kraft
des Lebens bunten Reigen
hast du bis hier geschafft

So lass den Tag verrinnen
die Zeit sie ist bestimmt
´s liegt nicht in deiner Hand
wann sie den Odem nimmt

Sintram

Freitod

Obgleich es ausgeträumt
bin dennoch ich ertrunken
hab kurz mich aufgebäumt
und bin dann still versunken

Nun wandre ich im Totenreich
und seh vor mir mein Leben
das niemals wieder ich erreich
und das mir wär gegeben

Ich seh was ich verschuldet
an meiner Liebe Herz
ich spür was sie erduldet
und leide ihren Schmerz

Ich sehe meine Chancen
und kann sie nicht ergreifen
in allen Farbnuancen
ich seh davon sie schweifen

Drum allen die dies lesen
und die den Freitod wählen
das ist es nicht gewesen
ihr müsst euch weiterquälen

Sintram

Fürbitte

Die alle Hoffnung verloren haben
denen dieses Wort verhasst ist
das sie unablässig quält
die sich am letzten Ausweg laben
weil Verzweiflung ihre Seele frisst
sich Tag für Tag aus den Gedanken schält

Die das Erdensein nicht mehr tragen
weil es wahrlich unerträglich ist
und das Joch des Lebens von sich streifen
die den Schritt ins Ungewisse wagen
deren Qualen kein Begreifen misst
die in ihrer Seelenpein den Tod ergreifen

Denen sie mit Höllenstrafe drohen
die Seelenklempner und die Schriftgelehrten
um ihnen diese Lösung zu verstellen
bis zum Weiterleben sie verrohen
die zum Daseinskampf Bekehrten
möchte Gott doch ihren Schmerz erhellen

Dass sie sehen dass ihr feines Fühlen
ihre Wunde und Verletzlichkeit
ihr Zerbrechen an der Grausamkeit der Welt
nicht entzündet ist um abzukühlen
eine helle Flamme ist ihr schweres Leid
die dem Egomanen seine Selbstgerechtigkeit vergällt

Dass ihr Untergang ein Menetekel sei
für die Sieger denen sie Verlierer sind
und ihr Scheitern ein Triumph
dass der selbstgewählte Tod sie setze frei
niemals werde stumm ihr Lied im Wind
niemals ihre scharfe Klinge stumpf

Was den Überlebenden Vernichtung
ihnen Pforte in die Ewigkeit
wenn Erbarmen endlich finden
aus der Dunkelheit Verdichtung
dem Entsetzen dieser Zeit
sich in die Erlösung winden

Mögen sie als Helden auferstehen
die als Feiglinge verdammt
wie Verbrecher sind geächtet
mögen tränenvoll sie in die Freude gehen
ihre Richter aber in die Flammen allesamt
denn verworfen sei wer rechtet


Sintram

Der reiche Prasser

Vom Flammenschwert werd ich verzehrt
was machte ich denn nur verkehrt
ich tat doch gut war auf der Hut
und leide nun in Feuersglut
werd eines Besseren belehrt

Mein Kleid wird mir zum Leichentuch
da ist kein Segen da ist Fluch
weiß nicht wofür hinter der Tür
ich weine und es grauset mir
vor Schwefelduft und Grabgeruch

Ach Engel komme doch herab
steig nieder in der Gruften Grab
und weck mich auf heb mich hinauf
schwer ist mein Herz gelähmt mein Lauf
der dunkle Pfad führt mich hinab

Wo ist der Fehl wo ist die Schuld
wo ist die Gnade wo die Huld
es reut mich was nur reuen kann
was hab verbrochen ich und wann
ein Blinder der nicht sehen kann
ja selbst das Gute wird zum Wahn
und Langmut folgt der Ungeduld

Was ist der Grund für diese Pein
ein dunkler Schlund ein finstres Sein
jedoch ich habe keine Wahl
ich harre hier am Ort der Qual
und trage gar des Kaines Mal
ich geb es zu wenn’s denn beliebt
ich hab zuwenig wohl geliebt
doch war ich wirklich so gemein

persephone

#23
Schöne Gedichte.

