Bin die Neue

Begonnen von Seni, 15 Januar 2021, 10:38:14

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Seni

Hallo zusammen,

ich bin neu hier und möchte mich kurz vorstellen.

Ich bin 55 Jahre, habe einen Mann und zwei Töchter und leide nun schon sehr lange an Depression.
Natürlich habe ich das nicht sofort so genannt. Ich habe (zu) lange funktioniert, in diesem grauen Roboter-Dasein mit funkelnder Fassade. Das kennen sicher viele von euch.

Die Fassade ist nun schon fast 5 Jahre eingestürzt. Eine Reha, zwei Klinkaufenthalte und jetzt die zweite Therapieform später hat sich leider kein schöner neuer Weg dahinter aufgetan.
Momentan bin ich einfach nur hilflos resigniert. Bleibt das jetzt so?
Wie geht ihr mit solchen Phasen um?

Viele Grüße
Seni

Ina

 
Hallo liebe Seni,

herzlich willkommen im Forum!
Ich hoffe, Du findest hier, was Du suchst und wünsche Dir einen guten Austausch und dass Du Dich bei uns wohlfühlst.

"Bleibt das jetzt (immer) so?", das habe ich mich auch schon oft gefragt. Wenn ich aber genau hinsehe und die letzten Jahre reflektiere, erkenne ich, dass sich durchaus schon einiges verändert hat. Veränderungen im Innern – im Denken, in der Einstellung, der Haltung – brauchen Zeit. Und genauso braucht es auch Zeit, sie zu erkennen: Meine persönlichen Fortschritte nehme ich meistens erst viel später und mit zeitlichem und emotionalem Abstand wahr.

Heilung ist ein Prozess. Gib und nimm Dir Zeit dafür, ohne zu viel von Dir zu erwarten. Es tut sich immer etwas, auch wenn man es nicht sofort bemerkt. Ich glaube, wirklicher Stillstand (seelisch) ist eher eine Seltenheit, auch wenn man sein Leben häufig so wahrnimmt.

Alles Gute und liebe Grüße
Ina
Love is God's favorite daughter. (David Crosby)

Seni

Vielen Dank für die nette Antwort, Ina.

Ja, wahrscheinlich hast du recht und ich muß eben noch mehr Geduld mit mir haben.

Hier zu sehen, wie es anderen geht, hilft ja auch schon. Man ist eben doch nicht so allein,
wie man denkt.

LG
Seni

ToteMoewe

Hallo liebe Seni,

schön, dass du hier bei uns bist!

Ich verstehe sehr gut, was du meinst.

Wie Ina schon sagte, Veränderung braucht Zeit, manchmal viel Zeit; aber Veränderung geschieht immer.
Dadurch leben Menschen und die von ihnen erschaffenen Dinge - oder sie gehen dadurch kaputt. Mit Veränderung und Zeit.
Und damit die Depression kaputt geht braucht es manchmal eine unvorstellbar riesige Menge davon.

Du hast hierher gefunden. Das ist ein Anfang, ein Veränderung.
Für mich war es ein riesen Schritt mich in diesem tollen Forum zu registrieren, und vorallem das Schreiben hat mich anfangs viel Kraft und Überredungskunst an mein verängstigten Ich gebraucht.
Aber es hat funktioniert und ich bin dankbar für diese Entscheidung.

Ich hoffe, du findest die Veränderungen, die du benötigst!

Viel Kraft und liebe Grüße,

Möwe
All I´m trying to do is live my motherfucking life
Wear a smile on my face, but there´s a demon inside.

"Jekyll and Hyde" – Five Finger Death Punch

Seni

Vielen Dank, liebe Möwe.

Ja, es hat mich auch viel Kraft und Überwindung gekostet, mich hier anzumelden und dann auch noch zu äußern.

Schon solch liebe Antworten auf mein "Hallo" zu bekommen, ist echt schön. Danke!

