selbst schuld

Begonnen von Cailyn, 30 März 2017, 15:13:52

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Cailyn

hallo zusammen

ich grübel grade stark darüber nach, ob ich eine therapie beginnen soll bzw mich allgemein erstmal mit einem therapeuten in verbindung setzen soll, für hilfe in welcher form auch immer.
mein problem bei der sache ist, dass ich denke, mir meine probleme und meine depression selbst eingebrockt zu haben. ich hab alles so lange vor mir hergeschoben, dass es mir zu viel werden musste. habe prokrastiniert, habe es ignoriert, habe mir eingeredet, das löst sich schon auf, wenn ichs nur lang genug beiseite schiebe oder irgendein deus ex machina kommt schon vorbeigeflogen und löst meine probleme und macht meine aufgaben für mich...
hat sich natürlich nichts gelöst, nun sitze ich in der tinte und bin hier am jammern und hasse mich selbst abgrundtief dafür.
ich habe das bedürfnis, da selbst wieder raus zu kommen, es alleine zu schaffen, weil ich niemanden mit dem mist belasten will, den ich selbst gebaut habe. das fühlt sich einfach nicht fair an, als würde ich mich herauswinden und meine arbeit auf andere abwälzen.
das problem ist nur, dass mich die depression daran hindert, irgendwas zu tun - rede ich mir zumindest ein (vielleicht ist das auch einfach nur der einfachste weg, aus dem selbst gebuddelten loch nun wieder rausgeholfen zu bekommen). an den meisten tagen fällt es mir schon allein schwer mit anderen zu reden, einen post wie diesen hier zu verfassen oder mich überhaupt zu konzentrieren.
mit anderen worten: die tatsache, dass ich diesen selbsthass überhaupt so fühlen und definieren kann, bedeutet eigentlich schon, dass es mir heute ein wenig besser geht. nur leider treibt er mich gradewegs zurück in die depression.
entweder schaffe ich es also heute, mich bei einem therapeuten zu melden (hab sogar bereits eine überweisung vom hausarzt, das wäre nichtmal mehr das problem), obwohl alles in mir dagegen spricht und mich dafür verurteilt - oder ich sitze die nächsten tage wieder wie der letzte jammerlappen schlapp und krank vor schmerz in meiner wohnung und schaffe gar nichts.

tut mir leid für diese selbstmitleidstirade. hoffe, es war überhaupt verständlich. ich erwarte auch eigentlich nicht wirklich eine antwort auf dieses gejammer; wollte es nur mal niederschreiben, um mir vllt selbst klarer drüber zu werden, was ich tun soll.

LG

hardworking fool

Hallo Cailyn,

nur eine kurze Frage. Wenn du beispielsweise Leukämie hättest und dich dadurch stark geschwächt fühlen würdest, wäre das dann auch deine Schuld? Hättest ja mehr Brokkoli essen können - oder irgendwelche anderen Superfoods die angeblich vor Krebs schützen.

Eine Depression ist eine ernstzunehmende Krankheit und sie kommt garantiert nicht von Aufschieberitis. Und sicherlich gibt es Leute, die sich aus eigener Kraft aus dem Schlamassel befreien können - auch bei Krebs soll es ja Spontanheilungen geben - aber wenn es mit professioneller Hilfe leichter geht, warum sollte man dann darauf verzichten?
So ganz grundlos wird dir ja dein Hausarzt die Überweisung nicht ausgestellt haben.

Entschuldige, wenn ich etwas zynisch rüberkomme, aber es nervt mich einfach tierisch, dass so viele Menschen, auch und gerade Betroffene, Depressionen als Folge einer falschen Einstellung betrachten: Nach dem Motto, reiß dich einfach mal zusammen. Du musst nur wollen, und schon wird alles wieder gut.

