Rückfall: Schon wieder allein gelassen worden

Begonnen von Elly07, 17 Februar 2018, 21:47:18

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Elly07

Ich habe mich neu hier angemeldet, weil ich einfach mit Leuten reden muss, die den Unterschied verstehen zwischen "etwas mies drauf" und schweren Depressionen verstehen.

Mein Problem ist, dass ich sehr starkten Menschenhass entwickelt habe bzw Angst davor, Menschen zu vertrauen. Ich bin knapp 30 und seit ich denken kann, hat es einfach niemals funktioniert. Ich habe keine engen Freunde, früher oder später laufen mir alle davon...
Der härteste Verlust war für mich vor ein paar Jahren. Ich hatte einen Todesfall, habe meine Wohnung verloren und habe starke gesundheitliche Probleme. All das auf einmal war für mich zu viel. Ich bin zusammengebrochen, die Depressionen gewannen die Überhand, ich hatte Suizidgedanken und wusste keinen Ausweg mehr. Zu diesem Zeitpunkt haben sich viele "Freunde" abgewandt. Anfangs haben sie noch versucht zu helfen, nach ein paar Monaten wurde es ihnen zu viel. Besonders hart war der Verlust meiner besten Freundin und einer Person die mich zuvor viele Monate angeflirtet hat und sehr deutlich mehr Interesse an mir hatte. Ich war zögerlich, aber nicht abgeneigt und gerade in dieser schweren Zeit hätte ich von diesen beiden Menschen viel mehr Unterstützung gebraucht. Mir wurde mehr oder weniger sowas hingeklatscht wie "Deine Laune zieht mich zu sehr runter" und "Ich brauch jemanden der mich hochzieht und nicht noch weiter mit runter."

In dieser Zeit musste ich lernen, Freunde hat man nur bis zu dem Moment wo man nicht mehr anständig funktioniert. In schweren Zeiten ist man immer alleine.

Dieser Vorfall ist 3 Jahre her. Ich war einige Wochen in einer Klinik, danach ein Jahr in ambulanter Therapie.

Es ging langsam wieder Berg auf. Beziehungstechnisch zwar nicht, aber immerhin hatte ich eine neue Freundin gefunden mit der ich wirklich Tag und nacht im Internet geschrieben hab. Sie wusste alles über mich und hat die letzten zwei einhalb Jahre immer zu mir gestanden. Bis sie eines Tages meinte sie wäre jetzt eine Weile weniger online (wir wohnen sehr weit auseinander deswegen ist Internet nötig) weil sie mit Prüfungen beschäftigt ist... Seit letztes Jahr September war es dann so dass sie plötzlich gar nicht mehr onine war. Ich fing an mir Sorgen zu machen. Über Handy und Internet nicht zu erreichen, keine Antworten, Nachrichten nicht gelesen... Nach Monaten war sie mal einen Tag wieder da, hat bestätigt ihr ginge es gut, sie vermisst mich, sie ist nur so im Lernstress... Sie hat den Kontakt mit allen anderen Leuten online übrigens genauso eingestellt.

Tja... bis ich gestern zufällig auf einer anderen Social Media Seite herausfand: Sie war die ganze Zeit da! Regelmäßig online und aktiv...

Für mich bricht gerade eine Welt zusammen, da ich einfach nicht verstehe was das soll. Man lässt doch einen Menschen nicht von heute auf morgen so fallen? Vor allem nicht, da sie von meinen vorherigen Verlusten und Ängsten wusste und mir immer geschworen hat "Ich bleib bei dir, solange du mich brauchst bin ich für dich da."

Es geht nicht nur darum, dass ich sie natürlich sehr vermisste und mich so verarscht fühle.
Sondern auch darum, dass ich mal wieder recht hatte: Menschen bleiben nicht bei einem. Früher oder später verschwinden sie immer aus meinem Leben.

Ich hab die ganze letzte Nacht nicht geschlafen, nur noch geheult, ich hab wieder angefangen zu ritzen, ich habe das Gefühl irgendwie muss ich mich bestrafen, irgendwie muss es ja meine Schuld sein. Irgendetwas an mir muss so schrecklich sein, dass kein Mensch es länger als ein paar Jahre mit mir aushält. Irgendwas mache ich anscheinend falsch.

