Hallo,
das ist das erste Mal, dass ich in so einem Forum schreibe, aber ich hab das Gefühl, ich muss diesen ganzen Mist in meinem Kopf einfach irgendwie loswerden. Und ich hab leider im Moment keinen zum Reden und vielleicht gibt es hier Leute, die mich verstehen und denen es ähnlich geht ...
Ich glaub, ich fang einfach von vorne an und lass alles raus ... auch wenn es schwer ist ...
Also, ich war eigentlich schon mein ganzes Leben immer irgendwie "anders" als z. B. die anderen Kinder. Als Baby war ich laut meinen Eltern ein Schreikind und konnte nur schlafen, wenn mein Vater mich auf dem Arm hatte. Meine Mutter hat auch erzählt, dass ich später teilweise auf dem Spielspatz gar nicht gespielt hab, sondern nur ganz still da saß und die anderen Kinder beobachtet hab. Ich war wohl generell sehr still und hab viel beobachtet.
In den Kindergarten bin ich erst mit fünf gekommen. Ich war zwar schon früher mal zu Probetagen da, habe aber den ganzen Tag geweint, bis meine Mutter mich wieder abgeholt hat. Da hat sie dann entschieden, dass es für mich vielleicht besser ist erst später in den Kindergarten zu gehen. Bin ich dann ja auch irgendwann, ich erinnere mich aber, dass ich Kindergarten jetzt nie so super toll fand.
Dann bin ich eingeschult worden und die Grundschule an sich hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich habe auch nie Probleme mit dem Lernen, Hausaufgaben etc. gehabt. Das lief alles wie von selbst.
Ich war allerdings immer noch sehr, sehr ruhig und meine alte Klassenlehrerin hat mir vor einiger Zeit erzählt, dass sie sich genau erinnert, dass ich bei der Lesenacht die einzige war, die wirklich gelesen hat, während um mich herum das Chaos tobte.
Ich hatte auch riesige Probleme, irgendwo anders als Zuhause zu übernachten, nicht mal bei einer Freundin, die nur zwei Häuser weiter gewohnt hat. Das ging irgendwie nicht, ich konnte das nicht aushalten. Und ich hatte auch Probleme einfach nur mal einen Nachmittag irgendwo zum Spielen hinzugehen, dass hat mir oft einfach Angst gemacht. Bei meinen wenigen engen Freunden ging das, aber wenn mich bspw. jemand aus meiner Klasse, mit dem ich nicht so sehr befreundet war, zum Kindergeburtstag eingeladen hat und da auch viele Kinder hinkommen sollten, die ich nicht kannte, dann konnte ich da nicht hingehen. Ich hab wirklich tagelang vorher nur geweint und hatte eine riesen Angst, da hin zu müssen.
Als ich dann aufs Gymnasium gekommen bin, wurde alles richtig schlimm. Am ersten Schultag bin ich aus der Schule abgehauen und nach Hause gerannt, weil ich es in der neuen Umgebung einfach nicht aushalten konnte. Ich hab nach einiger Zeit zwar Freindinnen gefunden, die waren in dieser Phase der Pubertät aber irgendwie eher tussig und falsch.
Ab da hatte ich richtig Panik irgendwo zu übernachten, die dreitägige Klassenfahrt war der pure Horror, ich hab wochenlang vorher und auch auf der Fahrt selbst fast durchgängig geweint. Ich hab dann auch richtige Panikattacken bekommen, ich dachte immer abends vor dem Einschlafen, dass ich keine Luft mehr kriege. Ich will meinen Eltern keinen Vorwurf machen, aber ich glaube, sie waren sehr überfordert mit mir. Sie wussten nicht, was sie in diesen Situationen tun sollten, um mich zu beruhigen und sind dann irgendwann auch aggressiv geworden oder haben einfach versucht, das zu ignorieren. Ich saß dann teilweise die halbe Nacht alleine in meinem Bett und hab geweint, bis ich vor Erschöpfung eingeschlafen bin.
Ich hab dann in der Pubertät durch die Hormonumstellung irgendwann Migräne bekommen, mit Aura, d. h. mit Sehstörungen und Taubheitsgefühlen etc. Das ist leider eine familiäre Vorbelastung, hat aber meine Panik nur verstärkt.
Ich war oft krank bzw. mir war fast ständig übel, ich bin oft auch gar nicht zur Schule gegangen und hab viel geweint. Würde sagen, das war meine erste schlimme Phase der Depression. Irgendwann waren wir dann beim Arzt, ich hab Benzodiazephane bekommen und eine Therapie bei einem Kinderpsychologen gemacht. Die Benzos haben geholfen, die Therapie nicht so, weil ich einfach furchtbar schüchtern war und mich fast gar nicht getraut hab irgendwas zu sagen (nicht nur in der Therapie, sondern auch generell im Alltag).