Nimm dir alle Hilfe die du kriegen kannst! Alles Gute!
Fool

Cailyn

hallo hardworking fool,

danke für deine antwort.
ich habe eben das gefühl, die depression geradezu herausgefordert zu haben mit meiner aufschieberei und dem ignorieren. ich war früher schon depressiv, ich hätte wissen müssen, wie das endet. jetzt steck ich drin, aber ich habe das gefühl, ich hätte es von anfang an vermeiden können und demnach ist es meine schuld.
ich möchte nicht den anderen die kraft und zeit stehlen mir aus dem herauszuhelfen, was ich selbst verbockt habe. noch möchte ich anderen personen den therapieplatz streitig machen wegen meiner dummheit.
naja, mein hausarzt hat nicht groß nach den gründen der depression gefragt. und jammern kann ich gut ;-)

ich verstehe deine antwort sehr wohl und sehe sie auch nicht als zynisch an. ich bin auch der meinung, dass ich z.b. in früheren depressiven phasen sehr wohl die hilfe "verdient" habe, die ich dann auch bekam. aber diesmal sehe ich es einfach großteils als selbstverschuldet an, weswegen ich mit der idee von hilfe von außen einfach überhaupt nicht klar komme.

ich denke, ich werde mich mal mit dem therapeuten in verbindung setzen und wenn möglich erstmal medis nehmen, damit ich überhaupt mal wieder in den zustand komme, mir selbst helfen zu können.

danke nochmal.

LG

hardworking fool

Hallo Cailyn,

bist du sicher, dass du nicht mein geistiger Zwilling bist???

"noch möchte ich anderen personen den therapieplatz streitig machen wegen meiner dummheit."

Genau die gleichen Gedanken hatte ich auch- hab hier sogar irgendwann einen thread zu diesem Thema aufgemacht. "Nehme ich anderen den Therapieplatz weg" oder so ähnlich.

Versuche trotzdem Hilfe anzunehmen - es lohnt sich.

Alles Gute!
Fool

Felidae

Hallo cailyn,

ich kann fool nur zustimmen.

Alles liebe und viel kraft für dich!

Lg feli

hope

Moin,

ich muss ganz ehrlich sagen ich verstehe euer Problem nicht Hilfe anzunehmen.

Wenn Ihr auf der Treppe stürzt und euch den Arm brecht, dann geht ihr ja auch zum Arzt und sagt: Mach den Arm wieder heile!
Und ihr sagt ja auch nicht: Ich bin ja selber Schuld daran, ich hätte ja auch den Aufzug nehmen können, dann währe das nicht passiert.

Wo ist der Unterschied?

LG hope


hardworking fool

Hallo Hope,

sicher, bei einem Armbruch geht man natürlich zum Arzt - aber gehst du wegen jedem Schnupfen gleich zum Onkel Doktor?

Das Problem ist, dass wenn eine Depression schon sehr lange andauert, man sich
a. daran irgendwie gewöhnt
b. es immer schwerer wird sich aufzuraffen und Hilfe zu suchen
c. man ja so lange irgendwie funktioniert hat und glaubt, dass man auch weiterhin irgendwie funktionieren wird
d. psychische Krankheiten immer noch tabuisiert werden
e. manche Depression gar nicht bemerkt wird, da sie sich hinter körperlichen Symptomen versteckt.
Bei mir war es auch noch so, dass ich
f. als alleinerziehende Mutter einfach stark sein musste - krank zu sein, konnte und kann ich mir nämlich nicht leisten, eine (notwendige) stationäre Behandlung war damit von vornherein ausgeschlossen - selbst die ambulanten Termine auf die Reihe zu bekommen ist für mich echt schwierig
g.nachdem ich einige Erfahrungsberichte von Leuten mit Depressionen gelesen habe (u.a. hier im Forum) der Meinung war, dass andere viel dringender Hilfe bräuchten,
weil ich ich weder als Kind geschlagen wurde,
mich kein Priester, Onkel, Opa, Fußballtrainer etc. sexuell missbraucht hat,
ich keine schrecklichen Unfälle erlebt habe usw....

Aber hope, wenn du es nicht kapierst, dann kapierst du es halt nicht. Ist mir dann eigentlich auch wurscht.

Fool

Cailyn

hallo zusammen

@fool
um ehrlich zu sein hab ich den satz schon von mehreren depressiven gehört. scheint kein so seltener gedankengang bei dieser krankheit zu sein. dein kommentar hat mich trotzdem zum lächeln gebracht =)
auch bei deinem zweiten beitrag stimme ich dir größtenteils zu. nur das ich im moment niemanden habe, der mir über die schulter schaut, für den ich funktionieren muss und ich mich so einfach in meiner wohnung und meiner krankheit verstecken kann.
aber grade deinen letzten punkt kann ich leider total nachfühlen. jeder hat bessere gründe für eine depression als ich. deswegen hat ja auch jeder den therapieplatz mehr verdient als ich...

