Ich weiß nicht mehr weiter ...

Begonnen von Hannah, 07 Dezember 2016, 16:49:17

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Hannah

Hallo,

das ist das erste Mal, dass ich in so einem Forum schreibe, aber ich hab das Gefühl, ich muss diesen ganzen Mist in meinem Kopf einfach irgendwie loswerden. Und ich hab leider im Moment keinen zum Reden und vielleicht gibt es hier Leute, die mich verstehen und denen es ähnlich geht ...

Ich glaub, ich fang einfach von vorne an und lass alles raus ... auch wenn es schwer ist ...

Also, ich war eigentlich schon mein ganzes Leben immer irgendwie "anders" als z. B. die anderen Kinder. Als Baby war ich laut meinen Eltern ein Schreikind und konnte nur schlafen, wenn mein Vater mich auf dem Arm hatte. Meine Mutter hat auch erzählt, dass ich später teilweise auf dem Spielspatz gar nicht gespielt hab, sondern nur ganz still da saß und die anderen Kinder beobachtet hab. Ich war wohl generell sehr still und hab viel beobachtet.

In den Kindergarten bin ich erst mit fünf gekommen. Ich war zwar schon früher mal zu Probetagen da, habe aber den ganzen Tag geweint, bis meine Mutter mich wieder abgeholt hat. Da hat sie dann entschieden, dass es für mich vielleicht besser ist erst später in den Kindergarten zu gehen. Bin ich dann ja auch irgendwann, ich erinnere mich aber, dass ich Kindergarten jetzt nie so super toll fand.

Dann bin ich eingeschult worden und die Grundschule an sich hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich habe auch nie Probleme mit dem Lernen, Hausaufgaben etc. gehabt. Das lief alles wie von selbst.
Ich war allerdings immer noch sehr, sehr ruhig und meine alte Klassenlehrerin hat mir vor einiger Zeit erzählt, dass sie sich genau erinnert, dass ich bei der Lesenacht die einzige war, die wirklich gelesen hat, während um mich herum das Chaos tobte.
Ich hatte auch riesige Probleme, irgendwo anders als Zuhause zu übernachten, nicht mal bei einer Freundin, die nur zwei Häuser weiter gewohnt hat. Das ging irgendwie nicht, ich konnte das nicht aushalten. Und ich hatte auch Probleme einfach nur mal einen Nachmittag irgendwo zum Spielen hinzugehen, dass hat mir oft einfach Angst gemacht. Bei meinen wenigen engen Freunden ging das, aber wenn mich bspw. jemand aus meiner Klasse, mit dem ich nicht so sehr befreundet war, zum Kindergeburtstag eingeladen hat und da auch viele Kinder hinkommen sollten, die ich nicht kannte, dann konnte ich da nicht hingehen. Ich hab wirklich tagelang vorher nur geweint und hatte eine riesen Angst, da hin zu müssen.

Als ich dann aufs Gymnasium gekommen bin, wurde alles richtig schlimm. Am ersten Schultag bin ich aus der Schule abgehauen und nach Hause gerannt, weil ich es in der neuen Umgebung einfach nicht aushalten konnte. Ich hab nach einiger Zeit zwar Freindinnen gefunden, die waren in dieser Phase der Pubertät aber irgendwie eher tussig und falsch.
Ab da hatte ich richtig Panik irgendwo zu übernachten, die dreitägige Klassenfahrt war der pure Horror, ich hab wochenlang vorher und auch auf der Fahrt selbst fast durchgängig geweint. Ich hab dann auch richtige Panikattacken bekommen, ich dachte immer abends vor dem Einschlafen, dass ich keine Luft mehr kriege. Ich will meinen Eltern keinen Vorwurf machen, aber ich glaube, sie waren sehr überfordert mit mir. Sie wussten nicht, was sie in diesen Situationen tun sollten, um mich zu beruhigen und sind dann irgendwann auch aggressiv geworden oder haben einfach versucht, das zu ignorieren. Ich saß dann teilweise die halbe Nacht alleine in meinem Bett und hab geweint, bis ich vor Erschöpfung eingeschlafen bin.
Ich hab dann in der Pubertät durch die Hormonumstellung irgendwann Migräne bekommen, mit Aura, d. h. mit Sehstörungen und Taubheitsgefühlen etc. Das ist leider eine familiäre Vorbelastung, hat aber meine Panik nur verstärkt.
Ich war oft krank bzw. mir war fast ständig übel, ich bin oft auch gar nicht zur Schule gegangen und hab viel geweint. Würde sagen, das war meine erste schlimme Phase der Depression. Irgendwann waren wir dann beim Arzt, ich hab Benzodiazephane bekommen und eine Therapie bei einem Kinderpsychologen gemacht. Die Benzos haben geholfen, die Therapie nicht so, weil ich einfach furchtbar schüchtern war und mich fast gar nicht getraut hab irgendwas zu sagen (nicht nur in der Therapie, sondern auch generell im Alltag).
Ich hatte auch zuhause Probleme, mein Vater war sehr jähzornig und hat teilweise Kleinigkeiten sehr hart bestraft, allerdings nur bei mir, nicht bei meinen Geschwistern. Ich wurde teilweise vor die Tür gesetzt, mir wurden Tachen ins Zimmer geworfen mit der Aufforderung meine Sachen zu packen und auszuziehen, es wurde gesagt, ich wäre nicht mehr seine Tochter. Das schlimmste war, als ich in der Stadt einmal gefragt hab, ob ich mir zwei anstatt nur einer DVD aus der Bücherei ausleihen dürfte. Als wir zuhause waren, musste ich mein gesamtes Zimmer ausräumen und meine Sachen in den Keller tragen. Den Rest des Tages saß ich dann bis zum nächsten Morgen in meinem komplett leeren Zimmer.
Das wurde irgendwann besser, als mein Vater angefangen hat extrem viel Sport zu machen, da lässt er wohl heute seinen Frust ab und nicht mehr an mir ...