Ich weiß nur nicht was. Ich bin nach außen hin ein fröhlicher Mensch. Etwas sarkastisch, ironisch, mit schwarzem Humor, aber nicht komplett sozial unfähig. Ich hab einen Beruf, ich versteh mich ganz gut mit den meisten Kollegen, ich kann offen auf Menschen zugehen... Es ist nicht so dass man mir von vornherein die Depressionen anmerkt. Man kann auch gut Spaß mit mir haben. Ich weiß einfach nicht was ich falsch mache und wieso mir sowas immer wieder passiert. Sie hat mir alles bestätigt, wovon sie die letzten 2,5 Jahre versucht hat mir das Gegenteil zu beweisen. Und da sie auch nicht mehr erreichbar ist und nirgends antwortet werde ich wahrscheinlich niemals erfahren wieso. Das ist das aller schlimmste. Es gibt einfach keinen Grund und ich weiß nicht wie ich so jemals abschließen können soll.

Es häufen sich einfach immer mehr Fälle und jeder weitere macht es schwerer für mich wieder Vertrauen zu fassen. Es fühlt sich so sinnlos an und wie die reinste Zeitverschwendung. Warum so viel Zeit und Liebe in einen anderen Menschen investieren wenn im Nachhinein scheinbar alles nur eine große Lüge war?

Bella

Liebe Elly07,

herzlich willkommen hier im Forum.

Zu deinem Problem möchte ich dir schreiben, dass ich dich da sehr gut verstehen kann. Ich habe es auch immer wieder erlebt, dass Freunde mich verlassen haben und habe dadurch große Verlustängste entwickelt. Ich weiß, wie schmerzhaft das ist. Da kann man sich wirklich fragen, ob es sich überhaupt noch lohnt, Zeit und Liebe in andere Menschen zu investieren, denn natürlich gibt es nie eine absolute Garantie, dass eine Freundschaft ewig hält. Ich habe mir diese Frage auch gestellt. Und ich habe mich entschieden, es trotzdem immer wieder zu tun und mich auf Menschen, die mir sympatisch sind, einzulassen und ihnen zu vertrauen. Denn was wäre denn die Alternative? Ich müsste mein Herz verhärten, mich isolieren und gegen andere Menschen abschotten. Und so möchte ich auf keinen Fall leben. Das wäre für mich der Tod.

Ja, es ist schlimm, was du mit dieser Freundin erlebt hast. Man kann manchmal nicht verstehen, warum Menschen sich so verhalten, wie sie es tun. Oft haben sie eigene Probleme und es hat vielleicht gar nichts mit dir persönlich zu tun. Ich wünsche dir, dass du es trotzdem schaffst, den Menschen zugewandt zu bleiben und den Menschenhass, den du entwickelt hast, nicht über dich herrschen zu lassen. Dass du dich hier angemeldet hast, ist doch schon ein gutes Zeichen, dass du die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben hast. Sich auf andere Menschen einzulassen, macht einen auch immer ein Stück weit verletzlich. Aber man kann auch sehr viel dabei gewinnen. Ich wünsche dir, dass du es doch noch erleben darfst, treue und zuverlässige Freunde zu finden. Vielleicht ja sogar hier in diesem Forum.

LG Bella
Ich kämpfe bis zum Sieg.

nubis


Hallo Elly07,

ich lese öfters, dass jemand enttäuscht ist, weil eine Freundschaft auseinander gebrochen ist und möchte da mal einen anderen Denkansatz rein bringen:

Die Versprechen 'ich bin immer für dich da' oder 'ich werde dich nie enttäuschen' sind schon mal so was... - selbst wenn es in dem Moment ernst und ehrlich gemeint ist: wer kann schon wissen, was in der Zukunft ist, und ob man das dann noch halten kann?
Oder auch nur will?
Man entwickelt sich schließlich weiter, lernt andere Menschen kennen - und manchmal trennt man sich dafür von Anderen. Das ist der Lauf der Dinge.

Statt dann aber damit zu hadern, wieso 'es wieder nicht geklappt hat', könnte man sich aber doch auch freuen für die Zeit, die man zusammen hatte?
Man könnte dankbar dafür sein, dass man einen Teil des Weges zusammen gegangen ist und sich (im Idealfall) beide das gegeben haben, was sie zu dieser Zeit brauchten.