LG Seni

claudi

Hallo liebe seni

Ich möchte dich auch ganz lieb U herzlich willkommen heißen

Schön das du zu uns gefunden hast

Ich möchte mich heute als depressionsfrei bezeichnen
Meine Ärztin hat es mal so formuliert ich werde mein Leben lang gut auf mich aufpassen müssen und natürlich heisst das Jetz nicht das ich nie wieder im Leben depressionsfrei sein werde

Ich glaube ganz entscheidend ist der Umgang damit und die Ursache der Depression
Und so wie du es schon tust nicht zu zögern sich Hilfe zu holen

Ansonsten möchte ich mich meinen vorschreiberinnen anschließen

Es braucht wirklich sehr viel Zeit Mut U geduld

Alles Liebe für dich

Claudi
Ich kämpfe-bis zum Schluss!!
Step by step!!

claudi

Oh ich sehe grade ich habe da komisch formuliert
Entschuldige bitte

Ich wollte sagen

Natürlich heisst das Jetz nicht das ich mein Leben lang keine Depressionen mehr bekommen kann
Ich kämpfe-bis zum Schluss!!
Step by step!!

Seni

Hallo Claudia,
Danke für deine Mut machende Antwort.
Ja, passe gut auf dich auf.
LG Seni

claudi

Bitte claudi😏
Is zwar nicht mein realer Name
Aber da bin ich bißchen eigen😉

Ich geb mir Mühe

Aber du wirst merken hier passen wir alle aufeinander auf
Und du wirst dich bestimmt wohlfühlen

Lg
Ich kämpfe-bis zum Schluss!!
Step by step!!

Seni

Oh, sorry.
Claudi - natürlich. Wer lesen kann ist klar im Vorteil.

claudi

Gar kein problem liebe seni
Ich kämpfe-bis zum Schluss!!
Step by step!!

Ina

 
Zitat von: Seni in 15 Januar 2021, 11:38:39
Ja, wahrscheinlich hast du recht und ich muß eben noch mehr Geduld mit mir haben.

Geduld ist hier wohl genau das richtige Stichwort, liebe Seni. Leider, denn wenn man sich so schlecht fühlt, möchte man natürlich, dass es einem so schnell wie möglich besser geht oder dass es wenigstens große, sichtbare Fortschritte in eine positive Richtung gibt. Geduld zu haben, ist dann schwer.

Depressionen sind nicht von einen Tag auf den anderen plötzlich da. Du hast es ja selber gemerkt: Du hast jahrelang funktioniert und eine Fassade aufgebaut – vermutlich um den Alltag noch irgendwie geregelt zu bekommen, eventuell auch, damit andere nicht sehen, wie es Dir wirklich geht; und vielleicht auch aus einer Art Selbstschutz heraus, um Dich nicht mit dem, was Dich belastet und zu Deiner Depression geführt hat, näher auseinandersetzen zu müssen (das ist natürlich nur eine Theorie von mir). Deine Depression hat sich also über Jahre eingeschlichen und entwickelt, bis Du die Fassade nicht mehr aufrechterhalten konntest.

Zum Glück bist Du aber aktiv geworden: Du warst in Kliniken und auch in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung und hast damit den Stein ins Rollen gebracht. Dass Du davon (noch) nichts oder zumindest noch nicht viel merkst, finde ich nicht ungewöhnlich. Viele Prozesse laufen unterbewusst ab und "reifen" dort, bevor sie auch im Außen, also in der eigenen bewussten Wahrnehmung sichtbar werden, sodass man damit "arbeiten" kann.

Dass Du Dich hier registriert hast, ist ein weiterer guter Schritt! Ein Forum ist sicher kein Ersatz für professionelle Hilfe eines Psychotherapeuten oder Psychiaters, kann aber sehr unterstützend wirken und gut tun. Ich halte den Austausch mit anderen Betroffenen für wichtig und hilfreich. Verstanden werden, angenommen werden, "verrückte" Gedanken aussprechen dürfen, die im privaten Umfeld vermutlich niemand versteht, Trost finden, andere Sichtweisen kennenlernen, andere Meinungen hören... Ja, das tut gut – und ich wünsche Dir, dass Du all das hier findest!