Irgendwann wurden dann meine verkorksten Freundschaften aufgebrochen und ich hab neue, sehr liebe Freundinnen gefunden, mit denen ich auch heute noch befreundet bin. Meine Ängste waren allerdings immer noch da, ich hab nie irgendwo übernachtet außer unter Zwang (Klassenfahrt oder so) und das war fast immer schrecklich.

Bis zum Abi ging alles irgendwie dann so seinen Gang und eine zeitlang war alles okay. Ich hab auch ein sehr gutes Abi gemacht. Aber seitdem geht eigentlich alles den Bach runter und seit dem war ich dann auch eigentlich wider bei einer Verhaltenstherapie. Ich bin jetzt 23 und Studentin im Master, ich habe während des gesamten Studiums keinen einzigen Freund gefunden, eigentlich nicht mal Bekannte. Seit vier Jahren muss ich Antidepressiva nehmen, meine Stimmung ist trotzdem sehr labil. Meine Ängste werden eigentlich immer schlimmer. Anfang des Jahres war ich erst in einer stationären Therapie und dann in einer Tagesklinik, weil diese Angstzustände einfach über Wochen nicht mehr aufgehört haben. Ich hab am Schluss auch nur noch 44kg bei 170 cm gewogen ... ich glaube das sagt alles ...
Auf jeden Fall bin ich jetzt entlassen und wieder im Studium, aber ich hab das Gefühl, dass sich nichts wirklich verändert hat. Vor allem in der Tagesklinik hab ich mich überhaupt nicht ernst genommen gefühlt, sondern man hat mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass es im Grunde alles meine Schuld ist und als ich mal den Versuch unternommen hab, trotz der riesigen Scham über meine Kindheit zu sprechen, wurde das abgebügelt, "weil das für meine jetztige Situation gar nicht mehr relevant sei". Danach wurde das nie wieder erwähnt, geschweige denn nach gefragt.

Ich fühl mich einfach so furchtbar alleine und ich schäme mich dafür, wie ich bin, Ich hab das Gefühl, ich mache alles falsch und kann irgendwie gar nicht normal sein. Dabei ist es das was ich mir schon immer am meisten gewünscht hab: ich möchte normal sein dürfen, ich möchte glücklich sein dürfen, ich möchte sein wie alle anderen. Als Kind hab ich mir immer gesagt, dass alles besser wird, wenn ich erwachsen bin, weil Erwachsene keine Angst haben. Und jetzt bin ich erwachsen und es wird immer schlimmer ...
Ich bin hoffnungslos, weil ich das Gefühl hab, dass ich immer schon so war, ich weiß gar nicht wie es ist, keine Angst zu haben vor irgendwas oder nicht traurig zu sein ... und wenn man dann noch solche therapeuten hat, die einem sagen, dass man mir sowieso nicht helfen kann, weil ich das eh alleine machen muss, dann frag ich mich halt schon warum ich überhaupt noch lebe ...

