Ich habe das Gefühl, das Leben spielt mir übel mit ...

Begonnen von Clemont, 12 Juli 2019, 00:01:14

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Clemont

Hallo liebe Community,

ich habe den Titel oben im Internet eingegeben, weil ich das Gefühl habe, genau das passiert mit mir - das Leben spielt mir übel mit. Daraufhin bin ich auf dieses Forum gestoßen. Dann denke ich aber auch wieder, es gibt doch so viele Menschen, die doch viel mehr leiden als ich. Mir geht es gut. Ich hatte das Glück, nie wirklich von Depressionen betroffen zu sein (ich hoffe, mein Beitrag wird dennoch hier angenommen ... ), von meinem guten Lebensstandard mal ganz abgesehen. Evtl. ist es "meckern auf hohem Niveau", aber ich fühle mich momentan elend.

Mir passieren aber in letzter Zeit immer wieder Dinge, die mich einfach extrem runterziehen ... Ich zähle mal auf:

Ich bin 29 Jahre alt und hatte bisher noch keine Freundin. Im Jahr 2015 habe ich jemanden kennengelernt. Und da dachte, ich hätte die Person, nach der ich so lange gesucht hatte, gefunden, und wenn nicht für eine Beziehung, dann doch für eine Freundschaft fürs Leben ... Letztendlich hat sie mich unglaublich verletzt ... Sie hat sich irgendwann nie wieder bei mir gemeldet. Ich habe ihr so oft geschrieben. Mittlerweile bin ich etwas darüber hinweg - noch nicht ganz - aber ich weine nicht mehr so viel wegen ihr. Und trotzdem frage ich mich, warum Menschen so sein können - so kalt und emotionslos. Ich habe das Gefühl, in meinem Umfeld versteht mich keiner. Es wird gesagt, "du musst darüber hinwegkommen" etc., aber niemand versteht, was ich wirklich fühle. Ich habe mich von dieser Person oft verstanden gefühlt, in einer Weise wie noch nie zuvor. Das alles hat sich plötzlich in Luft aufgelöst.

Ich bin nach Spanien gezogen, um dort zu studieren. Dort wurden mir mein Portmonneai und mein fast neuer Laptop geklaut, auch weil ich nicht gut darauf aufgepasst habe - das muss ich zugeben.

Ich hatte viel Streit mit meiner Mitbewohnerin, obwohl ich immer versucht habe, auf sie zuzugehen. Letztendlich sind wir im Streit auseinandergegangen.

Ich wollte eine Busreise nach Frankreich buchen und dabei mein Fahrrad mitnehmen. Obwohl mir versichert wurde - leider nur mündlich - das das so ginge (in einer großen Fahrradkiste), wurde mir die Mitfahrt verweigert. Ich war natürlich sauer und musste mir eine Unterkunft suchen, wohlgemerkt mit dem verpackten Fahrrad quer durch die Stadt.

Jetzt bin ich in Frankreich und arbeite auf einer Farm (Wwoofing nennt sich das - eigentlich eine sehr schöne Sache). Aber ich komme mit meinen Gastgebern einfach nicht klar. Ich hatte aber den Eindruck, immer Motivation zur Arbeit gezeigt zu haben. Ich habe allerdings auch das Gefühl,

Zu allem Überfluss habe ich mein Portmonneai hier irgendwo liegengelassen und nun ist es weg ... Ich verdächtige nur ungern hier jemanden, aber wenn ich 2 und 2 zusammenzähle, kann es nicht viele andere Möglichkeiten geben, als das sich jemand, das Ding unter den Nagel gerissen hat. Ich habe das Portemonnaie so gut wie gar nicht mit mir herumgetragen, da ich es hier nicht brauche - nur eben dieses eine Mal.

Ich weiß, dass ich schusselig bin. Ich vergesse oft Dinge, weil ich mich oft unter Druck setze und mit den Gedanken schon beim der nächsten Handlung bin. Ich würde so gerne ausgeglichen sein. Doch immer, wenn so etwas wieder geschieht, dann zieht es mich wieder herunter, und ich werde nur noch nervöser ... Ich kann das nur niemanden erzählen, weil es mir peinlich ist und weil ich Sprüche hasse wie "pass besser auf deine Sachen auf" etc.

Ich bin kein schlechter Mensch. Ich versuche IMMER, meinen Mitmenschen mit Respekt und unvoreingenommen zu begegnen. Ich frage mich aber auch aufgrund der vielen zwischenmenschlichen Probleme, ob ich nicht vielleicht eine falsche Wahrnehmung der Dinge habe, meine Rechte und Pflichten vielleicht verkenne, nicht sehe oder falsch interpretiere ... Mir fehlt - sagen wir - der Orientierungsmaßstab, um zu erkennen, ob meine Handlungen im Umgang mit Menschen angemessen sind.

Ich habe leider nicht viele Freunde, weil ich bisher in niemanden das gesehen habe, was ich fühle, eine Person, die wirklich versteht.

