Das Erinnern

Begonnen von AHunter, 27 Januar 2010, 09:05:04

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AHunter

Das Erinnern

Schreie meine Freundin an und schlage schep-
pernde Glastüren, während sie aufgelöst in
Tränen niederkniet, ihre Ohren vor meinen grell-
lauten Tönen mit ihren Händen versucht zu
schützen, und doch vergebens.
Ich kann nicht aufgeben, nicht aufhören.
Einzig eine Flucht vor der Situation, vor ihr, vor
mir selbst, hinaus aus dem Gemäuer, das uns
so eng in diesem Schmerz innehält.
Wie ich rausrenne, ohne schützende Kleidung,
keiner Jacke, keinem Schuh, spüre ich die stech-
end bittre Kälte der Welt und des Schnees
und sogleich wird mir bewusst, dass ich nicht
mehr rennen kann, nicht mehr davon komme.
Sehe sie vor meinen Augen.
Wie sie lebten, aber nur als Schatten, Marionet-
ten meiner verschwommenen Einbildung.
Sie legen sich nieder, schon wieder.
Nichts hält sie ab, weder mein Toben, noch mein
Schreien. Sind zu müde, zu kraftlos, sind nicht
da und dennoch strecke ich meine Arme aus,
um zu greifen, aufzufangen oder sie zumindest
in dieser kalten Ferne zu erfassen.
Ohne Erfolg. Nichts wird sie abhalten. Sie -
sterben. Ich -
lebe.
Und es fühlt sich so unerträglich an. Wollte
nichts mehr darüber wissen. Wollte nicht mehr
daran erinnert werden, weil nichts es aufhalten
konnte und weil ich es nicht war.

Nun sind nur Scherben geblieben, in diesem
alles zerfrierenden Schneegestöber. Scherben
meiner Gedanken, meiner Welt, meiner Freundin
und von mir.
Wie man sie auch greifen will, man schneidet
sich nur. Das Weiss färbt sich tröpfelnd immer
rötlicher und schafft es nicht mehr auch nur die
kleinste Form zusammenzusetzen.
So aussichtslos. Der Tod.