An Diagnosen wurde mir auch schon alles mögliche gegeben, Angststörung, Depression, Persönlichkeitsstörung ... ich find mich aber irgendwie nirgendwo so ganz wieder und ich hatte bis jetzt leider auch noch keinen Therapeuten, wo ich mich so wohlgefühlt hab, dass ich meine ganze Geschichte erzählen konnte ... manchmal denk ich, dass ich vielleicht auch irgendwie autistisch bin oder einen Hirnfehler hab :(

Ich danke erstmal allen, die sich überhaupt die Mühe machen, DAS alles zu lesen. :) ich fühl mich jetzt wenigstens ein bisschen besser. Vielleicht gibts ja kemanden dems ählich geht ...

Ich wünsche allen in diesem Forum auf jeden Fall, dass sich eine Lösung und ein Weg findet <3

Hannah

hardworking fool

Liebe Hanna,

deinen Beitrag zu lesen hat mich sehr bestürzt. Es tut mir sehr leid, dass du bisher offenbar niemanden gefunden hast, der dich wirklich versteht und ich wünsche dir von Herzen, dass du hier Menschen findest, die dir helfen können.
Ich selbst kenne das mit Panikattacken und Angststörungen zwar nicht, aber vielleicht kann ich dir schon ein paar Worte auf den Weg geben um dir Mut zu machen.

Vielleicht kann ich dir doch wenigstens etwas Tröstliches sagen. In der Pubertät bekam ich auch ziemlich heftige Migräneattacken. Das hat sich aber mit zunehmenden Alter wieder gegeben und mittlerweile bin ich seit Jahren anfallsfrei.

Zu den Erziehungsmethoden deines Vaters sage ich mal besser nichts - könnte sonst sein, dass ich auf die Tastatur kotze und damit wäre keinem von uns gedient. Was du sonst über deine Kindheit erzählst finde ich nicht soooo außergewöhnlich. Ich kenne viele Kinder die sehr introvertiert sind / waren und viel lieber andere beobachtet haben als selbst aktiv zu werden. Hättest du mir früher ein gutes Buch in die Hand gedrückt, hätte ich wahrscheinlich nicht einmal gemerkt, wenn es Feueralarm gegeben hätte.

Ich habe auch studiert und wüsste nicht einmal mehr den Namen eines einzigen meiner Kommilitonen. Das hat mich damals auch nicht interessiert. Sicher, in den Seminaren habe ich mich gelegentlich mit den Leuten unterhalten, aber Freundschaften? Negativ.

Hilfe, jetzt fang ich doch noch an auf meinen Schreibtisch zu reihern! "Vor allem in der Tagesklinik hab ich mich überhaupt nicht ernst genommen gefühlt, sondern man hat mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass es im Grunde alles meine Schuld ist und als ich mal den Versuch unternommen hab, trotz der riesigen Scham über meine Kindheit zu sprechen, wurde das abgebügelt, "weil das für meine jetztige Situation gar nicht mehr relevant sei". Danach wurde das nie wieder erwähnt, geschweige denn nach gefragt."
Das kann doch wohl nicht wahr sein. Okay, ich bin jetzt nicht der Psychologie-experte, aber so einen hanebüchenen Schwachsinn habe ich ja noch nie gehört. Was haben denn diese Intelligenzbestien studiert? Seelische Grausamkeit für Anfänger an der Baumschule?
Wenn du mich fragst, sind derartige Aussagen nicht normal. Die haben doch komplett einen an der Waffel!

"Ich fühl mich einfach so furchtbar alleine und ich schäme mich dafür, wie ich bin, Ich hab das Gefühl, ich mache alles falsch und kann irgendwie gar nicht normal sein." Also für mich klingt das aller-, allermeiste von dem was du geschrieben hast absolut normal!

Ich würde dir wirklich raten in den sauren Apfel zu beißen und vielleicht doch noch zu einem anderen Therapeuten zu gehen. Ein bisschen ist das ja wie mit den ADs - es kann unter Umständen lange dauern, bis man das richtige Medikament in der richtigen Dosierung bekommt. Den richtigen Therapeuten zu finden ist ganz sicher auch nicht einfacher. Vielleicht ist Verhaltenstherapie auch nicht das richtige für dich. Ich selbst mache eine tiefenpsychologisch fundierte PT und bin damit hochzufrieden.

Gute Besserung!
Fool

Hannah

Hallo Fool,

danke für deine liebe Antwort! Ich hoffe auch, dass ich hier Leute finden, die mich verstehen können.

Also meine Migräneattacken sind mittlerweile auch weg, ich hab aber immer noch Angst davor, dass ich die wieder bekomme. :( Ich weiß, dass die ja eigentlich so erst mal nicht schlimm sind, aber trotzdem kann ich da irgendwie nicht mir umgehen.