@Felidae
vielen dank für deine lieben worte =)

@hope
doch, im zweifelsfall wäre das mein gedankengang. vor allem, wenn ich mich mehr oder weniger selbst die treppe runtergestürzt hätte. ich nehme sowieso ungern tabletten und würde den arzt daher wahrscheinlich nur den arm richten lassen und schmerzmedis nur dann nehmen, wenns wirklich nicht anders geht.
diese reaktion könnte aber auch nur eine auswirkung meines allgemeinen selbsthasses sein, das kann ich nicht wirklich beurteilen.


ich hab nun bei dem therapeuten angerufen und mir erstmal einen termin geben lassen. war zwar ziemlich stressig, aber im moment gehts mir zumindest etwas besser.
ich halte jedoch zurzeit noch an meinem plan fest, die depression fürs erste mit medis bekämpfen zu wollen. auch wenn ich jetzt, wo es mir grade etwas besser geht, merke, dass ich eigentlich zumindest mal ein paar dinge mit jemandem durchsprechen müsste, weil ich die alleine nicht klar bekomme. aber dafür gleich ne ganze therapie anzufangen, finde ich dann doch übertrieben... hoffentlich kann ich da die nächsten tage noch etwas drüber nachdenken, bevor die gedanken sich wieder davondrehen ;-)

LG

Topolino

Hallo Cailyn,

Widersprichst du dir nicht? Einerseits sagst du, du nimmst ungern Tabletten und würdest lieber nur den kaputten Arm richten lassen und die Schmerzen ertragen und keine Schmerzmittel nehmen, aber bei kaputter Seele anders rum?

Ich kann verstehen dass du Angst vor Thera hast, hab ich die doch auch um nicht zu sagen Panik aber - es ist mit Sicherheit ein Versuch wert -

Es ist doch echt erstaunlich *lächel* dass man anderen immer gute Ratschläge geben kann und selbst umsetzen einfach schwer ist.

Je länger du wartest, desto schwieriger wirds, ich wünsche dir von Herzen dich selbst zu lieben, auf dich acht zu geben und gut zu dir zu sein.

Wenn es dir hilft, dann gucken wir dir über die Schulter.

Lg
Topo

Felidae

Hallo Cailyn,

gestern hatte ich einen Text für Dich verfasst, der leider verschwunden ist :(
Deshalb fang ich nochmal neu an:

Also mir ist es natürlich auch unangenehm, Medikamente nehmen zu müssen, um zumindest einigermaßen zu funktionieren, angemessen mit meinem Umfeld umgehen und so etwas wie Lebensqualität fühlen zu können. Ohne geht es bei mir nicht.
Einmal nahm ich welche, bei denen hab ich mich echt super gefühlt, soziale Interaktionen haben mir ÜBERHAUPT nichts mehr ausgemacht, und ich hatte kein Gedankenkarussell mehr. Die Nebenwirkung war, dass mein Körper meinte, er müsste jämmerlich verhungern, und auch wenn ich voll dagegen angekämpft hab, nahm ich immer mehr zu. Sollte ich jetzt bald MIT diesen Tabletten glücklich an Herzverfettung sterben oder schon wieder andere Medis ausprobieren :/ Ich sprach mit dem Doc, und er war dafür, dass ich andere ausprobiere. Das dauert halt jedesmal wieder bis zu einigen Wochen, bis man ne Veränderung merkt bzw die Depression etwas gelindert wird.
Ein anderesmal hatte ich welche, Venlafaxin, da hatte ich permanent Heulkrämpfe.
Zzt bin ich morgens bei Cymbalta bzw Duloxetin, 60 mg und nachmittags Opipram, 50 mg. Es ist nicht so ganz das Wahre, aber ich komme damit klar.
Heutzutage werden Depressionen mE nicht mehr tabuisiert, wie zu meiner Zeit noch, als ich anfing, mir professionelle Hilfe zu suchen. Wie hieß doch gleich noch dieser Fußballspieler - Robert Enke? Seit ihm haben sich die Ansichten dahingehend sehr geändert, sieht man auch in den Schulen, ein Drittel der Klasse und oft auch die Eltern kämpfen mit teils sehr schweren Depressionen oder anderen psychischen Problemen, aber die werden alle ernstgenommen, keiner lacht oder spottet darüber.
Was den Therapieplatz wegnehmen betrifft, die genauen Ursachen von Depressionen sind ja bis heute nicht eindeutig geklärt. Eine Erklärung ist zb, dass durch die Umweltbelastung in unserer heutigen Nahrung gar nicht mehr alle Nährstoffe produziert werden können, die unser Körper zu seinem Wohlbefinden eigentlich bräuchte. Und ob einer Depression nun ein Trauma oder ein Nährstoffmangel zugrunde liegt - Depression ist Depression und sollte behandelt werden, noch dazu, wenn man nicht alleine ist, sondern jemanden hat, dem man überaus wichtig ist!
*michdeshalbnebentopolinostellundauchüberdeineschulterkuck*
Konkrete Suizidgedanken sollten immer ernst genommen werden. Bitte geh direkt zu einem Psychologen oder Psychiater, sollte doch eine Überweisung notwendig sein, sag einfach, dass Du für diesen oder jenen Arzt eine Überweisung brauchst wegen Depressionen. Fertig. Die Mädchen an der Theke machen das dann.