Sintram

Sonnenuntergang

Das Tageslicht schwindet unbemerkt
stiehlt heimlich still und leise sich davon
die Dämmerung folgt ihm auf dem Fuß
schleicht raschelnd durchs Gebüsch
hüllt den Himmel in wachsende Dunkelheit
die Amsel hat genug gestochert und gewerkt
der fahle Mond besteigt seinen silbernen Thron
ein letztes müdes Lied zum Abendgruß
im Handumdrehen wird es frisch
im nahen Wald das Käuzchen schreit

Ich warte auf die Nacht
die mich verbirgt vor fremden Blicken
mich stumm in ihren Mantel hüllt
von niemandem will ich gesehen sein
verschmelzen mit dem Erdenschatten
da Finsternis bricht an mit Macht
den Todesengel auszuschicken
die kalte Hand die man am Herzen fühlt
die uns erschaudern lässt bis ins Gebein
dass jede Hoffnung will ermatten

Geborgenheit kennt nur der Lebensmüde
wenn schwere Schwingen auf ihn niedersinken
denn Angst bereitet ihm allein das Leben
das fordernd und erpressend seine Ruhe raubt
nur um erneut ihn mit dem Schein zu trügen
der Liebe Keuschheit ist mitnichten prüde
ihr trautes Werben will hinüberwinken
statt Überdruss Glückseligkeit ihm geben
im letzten Ringen schwankend er geglaubt
der Todesengel aber will ihn nicht belügen

Von Schwerkraft an die Erde angekettet
erdrückt von Sorge Pein und Last
genug gelebt gekämpft gelitten
so sehnt der Mensch zuletzt sich nur nach Frieden
Erlösung ist sein einziges Verlangen
sieht er den Engel weiß er sich gerettet
er atmet auf nun ist vorbei die Hast
im Todeskampf hat er genug gestritten
kein Grund mehr hält ihn noch hienieden
und aufgelöst sind Schmerz und Bangen

Wir alle werden diese Schwelle sehen
ob mitten wir im Leben oder hochbetagt
ob in der Jugend Blüte oder in der Kindheit Segen
denn niemand kennt die Stunde die ihm schlägt
sie kommt wie Wehen über Nacht
sind wir bereit ins helle Licht zu gehen
haben um Gnade und Vergebung wir gefragt
ist fortgespült die Schuld im Tränenregen
wenn unser stolzer Stamm wird abgesägt
und können sagen wir es ist vollbracht

Sintram

Träume

Wo sind meine Träume geblieben
wann hab ich sie abgeschrieben
was hat meinen Urwald entlaubt
wer hat meine Welten geraubt

Ich kann sie immer noch fühlen
muss tief im Vergangenen wühlen
bis in meinem Geist sie sind da
unverstellt deutlich und klar

Sie leuchten in meinen Gedanken
hinter düsteren Schranken
ich habe nicht einen verloren
hab ewige Treue geschworen

Sie wollen verwirklicht nicht sein
sind zu groß das Leben zu klein
und doch will ich sie behalten
weil sie mein Sein gestalten

Die große Lüge dieser Zeit
bezeichnet sich als Wirklichkeit
ich kehre in Träume zurück
nur dort finde ich das Glück

Ja besser ist es zu sterben
als mit dieser Welt verderben
ich habe sie ändern wollen
doch hat es sein nicht sollen

Die Stolzen werden nicht bestehen
die Reichen werden leer ausgehen
die Mächtigen gestürzt vom Thron
die Niedrigen erhöht zum Lohn

und Zerberus der Höllenhund
erwartet die am Höllenschlund
die einen Mühlstein am Halse tragen
gerichtet von der Kleinen Klagen

Ist dieses nun kein böser Traum
so kümmert ´s doch die Meisten kaum
sie glauben nur den Augen
die nicht zum Schauen taugen

Den Traum von einer bessern Welt
in der nicht Geld noch Reichtum zählt
wo Frieden und Gerechtigkeit
bezwingen Krankheit Tod und Leid

in der das Wort noch etwas gilt
und Liebe nicht nach Herrschaft schielt
Natur und Tierwelt ist geheiligt
der Mensch an ihrem Wohl beteiligt

bewahre ich in meinem Herzen
beschütze ihn vor Nacht und Schmerzen
und irgendwann das ist mir klar
da werden meine Träume wahr


Sintram

Dichters Lied

Der Mensch will Geld in dieser Welt
zu kaufen alles was gefällt
weil er nicht weiß was wirklich zählt
und hat er’s dann so will er mehr
um voll zu stopfen was da leer
macht selber sich das Leben schwer

Nun Meinesgleichen schert es nicht
verträumt den Tag schreibt ein Gedicht
genießt die Sonne im Gesicht
schlägt manchmal ein paar Fliegen tot
verdient sich nicht sein hartes Brot
ist eng vertraut mit Angst und Not