Ich weiß nicht, vielleicht ist das Problem auch nicht, dass ich wirklich anders bin als andere, sondern dass ich mich einfach schon seit immer FÜHLE als wäre ich anders. Weil ich halt sehe, wie andere ihr Leben leben, was die alles schaffen und sich trauen. Und ich hinke immer hinterher, hab vor tausend Dingen Angst und denk einfach immer, dass es niemand versteht, was in meinem Kopf vor sich geht. Das ich halt einfach alleine damit bin.

Und mit meinen Eltern ist das so eine Sache ... ich bin da sehr ambivalent. Heute haben wir ein sehr gutes Verhältnis, weil sie sich sehr geändert haben und für mich sind das irgendwie nicht die selben Personen wie damals. Ich denke sie waren extrem überfordert mit mir und hatten dann noch andere Sorgen (Finanzen, Wohnungssituation, etc.) und dass ich mich dann halt nicht normal benehmen konnte, obwohl sie alles versucht haben, um mir zu helfen und die Angst zu nehmen, hat sie glaub ich frustriert.
Ich hab halt auch Angst vor einem Therapeuten darüber zu sprechen, weil ich Angst hab, dass der sagt, dass wir das als Familie mal aussprechen müssen. Ich will meinen Eltern keine Vorwürfe machen, ich will denen nicht sagen, dass sie quasi Schuld dadran sind, dass ich so krank bin. Die machen sich eh schon solche Sorgen um mich. :(

Und das ich im Studium niemanden gefunden hab, belastet mich halt zusätzlich, weil es eben dieses Gefühl in mir bestärkt, dass ich irgendwie anders und ein Außenseiter und Sonderling bin. :'(

Das mit der Tagesklinik war auch sehr schlimm für mich, mir geht es jetzt im Moment wieder so schlecht wie Anfang des Jahres bevor ich in die stationäre Therapie gekommen bin. Ich kann nichts essen, ich kann nicht schlafen, ich kann nicht für meine Klausur lernen und bin nur am Weinen. Ich hab das Gefühl da draußen gibt es keinen der mir helfen kann oder will.
Ich bin halt so, dass ich von einem Therapeuten auch einfach mal nur Mitgefühl brauche, jemand der mir sagt, dass es okay ist darüber zu sprechen und vor allem das ich überhaupt eine Chance hab, jemals ein gesundes Leben leben zu können. Dieser Therapeut in der TK hat das bisschen Selbstvertrauen, dass ich hatte aber komplett zerstört und mich wieder voll in dieses Loch gerissen. Sein Standartsatz wenn ich erählt hab, dass ich vor irgendwas Angst hab (zB Autofahren), war immer "Und was glauben Sie, wann Sie damit anfangen wollen?" ... Mehr nicht, kein Zeichen von Mitgefühl, kein Zeichen von Verständnis und keinerlei Ansätze mir irgendwie praktisch zu helfen und Lösungen zu bieten.
Ich hab jetzt auch noch mehr Angst vor Therapeuten, weil ich wegen dem das Gefühl hab, dass die mich nur verurteilen :(
Und diesen Satz "und was glauben Sie, wann Sie damit anfangen wollen?" hab ich halt auch zu hören gekriegt als ich gesagt hab, dass ich Angst hab und mich schäme über meine Kindheit zu sprechen ...Und damit war das Gespräch dann auch zuende (also die Zeit war offiziell um) und der hat das nie wieder erwähnt, nie wieder danach gefragt oder sich überhaupt dafür interessiert :(

Vielleicht muss ich dazu sagen, dass in der Tagesklinik wo ich war, anscheinend aus kostengründen nur Psychologen beschäftigt werden, die zwar das Studium abgeschlossen haben, aber sich noch in der praktischen Zusatzausbildung zum psychologischen Psychotherapeuten befinden ... d. h. ich hatte nicht mal einen älteren, erfahreneren Therapeuten an den ich mich dann hätte wenden können.

Danke auch für den Tipp mit der Tiefenpsychologie, vielleicht ist das wirklich besser für mich. Mich schrecken nur diese Wartezeiten extrem ab, weil ich mich jetzt grade in dieser Krise total allein gelassen fühle ... ich weiß nicht, wie ich das noch 6 Monate aushalten soll.
Und ich will halt nicht wieder stationär aufgenommen werden müssen, weil das für mich wie Versagen ist ... ich will nicht mein ganzes Leben in Kliniken und Therapien und unter Medikamenten verbringen müssen ... :'(

Alles Liebe,

Hannah

Hannah

Ich habe mich jetzt übrigens auch hier angemeldet, ich hab den Eindruck, dass hier sehr viele nette, hilfsbereite Leute unterwegs sind. Danke dafür! <3

hardworking fool

Hallo Hannah!

