Krieg mein Leben nicht mehr auf die Reihe

Begonnen von Xaya(Guest), 14 August 2010, 22:08:15

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Xaya(Guest)

ich wollte mich hier anmelden aber ich bekomme keine bestätigungsmail.

momentan bin ich ein wenig verzweifelt. irgendwo hängt es aber ich weiß nicht wo.
anfang des jahres habe ich mich entschlossen nochmal in eine klinik zu gehen. es war hart aber ich konnte sehr gut stabilisiert werden. jetzt bin ich noch nicht mal 12 wochen zuhause und alles geht wieder von vorn los.
ich bin im stationären aufenthalt meine körperlichen beschwerden losgeworden. hab zwei jahre an magen-darm problemen und rheuma gelitten. alles psychosomatisch versteht sich...

würde mal behaupten, dass ich endlich einen zugang zu mir und meinen gefühlen gefunden habe aber jetzt will ich sie nicht mehr haben. ich verzweifel daran.
dieser seelische schmerz in mir ist so unsagbar groß und ich weiß nicht wie ich damit ungehen soll. vorher hat sich alles über meinen körper ausgedrückt und jetzt sitze ich hier und spüre das gesamte ausmaß.
meine suizidgedanken sind stärker als vor der klinik. unerträglich. ich bin wütend, weil die drei monate klinik scheinbar nichts gebracht haben bzw. ich es nicht umsetzen kann und wieder in alte muster falle und in meiner grübelschleife hänge. ich weiß, geduld ist wichtig aber ich bin schon solange in therapie. ich würde gern ein "normales" leben führen aber ich schaff es nicht.

ich möchte mich von allem entfernen...von mir und auch von anderen. zur oft hab ich menschen enttäuscht, weil ich mich aus meinen mustern nicht lösen kann. ich fühle mich so elend.
ich hab sehr nette menschen vergrault, weil ich mir denke "hey, wenn keiner da ist, kann keiner um mich trauern"

könnte alles so toll sein...wenn das leben nicht wäre -.-

grüße
Xaya

Strider

#1
"Mein Leben ist heute, wo ich diese Zeilen schreibe, unerträglicher als jemals zuvor. Der jugendliche Leichtsinn und die damalige überdeckende leichtigkeit des Seins sind nicht mehr als Schutz vor dem Sturm der Gefühle vorhanden. Es bedeutet erstmal nichts, das man das System der eigenen psychischen Beschädigung erkannt hat. Es bleibt schmerzhafter als jede Wunde an meinem Körper hätte sein können. Der Schmerz ist so unbeschreiblich gross in mir, das ich oft nicht weiss wie er zu bewältigen wäre. Nach Jahren der Psychotherapie und Erkenntniss des ganzen Unheils, bin ich Schutzloser als jemals unter der Hand meines Vaters oder meiner Feinde."


Ich habe das mal am Beginn meines Tagebuches geschrieben. Dein Thread hat mich daran erinnert.
Ich habe keine helfenden Worte, ausser das alles seine Zeit braucht.
Wir sind ziemlich parallel gelaufen wie ich Deinen Worten entnehmen muss. Auch wenn ich keine Lösung parat habe, wollte ich Dir doch kurz aufzeigen, das Du gar nicht alleine unterwegs bist auf Deinem Weg.

Ich habe das ganz ähnlich erfahren wie Du nehme ich an.
Es gab eine Zeit da habe ich alles was in mir bohrte unwissentlich Unterdrückt. Drogen, Alkohol, Frauen, Extremsport.
Immer erster, immer vorne. Wild am Leben!
Und dann habe ich gelernt hinzuhören! -.-

Als mein Thera mich am Anfang wiederholt fragte "was fühle ich", musste ich lernen wie tot ich innerlich wirklich bin und wurde immer wütend. Andere Wege kannte ich nicht, andere Umgangsformen mit mir und dem Schmerz gab es nicht.
Das erkennen der eigenen Nöte ist kein leichter Prozess, aber er steht am Beginn. Am Beginn unseres Weges zu uns.
Das magst Du jetzt noch nicht spüren können, überwältigt von der Erkenntnis Deiner selbst, aber doch ist es der einzige Weg hinter die Mauern unseres Ichs.
Dort angekommen werden wir uns anderen Fragen stellen. Welche das sind kann ich noch nicht sehn, aber doch fühle ich das Sie wichtiger sind, als das verbleiben im Schmerz!