Um auf deine Situation konkret einzugehen: Dass dich Menschen im Stich gelassen haben, als du sie nach dem Todesfall am meisten gebraucht hättest, ist normal!
Man selbst merkt in der Situation gar nicht, wie sehr man sich verändert, von jetzt auf gleich - und wundert sich, wieso die Anderen nicht mitkommen, nicht verstehen, nicht für einen da sind...
Dabei können sie es gar nicht sein, weil sich ihre Welt (sofern sie überhaupt betroffen war) schneller wieder weiterdreht als die Eigene; grade, wenn sich eine Depression daraus entwickelt.
Dazu kommt das Alter: wenn du damals Anfang/Mitte 20 warst, dann ist es einfach auch so, dass die wenigsten in deinem Umfeld einen vergleichbaren Verlust erlitten haben dürften... - da ist die Empathie dann auch eingeschränkt, einfach, weil sie nicht nachvollziehen können.

Das hat nichts mit wollen oder bösem Willen zu tun, sondern einfach damit, dass sie völlig überfordert sind - und dann auf Abstand gehen um sich selbst zu schützen (was ich als legitim erachte! - bei allem Mitgefühl mit Anderen sollte man immer darauf achten, wie es einem selbst damit geht - und zur Not auch den Kontakt abbrechen!)
Ich meine: du schreibst selbst:

Zitat von: Elly07 in 17 Februar 2018, 21:47:18
Anfangs haben sie noch versucht zu helfen, nach ein paar Monaten wurde es ihnen zu viel.

Was kann man von Freunden erwarten? - über welchen Zeitraum sollten sie zurückstecken und helfen? Wann ist der Punkt erreicht, wo sie auch mal wieder sagen (dürfen): 'ich bin auch noch da!'?

Ich denke, dass ist so unterschiedlich wie die Menschen selbst und die Beziehungen die man zu ihnen unterhält: deine Freunde hatten diese Grenze nach ein paar Monaten erreicht ...das heißt aber doch auch, dass sie in der akuten Situation (und noch Wochen und Monate darüber hinaus) für dich da waren?
Vielleicht, versuchst du das einmal zu sehen und dafür einfach nur dankbar zu sein?

Ebenso wie mit der neuen Freundin.
Diese hat dir 2,5 Jahre gut getan, war für dich da, hat wieder Vertrauen aufgebaut.

Das ist doch schön?
Warum sollte man da jetzt 'Angst vor Vertrauen' entwickeln?
Wäre das anders, wenn die Freundschaft 3 Jahre gehalten hätte? oder 5 oder 10?
Oder vielleicht nur 1 Jahr?
Sei doch froh, dass die Freundschaft 2,5 Jahre hielt?!

Ich frage mich dann: was war sie Erwartung bei dir?
Dass es ewig so weitergeht?
Sie niemals weitere Interessen entwickeln, andere Freundschaften schließen würde, weil sie 'Tag und Nacht mit dir schrieb'?

Leider sind die Wenigstens so ehrlich zu sagen, wenn sie kein Interesse mehr an der Freundschaft haben sondern suchen entweder einen Grund oder versuchen 'sich raus zu schleichen'... aber mit einem Blick auf die Situation kann man schon selbst ganz gut erkennen, ob noch Interesse besteht oder nicht.

Du schreibst jetzt, dass deine Freundin die ganze Zeit auf einer anderen Social Media Seite aktiv war.
Vielleicht hat sie dort jemanden getroffen, der ihr bei ihren Prüfungsvorbereitungen helfen konnte und eine neue Freundschaft entwickelt?

Das heißt nicht, dass eure Freundschaft weniger wertvoll oder weniger ehrlich war - es heißt nur, dass es eine Entwicklung gegeben hat, die dich nicht einschließt.
Das ist schade und tut erst mal weh - aber mit 'verarschen' hat das ganz sicher nichts zu tun.


Ich hoffe, ich konnte den einen oder anderen Denkanstoß geben :-)

Gegen Schmerzen der Seele gibt es nur zwei Arzneimittel: Hoffnung und Geduld

(Pythagoras)

hardworking fool

@nubis: Chapeau! Du hast da ein paar ganz wichtige Dinge angesprochen.

Was mir noch dazu eingefallen ist: Ich glaube, dass die meisten Menschen irgendwann feststellen, dass Personen die in ihrem Leben eine wichtige Rolle gespielt haben später nicht mehr da sind. Man denke nur an die ganzen Sandkasten und Schulhof-freundschaften. Ich glaube, dass die wenigsten nach dem Schulabschluss noch so eng befreundet sind wie vorher.

Es ist halt was wahres dran: Alles im Leben hat seine Zeit. Und nichts ist so beständig wie die Veränderung.