Ich hatte auch zuhause Probleme, mein Vater war sehr jähzornig und hat teilweise Kleinigkeiten sehr hart bestraft, allerdings nur bei mir, nicht bei meinen Geschwistern. Ich wurde teilweise vor die Tür gesetzt, mir wurden Tachen ins Zimmer geworfen mit der Aufforderung meine Sachen zu packen und auszuziehen, es wurde gesagt, ich wäre nicht mehr seine Tochter. Das schlimmste war, als ich in der Stadt einmal gefragt hab, ob ich mir zwei anstatt nur einer DVD aus der Bücherei ausleihen dürfte. Als wir zuhause waren, musste ich mein gesamtes Zimmer ausräumen und meine Sachen in den Keller tragen. Den Rest des Tages saß ich dann bis zum nächsten Morgen in meinem komplett leeren Zimmer.
Das wurde irgendwann besser, als mein Vater angefangen hat extrem viel Sport zu machen, da lässt er wohl heute seinen Frust ab und nicht mehr an mir ...
Irgendwann wurden dann meine verkorksten Freundschaften aufgebrochen und ich hab neue, sehr liebe Freundinnen gefunden, mit denen ich auch heute noch befreundet bin. Meine Ängste waren allerdings immer noch da, ich hab nie irgendwo übernachtet außer unter Zwang (Klassenfahrt oder so) und das war fast immer schrecklich.
Bis zum Abi ging alles irgendwie dann so seinen Gang und eine zeitlang war alles okay. Ich hab auch ein sehr gutes Abi gemacht. Aber seitdem geht eigentlich alles den Bach runter und seit dem war ich dann auch eigentlich wider bei einer Verhaltenstherapie. Ich bin jetzt 23 und Studentin im Master, ich habe während des gesamten Studiums keinen einzigen Freund gefunden, eigentlich nicht mal Bekannte. Seit vier Jahren muss ich Antidepressiva nehmen, meine Stimmung ist trotzdem sehr labil. Meine Ängste werden eigentlich immer schlimmer. Anfang des Jahres war ich erst in einer stationären Therapie und dann in einer Tagesklinik, weil diese Angstzustände einfach über Wochen nicht mehr aufgehört haben. Ich hab am Schluss auch nur noch 44kg bei 170 cm gewogen ... ich glaube das sagt alles ...
Auf jeden Fall bin ich jetzt entlassen und wieder im Studium, aber ich hab das Gefühl, dass sich nichts wirklich verändert hat. Vor allem in der Tagesklinik hab ich mich überhaupt nicht ernst genommen gefühlt, sondern man hat mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass es im Grunde alles meine Schuld ist und als ich mal den Versuch unternommen hab, trotz der riesigen Scham über meine Kindheit zu sprechen, wurde das abgebügelt, "weil das für meine jetztige Situation gar nicht mehr relevant sei". Danach wurde das nie wieder erwähnt, geschweige denn nach gefragt.
Ich fühl mich einfach so furchtbar alleine und ich schäme mich dafür, wie ich bin, Ich hab das Gefühl, ich mache alles falsch und kann irgendwie gar nicht normal sein. Dabei ist es das was ich mir schon immer am meisten gewünscht hab: ich möchte normal sein dürfen, ich möchte glücklich sein dürfen, ich möchte sein wie alle anderen. Als Kind hab ich mir immer gesagt, dass alles besser wird, wenn ich erwachsen bin, weil Erwachsene keine Angst haben. Und jetzt bin ich erwachsen und es wird immer schlimmer ...
Ich bin hoffnungslos, weil ich das Gefühl hab, dass ich immer schon so war, ich weiß gar nicht wie es ist, keine Angst zu haben vor irgendwas oder nicht traurig zu sein ... und wenn man dann noch solche therapeuten hat, die einem sagen, dass man mir sowieso nicht helfen kann, weil ich das eh alleine machen muss, dann frag ich mich halt schon warum ich überhaupt noch lebe ...
An Diagnosen wurde mir auch schon alles mögliche gegeben, Angststörung, Depression, Persönlichkeitsstörung ... ich find mich aber irgendwie nirgendwo so ganz wieder und ich hatte bis jetzt leider auch noch keinen Therapeuten, wo ich mich so wohlgefühlt hab, dass ich meine ganze Geschichte erzählen konnte ... manchmal denk ich, dass ich vielleicht auch irgendwie autistisch bin oder einen Hirnfehler hab :(
Ich danke erstmal allen, die sich überhaupt die Mühe machen, DAS alles zu lesen. :) ich fühl mich jetzt wenigstens ein bisschen besser. Vielleicht gibts ja kemanden dems ählich geht ...
Ich wünsche allen in diesem Forum auf jeden Fall, dass sich eine Lösung und ein Weg findet <3
Hannah