Ich wünsche Dir Kraft und Mut, den Anfang als Beginn wahrnehmen zu können, und nicht als das Ende Deines Weges!

glg, Streicher


Sintram

Hallo Xaya,

ein "normales" Leben? Was bedeutet das schon?
Es gibt so viele nichtdepressive Menschen, die frustriert sind, verzweifelt, verbittert, verhärmt, verhärtet, erstarrt, desolat und resigniert. Unzählige davon.
Die Depression kann auch der Weg zu sich selbst sein, wie Streicher es geschildert hat, zumindest aber eine Chance, aus dem Korsett seiner Leblosigkeit zu entkommen.
Vielleicht liegt die Heilung sogar im Ausweg aus dem "Normalen". Vielleicht hat Dich genau das krank gemacht.

Jedenfalls ist es keine Böswilligkeit, Menschen zu verkraulen, um sie vor Enttäuschung zu schützen, sondern Ausdruck von Unsicherheit, Angst und Selbstzweifel.

Es ist auch nichts Dramatisches, nach einem ersten Klinikaufenthalt wieder zurückzufallen ins Vorherige, eher die Regel. Aber im Gegensatz zu vorher ist Dir jetzt bewusst, wo und warum es hapert, und das ist viel mehr, als man anfänglich glaubt.
Lass Dich davon nicht entmutigen. So ein "Rückfall" ist sehr bitter, aber letztlich nur der deutliche Hinweis daruf, dass eben Verschiedenes anders werden muss, im Selbstverhalten, der eigenen Wertschätzung, im Umgang mit Mitmenschen und möglicherweise in puncto Lebenssituation, dass es eben viel zu tun gibt.

So von Heute auf Morgen im Hauruckverfahren von einem viertel Jahr Klinik geht das nie.
Dass Du jetzt mehr Freitodgedanken hast als zuvor, ist auch nicht weiter besorgniserregend.
Dein Leidensdruck hat sich erhöht, weil Deine Verdrängungsmechanismen nicht mehr funktionieren wie zuvor und Du Dir Deiner Depression bewusster geworden bist, ihrer Dimension und Ausprägung.
Das tut verflucht weh, gehört aber zum steinigen Weg Richtung Selbstakzeptanz, also zur Besserung.

Mach Deine Therapien weiter, nach der ersten "Aufhellung" geht´s oft wieder mächtig runter ins Dunkle, aber von dort zurück ins Helle, Schritt für Schritt und bisweilen furchtbar langsam, dafür aber gründlich und anhaltend.

Es ist alles im grünen Bereich. Um die Depression zu besiegen, musst Du sie erst mal orten können, und das kannst Du nur, wenn Du sie spürst.

Keine Angst, das wird schon.

LG
Sintram

Xaya

es war mein dritter klinikaufenthalt. ich bin jetzt seit fast 3 jahren in psychotherapeutischer behandlung.
ich hab mich vor 5 monaten von meiner familie, den tätern, komplett gelöst. seitdem fühlt sich alles so leer an. ich hab die kinder von meinem bruder im stich gelassen. mich quält diese schuld.
in mir qietscht alles, wenn ich meiner therapeutin davon berichten muss. ich schäme mich dafür, dass ich nichts auf die reihe bekomme.

ich hab soviele dinge im kopf aber mir fehlt es an worten.

Sintram

Lass Dir Zeit. Es soll Dir ja keinen Druck machen, hier was zu schreiben.