Denn alles was der Mensch erfindet
ihn fester an das Elend bindet
in dem er Tag und Nacht sich windet
die Amsel singt die Natter ringelt
frühmorgens wenn sein Wecker klingelt
ist er von Lebenskampf umzingelt

Das stolze Schiff mag untergehen
Taubstumme sprechen Blinde sehen
die Erde wird sich weiterdrehen
das Sterben ist der Dinge Wesen
der Wind wird meine Fährte lesen
als wär´ ich niemals da gewesen

Das Nichts will ich euch hinterlassen
ihr seht mich nicht könnt mich nicht fassen
im Schatten eurer blinden Gassen
ich hab euch wahrlich nichts zu sagen
es geht mir gut ich kann nicht klagen
was stemme ich könnt ihr nicht tragen

Was sehe ich könnt ihr nicht schauen
ihr mögt den eignen Augen trauen
und eure Märchenschlösser bauen
was höre ich bleibt für euch stumm
was mir gerade scheint euch krumm
und was mir weise dünkt euch dumm

Ich hab die Sonne ausgetrunken
und bin im tiefsten Meer versunken
wo Pech und Schwefelhauch gestunken
hab vom verbotnen Baum gekostet
bin wie ein alter Kahn verrostet
hab´ s bis zur Neige ausgekostet

Mein Lächeln ist von Schmerz durchdrungen
die letzten Lieder sind gesungen
die feigen Mörder schon gedungen
nun da zuletzt ich heimgekommen
mein Lieb mir hab zur Frau genommen
wird´ s mir verübelt von den Frommen

Mein Glück zu halten jede Stunde
mit ihr zu dreh´ n noch manche Runde
ist alles was ich heut bekunde
der Rest ist Staub und graue Asche
die froh ich aus dem Sinn mir wasche
wenn ich von ihrem Honig nasche

Denn alles was zuvor ich hatte
ist Abfall nur und Fraß der Ratte
und flohverseuchte feuchte Matte
erst jetzt ruht Licht auf meinem Kissen
will ihren Atem nimmer missen
liebkosen sie mit tausend Küssen

Sintram

Mein dunkles Kind

Bedenke dies und wisse wohl
dass wir alleine sind
auf dieser Welt mit Werten hohl
und flüchtig wie der Wind
wir werden mit ihr untergehen
doch niemand kann die Lust verstehen
die wir dabei empfinden
wenn wir Befreiung finden
aus dieser Lebensqual
durch fremde oder eigne Wahl

Drum denk daran und merk es dir
du Kind der Seelennacht
wir beide sind wie Fremde hier
seit wir hierher gebracht
Die da im Diesseits hängen
die Todesangst verdrängen
sie werden niemals uns begreifen
und unsre Welt nur flüchtig streifen
in ihren schwarzen Stunden
wenn brav sie lecken ihre Wunden

Denn hier wo wir zu Hause sind
ergreift sie Grauen nur
darum gib acht mein dunkles Kind
ihr Überlebensdrang ist stur
sie wollen uns zum Leben zwingen
an ihren Daseinskampf verdingen
den längst wir aufgegeben
sowie das stete Weiterstreben
sie sind im Herzen blind
wir aber können sehn mein Kind

Die da vor uns gegangen
erfüllen uns mit Trauer
wir werden einst erlangen
der Seele stillen Schauer
wenn sie vom Leib gelöst
in dem sie allseits nur gedöst
um endlich zu erwachen
mit Jauchzen und mit Lachen
ihr wahres Wesen zu erkennen
mit neuem Namen zu benennen

Wir sind von einem andern Stern
im Denken und im Fühlen
wir kennen unsrer Seele Kern
nach dem sie grimmig wühlen
sie wollen ihn entfernen
sie wollen uns entkernen
damit wir ihresgleichen werden
die wandern da in großen Herden
sie können ihn nicht finden
uns niemals an sich binden

Wir sind erlöst von diesem Sein
in fernen weiten Galaxien
ist unser Mut auch noch so klein
nichts kann uns in Materie ziehen
die Gabe der Vernunft
ist unbekannt in unsrer Zunft
die sogenannte Wirklichkeit
bereitet uns nur Not und Leid
allein im Augenblick
wächst fröhlich unser kleines Glück
sie können ihn nicht fassen
und müssen uns verweilen lassen

Sie mögen weiterirren
den Stillstand von sich weisen
ihr Treiben soll uns nicht verwirren
ihr Zug in festgefügten Gleisen
sie drehen eisern ihre Runden
und zählen zitternd ihre Stunden
für sie sind wir verrückt
denn das was uns verzückt
jagt ihnen Schrecken ein
sie sind im Tun und wir im Sein
sind hastig eifrig abgelenkt
von dem was uns den Frieden schenkt