Selbst auf die Gefahr hin mich zu wiederholen; ich habe nicht den Eindruck, dass das was du beschreibst so außergewöhnlich ungewöhnlich ist. Ob du nun anders bist, oder dich nur anders fühlst, ist doch eigentlich egal. Sind wir nicht alle Individuen und ziemlich einzigartig? Vielleicht meinen die meisten Leute auch von mir, dass ich ein Sonderling bin, aber hey! Ich stehe mittlerweile dazu und ich finde das auch ziemlich klasse. Man muss nicht immer mit dem Strom schwimmen.

Ich versuche mal deinen Beitrag Stück für Stück zu beantworten damit ich nichts vergesse.
Ja, ja, die Schuldfrage. Ich habe meiner Therapeutin damals erklärt, dass es mir persönlich völlig egal ist, woher meine Krankheit kommt. Alles was zählt ist, zu lernen damit (gut) zu leben.
Selbst wenn ein Therapeut vorschlagen würde, eine Familientherapie zu machen, heißt das ja nicht, dass du damit auch einverstanden sein musst.

,, Ich hab das Gefühl da draußen gibt es keinen der mir helfen kann oder will."
Hmmm. Können, das kann ich nicht beurteilen, aber was das Wollen angeht muss ich gar nicht lange suchen. ;-)

Also je mehr Beiträge ich hier im Forum über Psychotherapeuten lese, desto dankbarer bin ich für meine Therapeutin. Die hat mich noch nicht ein einziges Mal verurteilt, nicht einmal wenn ich ihr ganz schreckliche Dinge erzählt habe auf die ich nun wirklich nicht stolz bin.
Allerdings greift sie sehr selten bis nie von sich aus irgendwelche Themen wieder auf. Also in deinem Fall hätte sie das Thema Kindheit höchstwahrscheinlich auch nicht noch einmal angesprochen. Ich fürchte, das musst du schon selber tun.

Ob Erfahrung immer nur ein Vorteil ist, wage ich zu bezweifeln. Jüngere Therapeuten sind vielleicht noch nicht so abgestumpft und engagierter. Du siehst, man kann alles aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachten.

Was die Wartezeiten anbelangt, muss man manchmal vielleicht auch einfach Glück haben. Ich hatte damals 3 Wochen nach der ersten Kontaktaufnahme einen Termin und konnte auch gleich die Therapie beginnen. Ich muss allerdings zugeben, dass sich meine Therapeutin gerade erst selbstständig gemacht hatte. Anfangs glich die Praxis noch einer Baustelle.
Selbst beim Kinderpsychologen habe ich innerhalb eines Monats einen Termin für meinen Sohn bekommen. Hab's halt ein bisschen dringend gemacht. 
Sicherlich ist es nicht einfach einen Therapieplatz zu ergattern, aber es bringt auch nichts sich zurückzulehnen und zu sagen, oje die Wartezeiten sind so lang, das schaffe ich nicht. Die werden nämlich auch nicht kürzer wenn du länger wartest bis du versuchst einen Termin zu bekommen. Vielleicht kann dir auch dein Hausarzt weiter helfen. In meiner Stadt gibt es z.B. ein Bündnis gegen Depression in dem Hausärzte und Psychiater vernetzt sind. Da findet sich leichter ein Platz.

Mal eine dumme Frage: Ist es ein Zeichen von Versagen, wenn man sich eingesteht, dass man Hilfe braucht und diese auch sucht und annimmt?
Ob das nun stationär oder ambulant stattfindet ist doch im Endeffekt egal. Wichtig ist, dass du etwas unternimmst. Depressionen können überwunden werden, Angststörungen können geheilt werden – aber man muss etwas dafür tun.

Alles Liebe und viel Erfolg bei der Therapeutensuche!
Fool

Cria

Hallo Hannah,

ich habe eben deine Beiträge gelesen und finde es erstaunlich, wie ähnlich manche Sachen doch anfühlen.