Ich hab´s inzwischen auf sechs Klinikaufenthalte gebracht, der längste davon dauerte rund ein halbes Jahr.
Meine Therapien zogen sich über fünf Jahre. Fünf TherapeutInnen.
Das spielt alles keine Rolle. Was seine Zeit braucht, braucht sie eben.

Ab und zu verlangt einem das Leben Entscheidungen ab, die schier unmenschlich erscheinen.
Die einem das Herz brechen und als Gespenst herumgeistern lassen, die lange Zeit das Gewissen martern.
Dennoch: Sie waren die einzig richtigen und möglichen, und darauf kommt es an.

Du sprichst von Schuldigen, also gibt es keinen anderen Weg, und vor allem kein Zurück.
Alles andere wäre eine Katastrophe für Dich- und davon hätten die Kinder Deines Bruders noch viel weniger.

Und dass Du nichts auf die Reihe bringst, nun das geht mir nicht anders. Außerdem, was heißt das schon? Man lernt ohne Reihe zu leben mit der Zeit.
Es gibt Wichtigeres als das allgemein Gültige, durchhalten und am Leben bleiben allein ist schon sehr viel mehr an Leistung als die Meisten sich überhaupt vorstellen können.

Lass Dir Zeit, schreib, wenn Du das Gefühl hast es geht, und setz Dich nicht unnötig unter Druck.
Deine radikale Trennung war richtig und notwendig- das allein zählt.

LG
Sintram



Xaya

die trennung ist nicht das schlimmste. damit kann ich relativ gut umgehen.
mir machen meine extremen suizidgedanken probleme. diese, nicht enden wollenden gedanken, bringen mich langsam aus der fassung. es ist fast schon wie ein zwang...


Sintram

Bist Du medikamentös ausreichend abgedeckt?
So massiv sollten sie eigentlich nicht sein. Hast Du mit Deinem Therapeuten schon darüber gesprochen?
Also zwanghafte Züge sollten sie nicht haben, eher entspannende, so als letzte Option, wenn alle Stricke reißen.
Aber wenn sie Dich derart vehement bedrängen, brauchst Du vermutlich eine höhere Dosis AD.
Wie sieht das aus?

Xaya

ich nehme schon die höchste dosis antidepressiva.
weiß auch nicht wie ich es meiner therapeutin sagen soll. ich hatte vor der klinik die gleiche situation. als ich es ihr gesagt habe, hat sie kaum reagiert. mein nächster termin ist auch erst wieder mitte september.
suizidgedanken sind ein tabuthema. merke ich auch bei freunden.

keine ahnung...vielleicht muss ich das ganze aushalten. ist aber nicht einfach...

Sintram

Ein Tabuthema, das kann man wohl sagen.
Darüber zu sprechen ist fast überall verboten. Was ich nicht so ganz verstehe, weil es befreiend ist und hilft.
Und im nächsten Umfeld stößt die kleinste Äußerung oft auf heftige Ablehnung.
Tatsache ist aber doch, dass Suizidgedanken zu einer Depression gehören.

Wenn Dir aber die Höchstdosis nicht reicht, solltest Du es vielleicht mit Seroquel oder was ähnlichem probieren.
Antipsychotica haben bei Suizidgedanken eine beruhigende Wirkung. Der Druck weicht, die bedrängenden Gedanken schwinden.
Eine Zeitlang geht´s auch mit Tavor, aber das Zeug ist enorm suchtgefährdend, und beim Absetzen zieht es Dich unter Umständen noch weiter runter.
Bist Du in Behandlung bei einem Psychiater?

Es ist schlicht zu gefährlich, das alleine durchzuziehen oder zu versuchen, es zu ertragen.
Da kann die geringste Überforderung schon lebensbedrohlich werden.

Du solltest ärztliche Hilfe aufsuchen, wenn Du einen erneuten Klinikaufenthalt vermeiden willst.
Was ich sehr gut nachvollziehen kann.