Wir lernen von den Tieren
die um kein Morgen wissen
in keine Zukunft stieren
und die Sekunden küssen
sich aneinander schmiegen
in ihren Nestern liegen
entrückt von Raum und Zeit
mit Träumen groß und weit
die still und heimlich sterben
und keinen Halm vererben
in ihrem Selbst verweilen
bis ihre Wunden heilen
in ihrer Mitte ruhn
was ihnen gleich wir tun

Sintram

Der Selbstkrieg

Der neue Morgen graut
mit Grauen bricht das Sonnenlicht im Pulverdampf
der immer noch in geisterhaften Schwaden
wie Nebel über dem Schlachtfeld steht
lang war die Nacht und qualvoll war das Sterben
mein müdes Auge schaut
im Geiste noch den fürchterlichen Kampf
mit Blut getränkt die tauben Waden
die letzten Schreie hat der Wind verweht
und all mein guter Glaube liegt in Scherben

Die Unschuld fiel zuerst
starb jämmerlich in meinen kampferprobten Armen
bevor die Sanftmut niedersank
zerfetzt die Brust die Hand geballt zur Faust
und hilflos kochte in mir blanke Wut
wenn du von Rache hörst
halt ein und denk an gütiges Erbarmen
denn blinder Hass macht deine Seele krank
ein Dämon der in deinem Innern haust
und dich verzehrt mit höllenheißer Glut

Doch als der gute Glaube niedersank
zersiebt zerrissen in den Dreck getreten
da kochte in mir bitterlicher Zorn
den Hochmut streckte nieder ich mit einem Streich
und spaltete sein Haupt bis auf das Bein der Brust
als da die reine Demut lag der Seele blank
die Lästerung verhöhnte stilles Beten
da stach ich ihr ins Herz direkt von vorn
und wurde den gefällten Feinden gleich
mein Schwert erglühte in des wilden Tötens Lust

Der Hoffnung waren beide Beine abgerissen
der Boden trank ihr dickes Blut
als der Verzweiflung schlug das Haupt vom Rumpf
ich mit erloschnem Licht
und warf dem Spott es vor die Füße
die Wahrheit wollte ihre Fahne hissen
doch als sie barst sank ihr der Mut
sie starb auf Knien hielt noch die Stange stumpf
mit heißen Tränen im Gesicht
als ich der Lüge schickte meine letzten Grüße

Ich riss das Herz ihr aus dem Leib
es pochte noch in meinen blutgetränkten Fingern
als neben mir die Reinheit gellt´ im Todesschrei
besudelt und geschändet auf den Boden schlug
riss ich der Hinterlist das Auge aus der Höhle
die Feigheit wie ein böses Weib
sprang in die Beine mir und brachte mich ins Schlingern
schlug mitten durch den Nabel sie entzwei
fuhr jäh herum und schnitt dem Trug
mit scharfer Klinge durch die Kehle

Von hinten stieß mir in den Rücken der Verrat
als ich der Treue die gebrochnen Augen schloss
ich würgte rasend ihn mit bloßen Händen
bis Blut er röchelnd spie die Lunge barst
und die Vergebung auf mich fiel in wilder Agonie
ich hielt sie bebend in den Armen grad
als mir ein blinder Pfeil in meine Hüfte schoss
wie Tobsucht wallt´ der Schmerz in meinen Lenden
Spott- schrie ich- der du stets ein Schleicher warst
und hieb den Unterschenkel ihm vom Knie

Die Langmut schied mit der Barmherzigkeit
umschlungen bis zuletzt im Todeskampf
als ich die Ungeduld zum Teufel schickte
der Mitleidslosigkeit das Schwert auf ihre Schulter senkte
und ihr das rechte Herz vom linken trennte
die Güte schwand den Blick getrübt von namenlosem Leid
die Hände in die Brust gekrallt im letzten Krampf
als ich dem Hass in die verzerrten Züge blickte
und meines Schwertes Schneide in sein Antlitz lenkte
ihm nicht einmal ein letztes böses Flackern gönnte