Ganz liebe Grüße
Feli

Cailyn

hallo ihr beiden

@Topolino
stimmt schon, am liebsten nehm ich gar keine medikamente. meine begründung für diese handlungsweise besteht aber eher darin, dass ich die geringstmögliche hilfe möchte, um wieder zu funktionieren. und das wären bei der depression nun für den anfang eben medikamente, weil ein bisschen therapie nun auch nichts bringt, sondern höchstens dinge aufwühlt.
das mag nun zum einen daran liegen, dass ich eben der meinung bin, mich wie gesagt selbst reingeritten zu haben und nun selbst auch wieder aus dem dreck krabbeln zu müssen. vllt spielt auch mein selbsthass mit rein. aber du hast schon recht: vllt habe ich auch vor der therapie ein wenig angst. angst, dass der berg an problemen, den ich mir da aufgeschüttet habe, über mir zusammenbricht, wenn ich auch nur dran rühre.
tja, das problem "wissen, aber selbst nicht umsetzen können" stellt mir auch fast jeden tag ein bein. könnt ja so einfach sein ;-)
vielen dank nochmal für deine lieben worte. ich wünsche dir auch viel kraft und mut für die bewältigung deiner therapie!


@Felidae
ja, das richtige medikament zu finden ist ja meist nicht so einfach. ich habe den vorteil, dass ich sehr schnell auf ssri's reagiere und zumindest weiß, was mir früher mal geholfen hat.
ich finde leider immer noch, dass depressionen zusehr tabuisiert werden bzw nicht als "gleichwertige" erkrankung angesehen werden. es ist, wie du sagst, besser geworden, aber wirklich akzeptiert wird es in meinen augen von den meisten noch nicht. mag auch daran liegen, dass es für nicht-betroffene wohl eher schwer nachzuvollziehen ist. selbst ich vergesse oder verdränge gerne, wie schlecht es mir gehen kann, wenn ich grade mal wieder eine bessere phase habe.
ich denke, depressionen können viele verschiedene ursachen haben und sind im zweifelsfall ein zusammenspiel verschiedener faktoren. da ist es ja oft schon schwer, ursache und wirkung noch auseinander zu halten. aber z.b. meine erste depression wurde damals wohl auch deutlich von einem eisenmangel "unterstützt". ernährung ist ein wichtiger gesichtspunkt, wie du schon sagst.
vielen dank auch für deine lieben worte! wie gesagt, ein termin beim psychologen ist nun gemacht und falls es bis dahin gar nicht mehr gehen sollte, hau ich nochmal meinen hausarzt an.



die sache mit der ernährung, die Felidae angesprochen hat, beschäftigt mich nun auch seit einiger zeit. vor allem, seit mein appetit immer weiter zurück geht und ich mich immer einseitiger und vitaminärmer ernähre. hab schon angst, dass die depression noch durch einen nährstoffmangel verstärkt wird. wie haltet ihr das denn so? macht ihr was bestimmtes dagegen?

LG

Topolino

Guten Morgen cailyn,

Es ist keine Schwäche Hilfe anzunehmen. Du ahnst ja bereits ein Berg Probleme zu haben, ist es nicht besser jetzt dann anzufangen, als in 10 Jahren wenns ein Gebirge ist?

Einen richtigen Zeitpunkt gibt es nie.

Überwinde den inneren schweinehund.

Lg
Topo