Ich fühle mich verlassen und einsam, kein Mensch, zu dem ich in solchen Situationen mal kommen könnte und der mir sagt, es ist OK, dass du dich so fühlst. Momentan bin ich auch in Frankreich, völlig außerhalb meiner gewohnten Umgebung. Ich reise sehr gerne, nur reist kaum mal jemand mit mir.

Tut mir leid, ich musste mir den Frust etwas von der Seele schreiben ...

Vielleicht kann mir jemand helfen. Vielen Dank! :-)

Ina

 
Salut et bienvenue, Clemont! :)

Als erstes möchte ich Dir sagen, dass Du Deine Gefühle nicht mit denen anderer vergleichen solltest, denn das führt zu gar nichts. Traurigkeit, Verzweiflung, Einsamkeit usw. sind nichts Messbares, sondern so individuell wie wir Menschen selbst. Viel wichtiger ist, dass wir auf uns achten, uns und unsere Gefühle ernst nehmen und schauen, wie wir damit am besten umgehen.

Meiner Meinung nach spricht nichts dagegen, dass Du in einem Forum wie diesem um Rat bittest – egal ob Du nun "offiziell" von Depressionen betroffen bist, auf eine solche zusteuerst oder Dich aktuell "nur" in einer Krise befindest. Du schriebst schließlich, Du würdest Dich elend fühlen – daher ist es auch wichtig, dass Du damit nicht alleine bleibst!


Ja, Dir sind wohl wirklich einige blöde und sehr unschöne Dinge passiert... Vor allem, dass die Frau, der Du Dich so verbunden gefühlt hast und die Dir für vieles Verständnis entgegengebracht hat, ganz plötzlich nichts mehr von sich hören lassen hat und auch nicht auf Deine Kontaktversuche eingegangen ist, muss sehr weh getan haben. Ich habe schon häufig ähnliche "Geschichten" gelesen und es ist mir jedes Mal aufs Neue unverständlich. Ganz gleich, was dem Kontaktabbruch vorangegangen ist, sollte man doch die Fairness besitzen, darüber zu reden oder seinem Gegenüber wenigstens klar zu sagen, dass man fortan getrennte Wege gehen wird. Es hat doch jeder verdient, zu wissen, woran er ist!

Abgesehen von den ganzen Dingen, die noch so "nebenbei" passieren, ist Dein größtes Problem vermutlich die Einsamkeit, oder? Dass Du gerne eine Freundin hättest, Dich aber auch auf freundschaftlicher Ebene nach Menschen sehnst, die Dich verstehen und mit denen Du offen über Deine Gefühle sprechen kannst, wird in Deinem Text ja sehr deutlich – und es ist auch nur verständlich, denn im Grunde hat doch (fast) jeder Mensch den Wunsch, "gesehen" zu werden und braucht geistige und emotionale Nähe, Verständnis, Wertschätzung, Zuneigung und Liebe.

Vielleicht ist das genau der Punkt, wo Du ansetzen solltest: Dass Du Menschen kennenlernst, mit denen Du auf einer Wellenlänge bist, mit denen Du etwas unternehmen und vor allem auch ganz viel reden (und lachen!) kannst. Fragt sich nur, wie und wo Du solche Menschen findest... Ich glaube ehrlich gesagt, dass es Glückssache ist, jemandem zu begegnen, mit dem es auf fast allen oder zumindest vielen Ebenen wirklich "passt". Oft – nämlich gerade dann, wenn man sich schon seit Jahren einsam fühlt – geht man neue Kontakte aber wohl auch mit einer zu hohen Erwartungshaltung ein, sodass man eigentlich nur enttäuscht werden kann. Sehr positiv finde ich aber, dass Du Dein eigenes Verhalten hinterfragst und den "Grund" Deiner Einsamkeit und Deiner Probleme nicht per se bei anderen suchst. Meistens ist es ja ohnehin so, dass das eine das andere bedingt, letztlich also beide dazu beitragen, dass im Zwischenmenschlichen etwas "schiefgeht". Die häufigste Ursache ist wohl mangelnde Kommunikation...

Meine Einstellung lautet: Ich habe lieber zwei, drei wirklich gute, enge Freunde, denen ich vertrauen und auf die ich mich verlassen kann, als einen riesigen Bekanntenkreis, aus dem wahrscheinlich niemand für mich da wäre, wenn ich ihn bräuchte. Dennoch könnte ich mir vorstellen, dass es für Dich vorteilhaft sein könnte, überhaupt erstmal Kontakte zu knüpfen, auch wenn nicht gleich die größten Freundschaften daraus entstehen. Du schriebst, dass Dir die Orientierung fehlt, um zu erkennen, ob Dein Verhalten gegenüber Deinen Mitmenschen "richtig" ist oder ob Du möglicherweise Wichtiges übersiehst und deshalb häufig Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen hast. Vielleicht könnten Dir ein paar "lockere" Freundschaften da schon weiterhelfen – um Dich selbst genauer zu beobachten, Dein Verhalten zu reflektieren und letztlich auch zum "Üben". Wenn Du ehrliche und offene Menschen um Dich hast, auf beiden Seiten Vertrauen aufgebaut wurde und ihr einander nicht völlig egal seid (heißt ja nicht, dass man auf menschlicher Ebene in jeder Hinsicht zusammenpassen und sich in allen Belangen verstanden fühlen muss), wird man Dich schon darauf hinweisen, wenn Du Dich unpassend verhältst, "schlechte" Umgangsformen an den Tag legst usw. Es ist nur so ein Gedanke, der mir gerade durch den Kopf ging, denn ich glaube, dass Du diese Orientierung, die Dir momentan noch fehlt, am ehesten in der Praxis findest, also durch "Übung" und Gewohnheit. Und ganz sicher sind dafür auch klare Rückmeldungen Deiner Mitmenschen wichtig – nur bekommt man ein ehrliches Feedback meist erst dann, wenn man sich schon länger kennt, regelmäßig miteinander zu tun hat und sich sympathisch ist.