ZitatIch weiß nicht, vielleicht ist das Problem auch nicht, dass ich wirklich anders bin als andere, sondern dass ich mich einfach schon seit immer FÜHLE als wäre ich anders. Weil ich halt sehe, wie andere ihr Leben leben, was die alles schaffen und sich trauen. Und ich hinke immer hinterher, hab vor tausend Dingen Angst und denk einfach immer, dass es niemand versteht, was in meinem Kopf vor sich geht. Das ich halt einfach alleine damit bin.
- Das würde ich auch so unterschreiben. Bei anderen wirkt immer alles so leicht, die Dinge klappen schon irgendwie. Nur bei einem selbst läuft es nicht. Dabei ist das doch völliger Quatsch. Ich kenne eigentlich niemanden, bei dem wirklich alles und immer rund läuft. Das weiß ich. Trotzdem rede ich mich, meine Leistungen, meine Person etc. schlecht. Bisher habe ich noch keine Lösung dafür.

Und zu den Schuldgefühlen: Die musst du nicht machen. Und du darfst deinen Eltern Vorwürfe machen. Du darfst in der Therapie sogar schlecht über sie reden! Sie haben Fehler gemacht. Das ist so. Denk in der Therapie erstmal nur an dich. (Sage ich jetzt so, haha.. Kann ich auch noch nicht. Aber ich weiß, dass ich es eigentlich sollte... Ich bin übrigens auch Studentin im Master..) Apropos Studium. Ich finde auch viele Leute merkwürdig und habe einfach keinen Bock auf sie. Das ist auch ok so. Ein paar wenige Leute sind ok, mit denen kann man sich auch mal so treffen. Ansonsten können die dir wurscht sein. Andere Freunde hast du ja? Das ist doch super! Mein Freundeskreis wird leider immer kleiner. Und das ist nicht mal meine Schuld als depressive Tante.

ZitatIch hab jetzt auch noch mehr Angst vor Therapeuten, weil ich wegen dem das Gefühl hab, dass die mich nur verurteilen :(
Und diesen Satz "und was glauben Sie, wann Sie damit anfangen wollen?" hab ich halt auch zu hören gekriegt als ich gesagt hab, dass ich Angst hab und mich schäme über meine Kindheit zu sprechen
- Ein guter Therapeut wird dich nie verurteilen, hoffe ich. Vielleicht bildest du dir das auch ein? Der Kopf spinnt manchmal ziemlich doll rum. Vielleicht wollte er einfach wirklich nur raushören, wann du mal erste Fetzen aus deiner Kindheit erzählst. Er wollte deine Reaktion sehen?

Meine Therapeutin fragt auch nur selten nach bzw. gar nicht nach Themen aus vergangenen Sitzungen. Das muss alles von mir kommen. Sie sagt zu Beginn auch nur "Hallo" und dann bin ich dran. Das ist immer noch merkwürdig für mich. Ich erzähle dann das, was mir gerade einfällt.

Hast du mal rumtelefoniert wegen freien Therapieplätzen? Manchmal hat man ja Glück und es wird was frei.

Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Erfolg.

Cria


Hannah

Danke Cria und Fool für eure Antworten! <3

Ich hab schon bei sehr vielen Therapeuten angerufen und teilweise bieten die nicht mal an, dass ich auf eine Warteliste könnte. Ist ziemlich blöd ... ich werde mich aber überwinden gleich nochmal zu meinem hausarzt zu gehen, der kennt mich schon seit Kindertagen und hat mir auch das letzte Mal sofort Hilfe besorgt. Ich schäme mich aber irgendwie trotzdem jetzt wieder wegen dem Problem zu ihm zu gehen ... :/

Das man in einer Therapie auch über Sachen sprechen muss, die man lieber verdrängen würde, und das ICH diejenige bin, die diesen Kampf kämpfen muss, hab ich irgendwie auch erst jetzt richtig verstanden.
Bei meiner ersten Therapie mit 13 war ich glaub ich zu jung und schüchtern und introvertiert, um das überhaupt zuzulassen und bei meiner anderen Therapie hatte ich immer irgendwie das Bedürfnis, dass mir jemand diese Last abnimmt und für mich kämpft und das diese Krankheit und alles einfach aufhören soll.
Und erst jetzt hab ich das Gefühl richtig verstanden zu haben, was diese Krankheit und auch die Therapie bedeutet. Und ich will mich jetzt öffnen und darüber sprechen, ich will die Ursachen kennen, weil ich das Gefühl hab, dass das der einzige Weg ist diesen Feind im Kopf zu bekämpfen ... ich weiß bei den angstzuständen teilweise gar nciht WOVOR ich eigentlicb genau Angst hab ... ich verdränge glaub ich sehr viel ...
Nur leider ist mir da der Therapeut aus der Tagesklinik dazwischen gegangen als ich meinen Mut zusammen genommen hatte und darüber reden wollte ...
Ich hab jetzt im Nachhinein auch von meinen Mitpatienten, die auch bei ihm in Behandlung waren erfahren, dass die ähnlich schlechte Erfahrungen mit dem gemacht haben ..

