Hallo Jens,
herzlich willkommen im Nur-Ruhe Forum!
Emotionalität, die sich so äußert, wie Du es beschrieben hast, finde ich erstmal nicht ungewöhnlich. Mir geht es mit mancher Musik auch so, dass ich bestimmte Lieder höre und mir sofort die Tränen kommen. Ich kenne mehrere Leute, bei denen es so ist (bei Musik, aber auch bei Filmen). Die "Ursachen" können ganz unterschiedlicher Natur sein, denke ich. Entweder man ist einfach insgesamt sehr emotional oder man ist sehr feinfühlig und mitfühlend und kann sich in die Charaktere hineinversetzen oder man verbindet bestimmte Musik / Lieder, Filme, Worte, Szenen usw. mit etwas. Letzteres ist einem nicht unbedingt immer bewusst. Manchmal wird auch etwas angetriggert, was man eher tief in sich vergraben und ggf. verdrängt hat – oder man erkennt den Zusammenhang nicht gleich. Das kennt wohl fast jeder. Der eine mehr, der andere weniger.
Allerdings scheint es Dich zu belasten, sonst hättest Du Dich vermutlich nicht hier angemeldet. Zwei (bzw. drei) Sätze sind mir ins Auge gefallen:
Ich kann mit niemanden persönlich darüber reden.
[...]
Ich gehe auch ungern raus. Einkaufen im Supermarkt muss schnelle gehen, besonders wenn es sehr voll ist.
Liege ich richtig mit der Annahme, dass Du nur wenige persönliche, enge Kontakte hast und viel alleine bist?
Ich habe eine Theorie. Vielleicht trifft sie zu, vielleicht ist sie aber auch ziemlich weit hergeholt und passt nicht zu Dir und Deiner Situation:
Wenn eine Serie zu Ende geht, also das Serien Finale, fühle ich mich danach immer leer und lustlos. Als ob eine Welt zusammen bricht. Bwohl ich mir bewusst bin, das es nur ein Film oder Serien Ende ist.
Wenn man einsam ist, z.B. weil man introvertiert ist, nicht so gut auf andere zugehen kann, soziale Ängste hat oder es aus anderen Gründen nicht klappt, Freundschaften zu schließen oder einen Partner zu finden, kann es passieren, dass man sich als "Ersatz" für reale zwischenmenschliche Beziehungen und Bindungen mit Menschen / Charakteren verbrüdert, die man nicht einmal kennt oder die eben wirklich nur eine Rolle in einem Film oder einem Videospiel darstellen. Menschen, die einem sympathisch sind, zu denen man aufschaut, in denen man sich in Teilen wiedererkennt oder mit denen man sich auch umfangreicher identifizieren kann, z.B. weil sie ähnliche Charaktereigenschaften haben, sie die eigenen Gedanken und Gefühle widerspiegeln oder es sonstige Parallelen gibt. Man fühlt sich diesen Personen dann automatisch irgendwie verbunden – und genau das ist ja oft auch das Bestreben des Regisseurs.
Bis zu einem gewissen Grad ist das also genauso gewünscht und auch völlig normal. Bei manchen Menschen geht das aber sehr viel weiter – und ich wage zu behaupten, dass dies in erster Linie einsame und feinfühlige Personen betrifft.
Du interessierst Dich offenbar sehr für Filme, Serien und Videospiele und verbringst wohl auch viel Zeit damit, oder? Dass Du dabei solchen Personen "begegnest", ist sehr wahrscheinlich. Wenn Du im echten Leben keine vertrauensvollen Bindungen eingehen kannst oder nur sehr wenige oder gar keine persönlichen, sozialen Kontakte hast und überwiegend allein bist, projiziert Du das, was Dir fehlt, möglicherweise auf die Charaktere in den Filmen / Spielen. Also auf diejenigen, die Du magst, die zu Dir passen, die ähnlich denken und fühlen wie Du usw.
So etwas gibt es durchaus und kommt gar nicht mal so selten vor. Man "bindet" sich gedanklich / emotional an jemanden (→ macht also genau das, was einem im echten Leben fehlt / nicht möglich ist), auch wenn es eine Illusion ist, da diese Person real nicht existiert, sondern lediglich eine gespielte Rolle ist, die in den meisten Fällen wohl nicht dem wahren Charakter entspricht. Oder anders gesagt: Es ist eine Flucht vor der Einsamkeit, damit man sich nicht mit seinen unerfüllten Sehnsüchten auseinandersetzen muss. Man verliert sich (zeitweise) ein wenig in dieser "anderen Welt", weil man da findet, wonach man sich im echten Leben (evtl. schon lange) sehnt.
Wenn die Serie endet und man alle Staffeln gesehen hat, endet automatisch auch die (einseitige) Bindung, die man aufgebaut hat. Wie Du schriebst: Als ob eine Welt zusammenbricht. Die Fantasie- / Traumwelt bricht zusammen, weil es nicht weitergeht und man sich von den lieb gewonnenen Charakteren verabschieden muss.
Das klingt jetzt alles vielleicht ein bisschen extrem und das muss so natürlich nicht auf Dich zutreffen. Wie gesagt, es ist nur eine Theorie, die mir aufgrund der oben zitierten Passagen in den Sinn kam. Ich kann damit völlig daneben liegen, da dieser eine Beitrag von Dir alles ist, was ich über Dich weiß, und er zudem noch viel Raum für Interpretationen lässt.
Aber horch mal in Ruhe in Dich hinein. Vielleicht steckt in meinem Text ja auch für Dich ein Fünkchen Wahrheit.
Liebe Grüße
Ina