Ich weiß nicht, ob Dir das nun weiterhilft, aber vielleicht regen meine Gedanken ja auch die Deinen an. :)

Alles Gute und liebe Grüße
Ina
Love is God's favorite daughter. (David Crosby)

Clemont

Hallo Ina,

vielen lieben Dank für Deinen langen einfühlsamen Text. Ich bin ja froh, dass es solche Foren gibt. Ansonsten wäre ich hier wohl versauert.

Genau, die Einsamkeit ist es, die mir zu schaffen macht. Ich sehne mich nach einem Menschen, der sich nicht bewusst auf meine Art einstellt, einstellen muss, sondern aufrichtiges Interesse (das habe ich bei dem Mädel gesehen und jetzt fehlt es mir sehr) an mir zeigt. Ich gehe sehr gerne auf Fahrradtouren und wünsche mir eine Person, die mal mit mir kommt. Ich glaube, dann würden auch die anderen Probleme mit den Schusseligkeiten zurückgehen, nicht aufhören - ich bleibe ja immer noch ich - aber so könnte ich mit einer anderen Motivation in den neuen Tag gehen.

Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, ob ich unter Depressionen leide. Ich spüre so eine fortwährende hemmende Last, die, wenn die Einsamkeit wegfällt, auch auch gehen wird. Ich studiere in Spanien, kann mich aber oft gar nicht fokussieren, mir fehlt der Elan, sodass ich mich immer wieder bewusst entscheiden muss, nun zu lernen. Es geht schließlich um meine berufliche Zukunft. Das ist das Einzige, was mich antreibt. Ich wirke auch auf meine Mitstudent/innen etwas wie ein Fremdkörper. Mich hat zum Beispiel noch niemand bei mir zuhause besucht.

Aufgrunddessen - wie gesagt, ich weiß nicht, ob ich Depressionen habe - habe ich mir überlegt, evtl. eine Therapie anzufangen, was aufgrund meines Studiums in Spanien natürlich schwierig ist. Vielleicht hast Du eine Idee? :-/

Das Andere ist, dass ich bemerkt habe, offensichtlich immer wieder zwischenmenschliche Probleme zu haben. Ich habe ein Erlebnis mit anderen Mitbewohnern in Deutschland hier noch nicht genannt, welches noch dazukommt. Wenn ich alle Situationen für sich alleine betrachte, könnte ich ehrlich vor mir behaupten, meine Mitmenschen immer fair behandelt (abgesehen von nicht ausschlaggebenden Kleinigkeiten) zu haben und dabei trotzdem meine Integrität gewahrt habe. Das Ding, das mich, sagen wir mal, stutzig macht, ist, dass es nun so häufig passiert. Wenn ich all diese Ereignisse einer außenstehen Person schildere, muss diese doch zu dem Schluss kommen, ich hätte einen Schaden ... Das ist mir mittlerweile peinlich. Es kann ja wohl nicht sein, unabhängig von der Situation, dass immer die anderen Schuld sind. Da stellt sich dann allerdings mein gesunder Menschenverstand quer.

Clemont

Meine Welt ist doch nicht so schlimm, wie ich sie in den beiden oberen Texten gemacht habe!! :-)

Ich habe eine sehr gute Note im Studium bekommen und mein Portmonneai ist wieder aufgetaucht. Bei Letzterem fiel mir ein Stein vom Herzen!!!

Ich denke, darauf kann ich aufbauen. Es gibt schließlich auch einen "positiven Teufelskreis"! Jetzt freue ich mich wieder, meine Familie und meine Freunde in Deutschland wiederzusehen und ihnen davon erzählen, was mich so manchmal bedrückt. Aber ich kann auch wieder die Zeit in Frankreich genießen. Ich wechsele die Farm, denn die Leute hier tun mir nicht gut, ob wegen mir oder wegen ihnen sei mal dahingestellt.

Und ganz nebenbei hatte die ganze Aktion mit dem Portemonnaie (das war der Ausschlaggeber für mein Geschreibe gestern Nacht) im Endeffekt etwas Positives, denn ich habe dieses Forum gefunden. Ich werde sicher hin und wieder mal hier was schreiben, wenn ich meine, es könnte, anderen oder mir weiterhelfen.