hardworking fool

Hmmm. Vielleicht bin ich der falsche Ansprechpartner zum Thema Therapie - zum einen gibt es sicherlich hier viele die über weit mehr Erfahrung in diesem Bereich verfügen - und zum anderen bin ich gerade dabei meine eigene Therapeutin in den Wahnsinn zu treiben. Nicht absichtlich, versteht sich, aber irgendwie wird sie nicht schlau aus mir und zweifelt deshalb massiv an ihrer Behandlung. - Eigentlich lustig, denn sie hat mir schon unglaublich viel geholfen, aber irgendwie scheint sie das gar nicht zu merken.
Das bringt mich zu deinem Beitrag. Natürlich kannst du in der Therapie über Dinge sprechen die unangenehm sind und die du normalerweise niemandem gegenüber erwähnen würdest, aber du MUSST nicht darüber reden. Sieh es positiver, es kann unheimlich befreiend sein, manche Themen anzusprechen. Ich weiß nicht, ob du in der Schule jemals schlechte Noten hattest und versuchtest, das vor deinen Eltern zu verheimlichen. Irgendwann kam es dann raus und manchmal war man danach sehr erleichtert - weil der Kopf eben doch nicht abgerissen wurde. So ähnlich kann eine Therapie funktionieren.

Den "Kampf" musst natürlich du kämpfen, aber in der Therapie findest du einen Mitstreiter der dich unterstützt und dir zur Seite steht. Die Last kann dir keiner abnehmen, aber dir die Kraft geben sie zu tragen.

Ich bin übrigens mittlerweile gar nicht mehr davon überzeugt, dass man tatsächlich alles aussprechen muss. Bei mir ist es sehr oft so, dass das was ich in der Therapie NICHT sage viel wichtiger ist als das was ich sage. Vielleicht ist es das, was meine arme, leidgeprüfte Therapeutin so fertig macht - so wirklich weiß sie nicht, was in mir vorgeht. Mein Fehler.
Andererseits sage ich mir immer, damit muss sie zurecht kommen. Wenn mir in der Therapie manche Dinge klar werden, z.B. über emotionalen, psychischen und auch sexuellen Missbrauch, dann muss ich die meines Erachtens nicht mehr artikulieren. Was sollte es bringen genau zu beschreiben, wie, was, wann, wie oft?
Sicherlich werden mir hier viele widersprechen (allen voran meine Therapeutin, wüsste sie was ich hier so alles schreibe), aber mir ist es z.B. auch gar nicht wichtig zu erfahren woher meine Depression genau kommt. Das interessiert mich ehrlich gesagt nicht die Bohne. Eine vage Ahnung habe ich und das reicht mir. Viel wichtiger ist mir zu lernen wie ich damit umgehen kann und wie ich in Zukunft Rückfälle vermeide.

Im Moment führt das zu der merkwürdigen Situation, dass ich der Meinung bin fast völlig geheilt zu sein und die Therapie nur noch zur Stabilisierung zu benötigen, während meine Therapeutin der Meinung ist, ich bräuchte eigentlich viel mehr Sitzungen weil es mir "offensichtlich nicht gut geht."

Sorry, aber manchmal interpretieren Therapeuten auch zu viel in Kleinigkeiten hinein. So habe ich z.B. heute ziemlich starke Probleme gehabt, Luft zu kriegen. Das lag aber nicht an meiner "momentanen ungeheuren Anspannung" sondern daran, dass sich eine Bronchitis auf die Lunge geschlagen hat.

Auch wenn das jetzt vielleicht nicht so klingt, ich bin der Meinung, dass du dringend eine Therapie brauchst. Deshalb brauchst du dich aber nicht schämen. Schämen müsstest du dich nur, wenn du dich aus Angst weiter in dein Schneckenhaus verkriechst und nicht einmal versuchst dir helfen zu lassen.