Danke für diesen Denkanstoß!

Elly07

Vielleicht habt ihr recht, vielleicht erwarte ich zu viel. Ehrlichkeit, Beständigkeit und Geduld ist anscheinend für sehr viele Menschen zu viel. Womit wir wieder beim Punkt wären wieso ich mittlerweile irgendwie einfach keine Menschen mehr mag und es mir schwer fällt an dieser Einstellung was zu ändern. Ich möchte es ja gerne ändern. Aber es ist mit all diesen Erfahrungen nicht einfach.

Es mag sein dass Leute mit Mitte 20 nicht mit Depressionen umgehen können und auch dass man auch auf sich selbst achten muss ist wohl wahr. Meine Denkweise geht da wohl eher in die Richtung, dass ich nur das erwarte, was ich selbst auch erbringe: Ich kenne selbst andere Leute die Depressionen haben, ich bin bei ihnen vorsichtig bzw. nachsichtig, habe Geduld mit ihnen - und distanziere mich nicht, auch wenn ich nicht abstreite, dass sie manchmal 'anstrengend' sind. Wahrscheinlich weil ich weiß, dass ich genauso anstrengend sein kann. Somit würde ich nichts von anderen erwarten, was ich nicht auch selbst durchziehe. Ich finde eben auch, dass es eine wichtige Lektion im Leben ist, zu lernen dass soziale Kontakte eben nicht immer nur 'Friede Freude Sonnenschein' sind. Wo kommen wir da hin, wenn jeder sich aus dem Staub macht, sobald der andere anstrengend wird? Diese 'Wegwerf-Gesellschaft' widerspricht sich irgendwie komplett mit meinen Werten. Ich bin ein sehr treuer Mensch und kann mir einfach beim besten Willen nicht vorstellen, einen wahren Freund im Stich zu lassen. "Ein paar Monate" sind für Trauer eben leider eine kurze Zeit.

Ich muss in diesem Zusammenhang immer an ein Video denken in dem ein altes Senioren-Ehepaar interviewt wurde. Sie wurden gefragt, was das Geheimnis einer solch langen Ehe ist. Sie sagten: "Wir stammen aus einer Zeit, in der man kaputtes nicht weggeworfen, sondern repariert hat." Ein wunderschönes Zitat, wenn ihr mich fragt. Sie brachten es damit auf den Punkt. Ich habe das Gefühl, heutzutage wird sehr viel rechtfertigt mit dem Satz "Du musst jetzt auch mal an dich denken." Es rechtfertigt, dass man Menschen, die einem eigentlich mal wichtig waren, im Stich lässt.

Und um noch mal zu dem aktuellen Fall zu kommen: Es stimmt, viele habens nicht so mit der Ehrlichkeit, oder sie haben einfach nicht den Mut, ehrlich zu sagen, was Sache ist. Selbst wenn man, aus welchen Gründen auch immer, das Interesse an einem Menschen verliert, dann sollte man drüber reden. Reden und Ehrlichkeit ist das aller wichtigste. Es mag auch weh tun, Worte können verletzen. Aber wie in diesem akuten Fall einfach still schweigend zu verschwinden finde ich noch viel schlimmer. Einen Menschen, der sich Monate lang Sorgen gemacht hat, um ihre Gesundheit und Wohlergehen einfach so abzuspeisen zeugt für mich von sehr viel Schwäche, Egoismus und Grausamkeit.

In sofern: Ich verstehe die erwähnten Denkanstöße. Sie beinhalten auch viel Wahres. Aber was ich nicht verstehe, is wie Menschen sich so verhalten können. Ich könnte es nicht. Deswegen kann ich mich da einfach nicht hineinversetzen. Wenn Menschen so sind, vielleicht bin ich dann wirklich nicht für enge soziale Bindungen geeignet.

Topolino

Du sagst: es du erwartest nur......

Erwarte nichts, jeder denkt, lebt anders. Jeder hat seine Geschichte und keiner von uns kennt alles vom gegenüber, jeder hat sein Geheimnis sein Problem. Weist du was ich mein? Es ist nicht böse gemeint.

Freundschaft, liebe darf niemals aus Erwartungen bestehen, das erzeugt drück was auch wiederum Gegendruck erzeugt, was die Konsequenz daraus man entfernt sich. Drück sich also von einander weg.

@nubis ich bin beeindruckt von deiner Erklärung, du hast es aufn Punkt gebracht.