Alles Liebe
Ina
Love is God's favorite daughter. (David Crosby)

Seni

Vielen Dank Ina, für deinen lieben Kommentar.
Ja die Geduld, das ist schwer.
Deine Theorien zur Fassade stimmen alle. Noch jetzt ist es mir schwer anzusehen, wenn es mir swchlechter geht.

Was mich bei dem ganzen Prozess so irritiert, ist, dass ich immer weniger schaffe. Kurz nach meinem Zusammenbruch 2016 konnte
ich micht viel tun, das stimmt. Aber dann habe ich immerhin noch den Haushalt einigermaßen hinbekommen, bin aus dem Haus gegangen
oder habe ein Buch geschrieben, gezeichnet und gemalt, viele Dinge ausprobiert, wie Yoga oder Chi Gong.
Doch es wurde mit der Zeit immer weniger. Jetzt kann ich das Haus nur noch unter Angst verlassen, wenn überhaupt. Der Haushalt liegt
im Argen, Selbstführsorge gleich Null, Zeichnen oder Schreiben geht nicht, Musik hören ist völlig unmöglich.
Ich dachte, es muß doch wenigstens auf einem niedrigen Level bleiben, aber nein, es wird immer weniger.
Das kann ich mir nicht erklären. Verstehst du das?
LG
Seni

Fuchs

Hey! Ich bin Judith. :)  Ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn ich meine Gedanken dazu hier schreibe.

Du beschreibst ja, dass Du vor Deinem Zusammenbruch immer noch irgendwie funktioniert hast und viele Dinge tun konntest, die Dir in Deiner Freizeit Freude und Spaß gebracht haben. All diese Dinge sind nach dem Zusammenbruch weniger geworden, bzw. mittlerweile ganz verschwunden.

Ich könnte mir vorstellen, dass das daran liegt, dass Deine Gefühle und die Symptome, die mit den Depressionen einhergehen, "endlich" genug Platz haben. Du sagst ja selbst, dass Du sie lange unterdrückt hast - vielleicht klappt im Moment überhaupt nichts, weil sich ganz viel in Dir angestaut hat und jetzt raus will und Platz einfordert.
Außerdem wirken sich Depressionen nicht nur auf einem Bereich des Lebens aus und kommen auch häufig nicht nur aus einem - und deshalb hast Du vielleicht auch gerade so viele Probleme dabei, Deinen Alltag zu gestalten und Dinge zu tun, die Dir Freude bereiten und gut tun.
Therapie ist ja auch nicht eine konstante Steigerung der Gefühle und Lebensqualität, sondern es gibt immer wieder Auf und Abs. Es werden auch wieder Zeiten kommen, in denen alles besser wird und Du wieder die Dinge tun kannst, die Du früher gern getan hast - oder auch ganz neue Dinge.

Ich hoffe, es war verständlich, was ich ausdrücken wollte.
Liebe Grüße an Dich,
Judith
Denn unerträglich muss dem Fröhlichen
Ein jäher Rückfall in die Schmerzen sein.

- Iphigenie auf Tauris (Goethe)

Seni

Hallo Judith,
vielen Dank für deine Worte und klar kannst hier schreiben. Ist ja gut, viele Meinungen zu hören. Das hilft.

Du hast da einen guten Punkt aufgegriffen. So habe ich das noch nicht betrachtet. Ich habe halt anfangs noch viel
von meiner Fassade aufrecht erhalten. Doch nach und nach kam in der Therapie ein Punkt nach dem anderen zum
Vorschein. Es stimmt, da ist jetzt vieles im Gange. Da bleibt wahrscheinlich wirklich kein Platz und keine Energie mehr.

Manchmal kann ich das einfach nicht sehen, wie viele Themen in mir arbeiten. Da sitze ich ratlos vor dem Scherbenhaufen
und weiß nicht, wie ich das je wieder zusammenkriege.

LG Seni