Dann fiel die Liebe tief ins Herz getroffen
den stummen Schrei riss ihr der Tod von ihren fahlen Lippen
dumpf schlug sie auf und hauchte ihre Seele aus
als der Berechnung schnitt mein Schwert von Ohr zu Ohr
das dunkle Hirn an seiner Spitze stakte
ich taumelte und wankte wie besoffen
und fühlte jäh den Pfeil in meinem Muskel wippen
mit Zähnen knirschend riss ich ihn heraus
vor Schmerz ich die Besinnung fast verlor
als ich der Bosheit seine Spitze in den Magen hakte

Der Frieden ging mit flehender Gebärde
in aufgerissnen Augen noch die letzten Schrecken
als ich dem Krieg mit meines Schwertes Griff hart in den Rücken schlug
und hörte krachend seine Wirbel brechen
er knickte um wie ein gefällter Baum
mit Blut gesättigt war die Erde
rundum ein Jammern Klagen und Verrecken
mein letzter Gegner war der Selbstbetrug
todmüde konnt´ ich ihm in den Rachen stechen
vom Blut der Selbsterkenntnis war getränkt sein Saum

Dann stand ich still mit schwerem Atem
gefällt der Feinde finstre Schar
doch auch die lichten Freunde in den Staub gesunken
verloren alle hatt´ die Schlacht ich auch gewonnen
so war mein Lebenswille doch gebrochen
ich hub die Gräber aus mit scharfem Spaten
war nicht mehr Jener der ich vorher war
hab meiner Feinde gift´ges  Blut getrunken
war´s auch auf meines Schwertes Klinge längst geronnen
hab den Gestank des Bösen doch ich in mir selbst gerochen

Denn jeden Feindes Blick den ich erschlug
trag eingebrannt ich wie ein schwarzes Mal
schier unauslöschlich in der Seele
und hätt´ den Kampf ich nicht erbittert aufgenommen
so lebten meine Freunde noch
die Qualen waren allzu groß die ich ertrug
unzählig ihrer Stunden Zahl
ein Umstand den ich nicht verhehle
nicht ohne Grund war es zur Schlacht gekommen
ansonsten säße ich im Kerkerloch und trüge noch der Knechtschaft Joch

So musste ich zum Schwerte greifen
um meine Freiheit zu erringen
da jeder Würde ich gemein beraubt
und meiner Feinde Spiegelbild erschlagen
war da der Preis auch noch so hoch
der Tötungswille musste in mir reifen
die Opfer meiner Schwerter Klingen
haben der Wahrheit nicht geglaubt
konnt´ ihre Lüge nicht mehr tragen
die da aus finstren Löchern kroch

Zu guter letzt war´s doch ein großer Sieg
und nicht umsonst das Gute ist gestorben
durch seinen Tod das Böse ist bezwungen
bin ich auch leer und ausgebrannt
so hab ich doch das neue Land gewonnen
und wär ich nicht gezogen in den Krieg
hätt nie mein Selbst ich mir erworben
und nicht des Glückes Pfand errungen
wär stumpf in meinen Tod gerannt
und all mein Leben wär zerronnen

Wohl ist vernarbt nun meine Seele
der Rücken leicht gekrümmt die Augenbrauen schwer
und sehe Zorn ich und Gewalt so schaudert´s mir
wenn tiefe Müdigkeit mich überfällt
ob all des Blutes das von Menschen wird vergossen
der Tabak dörrt mir meine raue Kehle
nicht selten bin ich von Gedanken leer
und starre vor mich hin grad wie ein krankes Tier
dem alle Lebensfreude ist vergällt
weil seine Kraft wie kaltes Kerzenwachs zerflossen

Doch hätt ich nicht zerschmettert meine Feinde
mit aller Wut und Raserei
so hätten sie ´s mit mir getan
ich müsste wandeln bei den Schatten
in finsterkalten Seelenhallen
so aber hüte ich die Kinder meiner Freunde
sie krabbeln noch auf allen Vieren eins zwei drei
und manches plagt ein neuer Zahn
und will der Mut mir manchmal auch ermatten
so richte ich mich auf an ihrem süßen Lallen

Dir aber der dies liest dir sei gesagt
es gibt nur einen Menschen den du fürchten musst
blick in den Spiegel dann erkennst du ihn
er ist dein ärgster Feind wenn es ums Überleben geht
sei auf der Hut vor ihm  selbst wenn du ihm vergibst
erst wenn du älter bist und hochbetagt
und wenn beruhigt sich des Lebens pralle Lust
kannst du getrost in seine Hütte ziehn
weil er wie du vor seiner letzten Schwelle steht
dann lass es ruhig zu dass deinen Feind du liebst

persephone

#29
Das gefällt mir bisher am besten. Erinnert mich ein bisschen an Macbeth.