Lieben Gruß
Sintram

Xaya

ich hab schon ein paar suizidversuche hinter mir und meine psychiaterin weigert sich mir noch mehr medikamente in die hand zudrücken. muss sowieso alle zwei wochen dahin, damit ich nur wenige tabletten zur hand habe.
außerdem nimmt sie mich nicht gerade sehr ernst. sie ist der meinung, dass arbeit das besser mittel gegen depressionen und sui gedanken ist.
in zwei wochen muss ich wieder arbeiten und ich weiß momentan nicht wie ich das schaffen soll.

ich hab die meisten kontakte abgebrochen, weils mir einfach sch*** egal geworden ist. es gibt menschen, die suchen mich nur auf, wenn sie irgendwas von mir wollen. sowas habe ich lange genug bei meiner familie gehabt.

mich langweilt das leben. ich hab diese gedanken schon seit ich 13-14 bin. vielleicht sollte ich mich damit abfinden, dass es nunmal nicht besser wird.  

Sintram

#11
Guten Morgen Xaya,

danke für Deine Offenheit. Jetzt weiß ich wenigstens bescheid und brauch Dir keine Dinge mehr zu erzählen, die Du längst kennst.
Das Gefühl ständiger Langeweile ist eine der vielen Erscheinungformen einer schweren chronischen Depression. Und dass die meisten Leute nur dann zu Dir kommen, wenn sie etwas brauchen, tja, wem sagst Du das.

Eine Frage allerdings stellt sich mir. Warum suchst Du Dir keine andere Psychiaterin?
Du fühlst Dich nicht ernstgenommen, ihre anachronistische "Arbeitstherapie" Überzeugung bewirkt bei Dir das genaue Gegenteil und stürzt Dich in eine erneute Krise.
Man fragt sich schon bisweilen, wie es geschulte Fachkräfte fertigbringen, depressive Phasen nicht von chronischen Ausprägungen unterscheiden zu können.
Ihr "Heilungsansatz" kann tödliche Folgen haben, und ich hoffe den Tag noch erleben zu dürfen, an dem diese fatale Weise, Depressive durch ausgeübten Druck und mittels abverlangter "Härte" kurieren zu wollen, endlich als Irrtum und Irrweg erkannt und endgültig ad acta gelegt wird.

Es könnte natürlich auch sein, dass sie fester Bestandteil Deines selbstzerstörerischen "Programms" ist, indem sie Dir Herausforderungen zumutet und abverlangt, denen Du offensichtlich nur per Freitod eintkommen kannst. Damit hast Du Deinen Auslöser und Dein "Exekutions"kommando in einer Person.

Sei mir bitte nicht böse, aber wieso sollte ich hinter dem Berg halten? So wie die Dinge liegen, geht es bei Dir um Leben und Tod.
Du kannst aber doch gar nicht wissen, was das Leben noch für Dich bereithält. Um ihm wenigstens eine Chance zu geben, wäre es doch viel fairer, Dir eine Psychiaterin zu suchen, die Dich wenigstens mal für langfristig -also Jahre- arbeitsunfähig erklärt, damit Du Zeit und Ruhe hast, über Dich nachzudenken und darüber, wie es weitergehen könnte, statt ständig unter dem Damoklesschwert der Überforderung zusammenzubrechen.

Ich weiß. dass ist nicht so einfach wie es sich anhört, aber es ist möglich.
Denk mal drüber nach.

LG
Sintram

Sintram

Hallo Xaya,

alles in Ordnung? Du bist so still. Wie geht es Dir?
War wohl ein bisschen zu hart, was ich geschrieben hab?
Wollte Dir nur helfen und wusste nicht recht wie.

Lieben Gruß
Sintram

Xaya

danke :)
es ist alles in ordnung. ich weiß, dass du recht hast. ist bestimmt nur eine phase und die muss ich aushalten auch wenn es manchmal nicht so einfach ist.

Sintram

Wem sagst Du das?
Dann bin ich ja erleichtert, dass Du "soweit" alles einigermaßen im Griff hast.

Schnellantwort

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