Alles Gute!
Fool

Leah

Hallo,

mir half es mit meinen Ängsten den Satz meines Therapeuten anzunehmen...das Angst nichts Schlimmes ist...angefangen in der Steinzeit schon, ohne Angst kein Überleben etc. ...es war bei mir die Angst vor der Angst, die Angst vor der nächsten Panikattacke, wo sie mich treffen wird, am Anfang auch, was denken die Leute, mein Umfeld...Angst/Panik ist gleich Schwäche, Schwäche bietet Angriffsfläche...Angriffsfläche darf ich nicht bieten, weil man schon als Kind meine Schwäche ausnutzte, Stärke an mir demonstrierte.
Nach meinem Zusammenbruch 2006 lernte ich in einem Selbsthilfechat einige Leute mit Angststörungen kennen. Sah, was die Angst anrichtete. Sah eben auch, dass diese lieben Menschen quasi für alltägliche Dinge (Einkauf etc.) immer jemand brauchten, weil die Angst die Wohnung zu verlassen zu groß wurde...was ich für mich nie annehmen könnte (MB in der Kindheit, ich muss fliehen können. Ein Gefühl, was ich wohl nie verlieren werde). Die Angst aushalten, war das Einzigste was mir half. Wenn ich in Situationen ging, zuvor mir alle Möglichkeiten im Kopf durchzuspielen, dann raus und aushalten, mit dem Wissen...diese scheiß Angst wird vorbei gehen, ich muß nur hartnäckiger sein als sie. Die körperlichen Symptome können nicht ewig anhalten und wenn die weg sind, komme ich klar. Also hat mir meine Angst eigentlich sogar dabei geholfen, die Angst zu besiegen. :-) Noch mehr als vor der Angst generell hatte und habe ich Angst vor Abhängigkeit und "Eingeschlossen sein".

Mein Therapeut fragte auch mal an, ob meine Eltern mal mitkommen könnten. Ich wollte das nicht und damit war das Thema durch. Er fragt auch nie nach, selbst wenn wir ein Thema in der Stunde nicht durchbekommen. Am Anfang hatte ich null Erwartungshaltung an ihn, saß eh nur meist eine Stunde dort und heulte. Er hat mir in der Zeit viel erklärt, Beispiele gebracht...fast mehr Dozent, mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Aber ich merkte...auch wenn ich nicht übliche "Norm" bin, so bin ich doch nicht "ganz kaputt". Dann kam die Zeit, wo ich erzählt habe, wo wir tief gingen. Meist ging es mir dann eine Woche durch den Kopf, bei tiefen Punkten auch länger...bis ich für mich zu einem Schluss kam. Immer Steinchen auf Steinchen. Ich glaube, mehr an Hilfe kann ich nicht erwarten...weil am Ende kann ich mir nur selbst helfen, mehr zu erwarten führt glaube ich nur zur Enttäuschung, was dann dazu führt, sich wieder nur schlechter zu fühlen.

Ich habe mich auch solange ich denken kann...anders gefühlt. Dachte auch oft (als Kind), ich sei adoptiert...blödes und falsches Bild von Adoption...denn da war so wenig Liebe und Wärme...sehr viel Strenge und Distanz...wo hingegen mein Cousin von meinen Eltern verhätschelt wurde, gelobt (dabei war ich zumindest in der Schule um Längen besser)...egal, was ich tat, es war nie gut genug wenigstens für ein kleines Lob, für ein bisschen Anerkennung. Auch später nicht, als ich erwachsen war, selbst Kinder hatte...zu der Zeit mein Leben im Griff hatte, von Außen Anerkennung bekam...aber am Ende hat das alles nichts genutzt, mein Zusammenbruch kam...weil ich bis vor ein paar Jahren gebraucht habe um mich selbst anzunehmen, mich selbst zu loben (Tipp von meinem Therapeuten jeden Tag mindestens einmal im Spiegel anlächeln :-)) und meine Stärken zu erkennen, meine Schwächen anzunehmen und eben auch meine Depression ( ohne, dass ich mich ihr hingebe, soll heißen...wann immer was nicht läuft ist die Depri Schuld...nein, eher meinen Grenzen zu erkennen, die durch die Depression halt enger gesetzt sind als ohne Depression), meine Trigger...dass das was ich bin, das Komplettpacket ist...was die Anderen annehmen können oder auch nicht...und wenn sie nicht wollen, bitte schön, ich mag auch nicht jeden.  Jeder Mensch ist anders und anders ist ohne Wertung nur eine Feststellung. Wir machen "anders" zu etwas positiven oder negativen. Und aus "anders" entstehen gerade auch im Kunstbereich großartige Dinge, die meisten Künstler sind anders...und da wertet man das durchaus positiv.

Liebe Grüße Leah

hardworking fool

Hallo Leah,
Ich kann dir nur zustimmen. Jeder Jeck ist anders - und das ist auch gut so.
Wenn ich deine Worte lese, hab ich den Eindruck, dass du eine sehr starke Frau bist.
Du hast schon viel erlebt und dadurch wurdest du sozusagen trainiert. Glaub an dich und die Angst wird dich nicht unterkriegen. Vielleicht ist sie auch eine Freundin die dich auch mal warnt.
Alles Gute Fool

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